Entscheidungsstichwort (Thema)
(Gewinnabführungsvertrag: Herstellung der Ausschüttungsbelastung, Verrechnung mit EK 04, Durchführung)
Leitsatz (amtlich)
1. Für Gewinnabführungen aufgrund einer steuerlich anerkannten Organschaft mit EAV ist die Ausschüttungsbelastung nicht herzustellen.
2. Das gilt auch, wenn im Zeitpunkt der tatsächlichen Gewinnabführung die Organschaft mit EAV beendet ist, die Abführung aber einen Zeitraum betrifft, für den noch eine Verpflichtung zur Ergebnisabführung besteht.
3. Eine solche nachträgliche Gewinnabführung ist entsprechend § 37 Abs. 2 KStG mit dem EK 04 zu verrechnen.
Orientierungssatz
Durchgeführt wird ein Ergebnisabführungsvertrag i.S. des § 14 Nr. 4 Satz 1 KStG, wenn er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Durchführung bedeutet daher u.a., daß die nach Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden.
Normenkette
KStG 1977 § 14 Nr. 4, §§ 17, 27ff, 27; AktG § 291 Abs. 1; KStG 1977 § 37 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren Alleingesellschafter das Einzelunternehmen A ist. Zwischen der Klägerin (Organgesellschaft) und dem Einzelunternehmen (Organträger) bestand bis zum 31. Dezember 1981 ein Organschaftsverhältnis mit Ergebnisabführungsvertrag (EAV).
Anläßlich einer Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1977 bis 1981, die mit Bericht vom 30. Dezember 1983 abgeschlossen wurde, wurden bei der Klägerin Mehrergebnisse für 1977 bis 1981 in Höhe von insgesamt 247 569 DM festgestellt. Der Prüfer passivierte das jeweilige jährliche Mehrergebnis in den Prüferbilanzen als "steuerlichen Ausgleichsposten", so daß dieser zum 31. Dezember 1981 247 569 DM betrug. Das Mehrergebnis stellte der Prüfer in das EK 04 ein. Die auf den Mehrgewinnen beruhenden Einkommensteuererhöhungen wurden vom Organträger versteuert.
Die Klägerin paßte ihre Handelsbilanz zum 31. Dezember 1983 an die Ergebnisse der Außenprüfung dergestalt an, daß sie den in der Prüferbilanz zum 31. Dezember 1981 gebildeten Ausgleichsposten auf das Verrechnungskonto des Alleingesellschafters und früheren Organträgers aufwanderhöhend umbuchte. Sie bezeichnete diesen Vorgang als "Ergebnisabführung des Überschusses aus der Betriebsprüfung entsprechend dem bis 31. Dezember 1981 bestehenden EAV". Die dadurch in der Handelsbilanz eingetretene Gewinnminderung korrigierte die Klägerin zum Zweck der Ermittlung des Steuerbilanzgewinns in der Einkommensteuererklärung 1983 gemäß § 60 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in der Verrechnung und in der dadurch eingetretenen Minderung der Forderungen der Klägerin gegenüber ihrem Alleingesellschafter eine verdeckte Gewinnausschüttung, die allerdings wegen der Hinzurechnung nach § 60 Abs. 2 EStDV keine Auswirkung auf das zu versteuernde Einkommen hatte. Da er nach der Fiktion des § 28 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für diese Ausschüttung EK 03 als verwendet ansah, erhöhte er die Körperschaftsteuer um 9/16 aus 247 569 DM.
Einspruch und Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1983 und das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 1983, mit denen die Klägerin eine Verrechnung der Ausschüttung mit dem zum 31. Dezember 1981 in das EK 04 eingestellte Betriebsprüfungsmehrergebnis begehrte, blieben erfolglos.
Mit der Revision rügt die Klägerin, daß die Überbesteuerung der während der Organschaft beim Organträger versteuerten Gewinne (§§ 27, 28, 37 KStG) die Steuergerechtigkeit und den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verletze. Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und der Klage antragsgemäß stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klagestattgabe (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
A. Körperschaftsteuer 1983
Vermögensverlagerungen von einer Kapitalgesellschaft auf ihren Gesellschafter finden grundsätzlich im Wege offener oder sog. anderer Ausschüttungen i.S. des § 27 KStG statt. § 27 KStG greift allerdings bei einer Organschaft für die Dauer des Bestehens eines EAV nicht ein. Insoweit gehen die §§ 14 ff., §§ 36, 37 KStG als lex specialis den §§ 27 ff. KStG vor (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 7/1470 S.347; ebenso im Verhältnis zu § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG: Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Juli 1980 I B 38/90, BFH/NV 1991, 121 m.w.N.). Ist ein EAV beendet, so können Gewinne, die nach Ablauf des EAV erwirtschaftet werden, wiederum nur in Form von Ausschüttungen dem Gesellschafter zufließen. Mit Beendigung des EAV gehen allerdings Ansprüche des Organträgers auf Gewinnabführung und Ansprüche der Organgesellschaft auf Verlustübernahme für die Dauer der Geltung des EAV nicht unter (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. Juni 1989 II ZR 172/88, Betriebs-Berater --BB-- 1989, 1518). Auch nach Ablauf eines EAV muß eine letztmalige Gewinnabrechnung bzw. eine etwaige Verlustübernahme entsprechend dem EAV durchgeführt werden (vgl. Wilhelm, Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, 1976, S.46). Die für die verunglückte Ergebnisabführung aufgestellten Rechtsgrundsätze (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91; BFH-Beschluß in BFH/NV 1991, 121 m.w.N.) gelten für die Abwicklung des EAV nach dessen Beendigung grundsätzlich nicht.
"Die Minderung von Forderungen der Klägerin gegen den früheren Organträger um den Mehrgewinn in Höhe von 247 569 DM" diente im Streitfall dem Vollzug des bis zum 31. Dezember 1981 geltenden EAV. Es liegt mithin eine Gewinnabführung und keine Gewinnausschüttung i.S. des § 27 KStG vor.
1. Die Klägerin war aufgrund des EAV verpflichtet, ihren bis zum 31. Dezember 1981 erwirtschafteten Gewinn im ganzen an den Organträger abzuführen (§§ 17, 14 KStG, § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes --AktG--). Diese Verpflichtung bestand auch für die Zeit nach Beendigung des EAV fort. Dies folgt nicht nur aus den vertraglichen Vereinbarungen im EAV, sondern insbesondere auch aus § 14 Nr. 4 Satz 1 KStG, der für die steuerliche Anerkennung die tatsächliche Durchführung des EAV verlangt. Daß die tatsächliche Durchführung in Form der Gewinnabführung bei Beendigung des EAV stets dem Ablaufzeitpunkt nachfolgt, ist systemimmanent. Die Tatsache, daß möglicherweise der aufgrund der --vor Betriebsprüfung-- festgestellten Handelsbilanz zum 31. Dezember 1981 ausgewiesene Gewinn bereits abgeführt worden war, steht einer Abführung nachträglich --sei es von den Partnern des EAV oder des FA-- festgestellter Gewinne nicht entgegen. In diesem Sinne bezeichnet auch die Klägerin in ihrem Jahresabschluß zum 31. Dezember 1983 (S.53) "die Verrechnung ihrer Abführungsverpflichtung mit Forderungen gegen den früheren Organträger" als "Ergebnisabführung des Überschusses aus der Betriebsprüfung entsprechend dem bis zum 31. Dezember 1981 bestehenden Ergebnisabführungsvertrag".
2. Die Annahme einer Gewinnabführung --und damit die Ablehnung einer Gewinnausschüttung i.S. des § 27 KStG-- setzt --zumindest im Streitfall-- nicht die Anpassung der Handelsbilanz zum 31. Dezember 1981 an die Prüferbilanz voraus. Der BGH hat für den Fall einer Verlustübernahme eine Änderung der Handelsbilanz nicht für geboten gehalten (vgl. BGH in BB 1989, 1518). Für den Streitfall dürfte schon deswegen nichts anderes gelten, weil in Anbetracht der fortbestehenden Mehrheitsverhältnisse der Feststellung einer dem Betriebsprüfungsergebnis entsprechenden Handelsbilanz nur formale Bedeutung zukommt. Letztlich kann diese Frage aber hier offenbleiben, weil die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) es dem FA untersagen, sich auf das Fehlen einer geänderten Handelsbilanz zum 31. Dezember 1981 zu berufen. Die Klägerin hat seit jeher unbestritten vorgetragen, daß der Betriebsprüfer aufgrund der festgestellten Mehrergebnisse die Forderungen des Organträgers gegen die Klägerin zum 31. Dezember 1981 in Höhe des Mehrergebnisses aufstockte und keinen aktiven Ausgleichsposten i.S. des Abschn. 59 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) bildete. Unter diesen Umständen ist es nach Treu und Glauben nicht mehr vertretbar, eine formale Änderung der Handelsbilanz zum 31. Dezember 1981 zu fordern, wenn die Klägerin im Vertrauen auf die Bilanzierung beim Organträger durch den Betriebsprüfer korrespondierend ihre Forderungen gegenüber dem Organträger in der Handelsbilanz des Streitjahres --letztlich ergebnisneutral-- mindert.
3. Das Vorliegen einer Gewinnausschüttung läßt sich auch nicht daraus ableiten, daß die Ansätze in der zum 31. Dezember 1981 festgestellten Handelsbilanz nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprachen. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß im Einzelfall unrichtige Handelsbilanzansätze Ausdruck einer mangelnden tatsächlichen Durchführung (§ 14 Nr. 4 Satz 1 KStG) des EAV sein und zur Versagung der körperschaftsteuerlichen Anerkennung der Organschaft und damit der Gewinnabführung führen können (vgl. z.B. Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 14 Anm. 75 m.w.N.). Für den Streitfall gilt dies jedoch nicht.
Durchgeführt wird ein EAV i.S. des § 14 Nr. 4 Satz 1 KStG, wenn er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird (vgl. Streck, a.a.O., § 14 Anm. 73; Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 14 KStG Rdnr.216). Durchführung bedeutet daher u.a., daß die nach Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. Aus dieser Sicht stellt die Verrechnung des Mehrergebnisses mit den Forderungen der Klägerin gegenüber ihrem Organträger geradezu die tatsächliche Durchführung des bis zum 31. Dezember 1981 geltenden EAV sicher. Auch die Finanzverwaltung hat die zu § 7a KStG a.F. vertretene gegenteilige Auffassung im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 30. Dezember 1971 F/IV 5 - S 2755 (BStBl I 1972, 3 Tz.21 b) in die KStR ab 1977 nicht mehr übernommen. Die strengere, vom FG in Anlehnung an den früheren Organschaftserlaß vertretene Auffassung würde praktisch dazu führen, daß bei unterschiedlicher Meinung zwischen Organgesellschaft und Finanzverwaltung über den (handelsrechtlichen) Ansatz von Bilanzposten, die wohl selten zu vermeiden ist, stets die tatsächliche Durchführung eines EAV verneint werden müßte. Damit wäre der Anwendungsbereich des § 14 KStG in einem Umfang eingeschränkt, der dem Zweck der "tatsächlichen Durchführung" und der Einkommenszurechnung nicht mehr entspräche.
4. Es ist im Streitfall auch nicht davon auszugehen, daß das --nachträglich abgeführte-- Betriebsprüfungsmehrergebnis auf Steuerrechtsnormen beruht, die von den für die Gewinnabführung maßgeblichen handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abweichen. Das FG hat vielmehr in seinen Entscheidungsgründen festgestellt, daß die Prüferbilanzen keine Steuerbilanzen sind (vgl. S.9 des Urteils). Mithin entsprechen sie inhaltlich ordnungsmäßigen Handelsbilanzen. Damit stimmt der Vortrag der Klägerin überein, wonach der Prüfer beim Organträger zum 31. Dezember 1981 eine Forderung in Höhe des Betriebsprüfungsmehrergebnisses aktivierte. Da nach dem EAV der Gewinn abzuführen ist, der unter Außerachtlassung der Ergebnisabführungsverpflichtung nach Handelsrecht in der Handelsbilanz der Organgesellschaft auszuweisen ist (vgl. Scholz, GmbH-Gesetz, 8. Aufl., Anhang Konzern, Rdnr.331; Würdinger in Großkommentar zum Aktiengesetz, § 291 Anm. 35; BFH-Urteil vom 18. Oktober 1967 I 262/63, BFHE 90, 370, BStBl II 1968, 105; vgl. auch Sachverhalt BGH in BB 1989, 1518), setzt die Aktivierung einer Forderung auf EAV voraus, daß das Betriebsprüfungsmehrergebnis auf den steuerlich gleichermaßen gemäß § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes verbindlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung beruht.
B. Feststellungsbescheid gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1983
Die (nachträgliche) Gewinnabführung ist in entsprechender Anwendung des § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG mit dem EK 04 zum 31. Dezember 1983 zu verrechnen.
Nach § 37 Abs. 2 KStG sind --die dem Organträger nach § 36 KStG zugerechneten-- Vermögensmehrungen, die den abgeführten Gewinn übersteigen, bei der Organgesellschaft dem EK 04 (§ 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG) zuzuweisen. Wird dieser Differenzbetrag in der Folgezeit abgeführt, so mindert sich wieder das EK 04 entsprechend. § 37 Abs. 2 KStG geht zwar erkennbar vom Fortbestand des EAV aus. Der in § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG enthaltene Grundgedanke, die einmal nach § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG dem EK 04 zugewiesenen Beträge bei ihrer späteren Abführung wieder dem EK 04 zu entnehmen, behält aber auch dann Gültigkeit, wenn der EAV zwischen der Zuführung zum EK 04 und dem vertragsgemäßen tatsächlichen Abfluß des Differenzbetrags endet. Die für Gewinnabführungen geltende Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG geht als Sondernorm der für Gewinnausschüttungen geltenden Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG (heute § 28 Abs. 3 Satz 1 KStG) vor.
Fundstellen
Haufe-Index 65416 |
BFH/NV 1995, 69 |
BFHE 177, 429 |
BFHE 1996, 429 |
BB 1995, 1626 |
BB 1995, 1626-1629 (LT) |
DB 1995, 1593-1594 (LT) |
DStR 1995, 1109-1110 (KT) |
DStZ 1995, 603-604 (KT) |
HFR 1995, 516-517 (LT) |
StE 1995, 449 (K) |