Leitsatz (amtlich)
Erhöht eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ihr Nennkapital nicht aus Rücklagen, sondern unmittelbar aus Gewinnen, so liegt darin keine Maßnahme, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach § 1 des Kapitalerhöhungsgesetzes entspricht.
Normenkette
KapErhG § 1; KapErhStG § 7
Tatbestand
Streitig sind die steuerrechtlichen Auswirkungen einer Kapitalerhöhung bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft, an der eine inländische Kapitalgesellschaft beteiligt ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, gründete zusammen mit einer anderen inländischen Kapitalgesellschaft im Jahre 1960 eine Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH nach togolesischem Recht (im folgenden S). Das Gesellschaftskapital betrug 10 Mio Frs. CFA (CFA = Communaut\'e9 Financiere Africaine), von dem die beiden Gründergesellschaften je die Hälfte übernahmen. Die S hat ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. März des darauffolgenden Jahres. Am 3. Juli 1963 beschlossen die Gesellschafter, das Gesellschaftskapital der S um 10 Mio Frs. CFA durch Schaffung neuer Anteile zu erhöhen. In dem Beschluß heißt es, daß die Beträge von je 5 Mio Frs. CFA von den Gründergesellschaften in bar eingebracht worden seien. Aufgrund der Kapitalerhöhung wurden die Statuten dahin gehend geändert, daß das Betriebskapital auf 20 Mio Frs. CFA festgesetzt wurde, die sich jeweils in Höhe von 10 Mio Frs. CFA auf die beiden Gesellschafter der S verteilten. Die Kapitalerhöhung wurde am 27. Juli 1963 in das Handelsregister eingetragen.
Abweichend vom Wortlaut des Kapitalerhöhungsbeschlusses haben die Gesellschafter keine Barzahlungen geleistet. Die Kapitalerhöhungen wurden durch Umbuchung des in der Bilanz der S vom 31. März 1963 ausgewiesenen Gewinns und der in den folgenden Jahren erzielten Gewinne bewirkt. Die S wies die durch die Vorjahresgewinne nicht gedeckte Kapitalerhöhung in den Bilanzen auf einem sog. Verlustvortragskonto aus. Von dem bei der S im Streitjahr vorhandenen Gewinn von 8 402 056 Frs. CFA wurden der Klägerin entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis 4 201 028 Frs. CFA = 68 896 DM angerechnet.
Die Klägerin nahm in ihrer Bilanz für das Streitjahr 1963 weder eine Aktivierung der neuen Anteile noch eine Passivierung der verbleibenden Einzahlungsverpflichtungen vor. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin, die meinte, daß sie die erworbenen Anteile nicht zu aktivieren brauche, weil sie keine Anschaffungskosten i. S. von § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgewendet habe, erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Veranlagung der Klägerin zur Körperschaftsteuer 1963 den Wert der Beteiligung um einen Betrag von 68 896 DM und insoweit das Einkommen der Klägerin.
Ursprünglich war die Klägerin der Meinung, es liege eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vor, und die Voraussetzungen des § 7 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (KapErhStG) i. d. F. vom 2. November 1961 (BGBl I, 1961, 1917, BStBl I 1961, 708) seien erfüllt. Nach Durchführung der Betriebsprüfung ließ die Klägerin diesen Antrag fallen und bezog sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Januar 1966 VI 140/64 (BFHE 85, 21, BStBl III 1966, 220 ).
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Dem Einwand der Klägerin, daß sie die Anteile unentgeltlich erworben habe, stünden der Wortlaut des Erhöhungsbeschlusses und der Statutenänderung sowie der Umstand entgegen, daß die Kapitalerhöhung aufgrund des vorgelegten Erhöhungsbeschlusses im Handelsregister eingetragen worden sei. Bei dem auf dem sogenannten Verlustvortragskonto stehenden Betrag könne es sich nur um eine Einlageforderung gegen die Gesellschafter handeln. Die Einzahlungsverpflichtung der Klägerin habe sich bis zum Bilanzstichtag um 68 896 DM reduziert. In Höhe dieses Betrags sei die Einzahlungsverpflichtung durch die Verrechnung mit dem Gewinn erloschen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, daß die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 KapErhStG vorlägen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das FG sei zu Unrecht von einem Anschaffungsvorgang ausgegangen. Der in dem Erhöhungsbeschluß gebrauchte Ausdruck "Einbringung in bar" spreche nicht gegen eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Zwischen den Beteiligten sei immer nur über eine Kapitalerhöhung "unmittelbar aus den Gewinnen" gesprochen worden. Darunter könne nur eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verstanden werden. Selbst wenn man aber von einer Kapitalerhöhung im Wege einer Bareinlage ausgehe, ergebe sich bei ihr keine Gewinnerhöhung. Den neu erworbenen Anteilsrechten würde dann die Einzahlungsverpflichtung in gleicher Höhe gegenüberstehen. Eine Tilgung dieser Verpflichtung durch einseitige Verrechnung mit laufenden Gewinnen sei nicht beabsichtigt gewesen; man sei allgemein davon ausgegangen, eine Einzahlungsverpflichtung bestehe nicht.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Körperschaftsteuer unter Änderung des angefochtenen Bescheids und der Einspruchsentscheidung auf 0 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die von der S vorgenommene Kapitalerhöhung ist keine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln. Dies folgt aus § 7 KapErhStG.
Erhöht eine Kapitalgesellschaft das Nennkapital nach den Vorschriften des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (KapErhG) vom 23. Dezember 1959 (BGBl I, 789), so unterliegt der Erwerb der neuen Anteilsrechte nicht den Steuern vom Einkommen und Ertrag (§ 1 KapErhStG). Diese Vorschrift ist auf den Erwerb von Anteilsrechten an einer ausländischen Gesellschaft anzuwenden, wenn (1.) die ausländische Gesellschaft den in § 1 bezeichneten Kapitalgesellschaften vergleichbar ist und (2.) die Anteilsrechte den in § 1 bezeichneten neuen Anteilsrechten wirtschaftlich entsprechen und auf Maßnahmen der ausländischen Gesellschaft beruhen, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln i. S. des § 1 entsprechen (§ 7 Abs. 1 KapErhStG).
Die im Streitfall vorgenommene Kapitalerhöhung entspricht nicht einer Kapitalerhöhung nach § 1 KapErhG.
1. a) Die Vorschrift des § 7 KapErhStG verlangt allerdings nicht, daß die Kapitalerhöhung der ausländischen Gesellschaft in allen Einzelheiten den deutschen Vorschriften entspricht. Da es bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln an einer haftungsbegründenden Zeichnung der neuen Aktien (AG) oder einer Übernahme der neuen Stammeinlagen (GmbH) fehlt, umgibt das Kapitalerhöhungsgesetz die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit einem Netz von Sicherungen (vgl. §§ 2, 4 KapErhG). Wie weit das ausländische Recht Sicherungen vorsieht, beurteilt sich nach ausländischem Gesellschaftsrecht und berührt nicht das Wesen der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, auf das es für die steuerrechtliche Beurteilung allein ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 56/74, BFHE 120, 362, BStBl II 1977, 177 ). Jedoch ist es nicht eine Frage der Sicherungen, sondern gehört zum Wesen der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach deutschem Recht, daß die Erhöhung des Nennkapitals in Form der Umwandlung von Rücklagen geschieht.
b) Der erkennende Senat hat es im BFH-Urteil I R 56/74 offengelassen, ob auch eine Erhöhung des Nennkapitals durch die Umwandlung von Gewinn die Voraussetzungen des § 7 KapErhStG erfüllen könnte. Diese im Streitfall bedeutsame Frage ist zu verneinen. Die Umwandlung von Gewinn in Nennkapital kann der Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital nicht gleichgestellt werden. Der Reingewinn ist nach deutschem Recht grundsätzlich an die Aktionäre (Gesellschafter) auszuschütten (§ 52 des Aktiengesetzes - AktG - 1937, § 29 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG -). Zwar ist die Ausgabe neuer Anteile im Zuge der Erhöhung des Nennkapitals aus dem Gewinn keine echte Gewinnausschüttung, weil es an einem Gewinnverteilungsbeschluß fehlt. Sie ist aber eine verdeckte Gewinnausschüttung, obwohl sich auch bei ihr im Vermögen der Gesellschaft und der Gesellschafter rein äußerlich nichts ändert. Denn bei der Umwandlung in Kapital behält die Gesellschaft etwas, was sie an sich herausgeben müßte und was jeder einzelne Aktionär erst aus seinem mitgliedschaftsrechtlichen Anspruch auf den Reingewinn freigeben muß, damit es zur Kapitalerhöhung verwendet werden kann (vgl. Kuhn, Wertpapier-Mitteilungen 1956 Teil IV B, S. 1366 ff. [1372]). Dieser wesentliche Unterschied zwischen Erhöhung des Nennkapitals aus Rücklagen einerseits und aus Gewinn andererseits war der Grund, weshalb nach dem Kapitalerhöhungsgesetz zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nur Rücklagen verwendet werden können (Begründung des Regierungsentwurfs zum Kapitalerhöhungsgesetz, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Drucksache 416 S. 9).
c) Diese rechtspolitische Entscheidung bestimmt auch die Auslegung des § 7 KapErhStG. Da diese Vorschrift bei einer Umwandlung von Gewinnen in Nennkapital nicht anzuwenden ist, handelt es sich in diesem Fall um eine Kapitalerhöhung aus Einlagen. In diesem Sinne hat das Gesetz den im Schrifttum geführten Streit über die Rechtsnatur der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln beendet (vgl. zur Geschichte dieses Streits Steinberg, die Kapitalerhöhung aus Mitteln der Gesellschaft im Handels- und Steuerrecht, Steuer und Recht Bd. 4, 1958, S. 61 f.). Für die Kapitalerhöhung aus Gewinn, die rechtlich als Kapitalerhöhung aus Einlagen anzusehen ist, gelten die §§ 149 ff. AktG 1937 und die §§ 55 ff. GmbHG.
2. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, § 7 KapErhStG sei eine reine Begünstigungsnorm und könne dann nicht eingreifen, wenn nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Kapitalerhöhung stattfindet, auch die Umwandlung von Gewinn in Nennkapital als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln angesehen werde. Dem Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland steht es grundsätzlich frei, die Merkmale zu bestimmen, an die er die Steuerpflicht knüpft. Ebenso wie er berechtigt ist, die Besteuerung von den Normen des deutschen Privatrechts zu lösen, ebenso kann er auch bestimmen, daß ausländisches Gesellschaftsrecht für die deutsche Besteuerung ohne Bedeutung ist. Die Vorschrift des § 7 KapErhStG kann im Einzelfall eine Freistellung von der Besteuerung bewirken, kann aber auch die entgegengesetzte Rechtsfolge auslösen. Liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht vor, so enthält § 7 KapErhStG einen eigenen Besteuerungstatbestand, der in diesem Fall, was den Begriff der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln anbelangt, an das deutsche Gesellschaftsrecht anknüpft. Diese Regelung findet ihre Rechtfertigung darin, daß die ausländische Gesellschaft nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden soll als eine inländische Gesellschaft.
3. Dem FG ist auch darin beizutreten, daß die Klägerin aus dem BFH-Urteil VI 140/64 keine für sie günstigen Schlüsse herleiten kann.
Nach diesem Urteil sollte ein buchführender Gewerbetreibender, der für die zu seinem Anlagevermögen gehörenden Aktien Freianteile erwirbt, diese nicht zu aktivieren brauchen, da er dafür keine Aufwendungen gemacht habe, die als Anschaffungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu behandeln seien. Dieses Urteil betraf die im Jahre 1955 geltende Rechtslage. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind jedoch nach Inkrafttreten des Kapitalerhöhungssteuergesetzes am 1. Januar 1960 nicht mehr anzuwenden.
4. Danach ist es im Streitfall ohne Bedeutung, welche Vorstellungen die an der Kapitalerhöhung der S beteiligten Personen im einzelnen hatten, insbesondere ob nach togolesischem Recht eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln oder eine Kapitalerhöhung gegen Einlage gewollt gewesen ist. Vielmehr ist unter Zugrundelegung der §§ 55 ff. GmbHG davon auszugehen, daß sich die Gesellschafter verpflichtet hatten, den auf sie entfallenden Betrag an der Kapitalerhöhung aus eigenen Mitteln und mindestens zum Teil aus ihren Gewinnanteilen im Wege der Verrechnung aufzubringen. Das bedeutet, daß die Gesellschafter zu dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerhöhung wirksam geworden ist (Eintragung in das Handelsregister), nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (§ 6 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes, § 5 EStG) die von ihnen erworbenen neuen Anteile an der S aktivieren und ihre Verpflichtung zur Aufbringung der Mittel für die Kapitalerhöhung passivieren müssen. Die Verpflichtung der Klägerin wurde durch Verrechnung mit ihrem Gewinnanteil aus dem Geschäftsjahr 1962/1963 in Höhe von 68 896 DM gewinnerhöhend getilgt. Um diesen Betrag war das körperschaftsteuerliche Einkommen der Klägerin für das Streitjahr zu erhöhen.
Fundstellen
Haufe-Index 72768 |
BStBl II 1978, 414 |
BFHE 1979, 55 |