Leitsatz (amtlich)
1. Zur Unzulässigkeit der Mitwirkung eines Richters am Finanzgericht (§ 67 AO) und zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit.
2. Das Finanzgericht ist nicht deshalb nicht ordnungsmäßig besetzt, weil als Folge der turnusmäßigen Bestimmung der ehrenamtlichen Beisitzer die Sollvorschriften des § 48 Abs. 4 AO oder des § 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 der Britischen Militärregierung über die Mitwirkung sachkundiger Beisitzer nicht erfüllt werden können.
Normenkette
AO § 48 Abs. 4, § 67 Abs. 1 Nr. 5, § 69; ZPO §§ 42-43; VO Nr. 175 der Britischen Militärregierung § 5 Abs. 2, § 13 Abs. 2, § 27 Abs. 2
Gründe
Die Rb. der GmbH ist nicht begründet.
Sie macht folgendes geltend:
1. An der Entscheidung des Finanzgerichts habe Finanzgerichtsrat A. teilgenommen. Er sei befangen gewesen, weil er als Oberregierungsrat und als zuständiger "Sachbearbeiter" für die Körperschaftsteuerveranlagung der Firma beim Finanzamt tätig gewesen sei. Besonders beachtlich sei es hierbei, daß während seiner Tätigkeit beim Finanzamt die von der Firma gebildete Pensionsrückstellung in Höhe von X DM umstritten gewesen sei und er in diesem Verfahren einen der Firma ungünstigen Standpunkt eingenommen habe. Es sei zwar zutreffend, daß er die Streitsache beim Finanzamt nicht bearbeitet habe, aber es sei bedenklich, daß er in einem ähnlich gelagerten Falle beim Finanzamt tätig gewesen sei.
Das Vorbringen der GmbH kann nicht zum Erfolg führen.
Die Bfin. erkennt selbst an, daß die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 AO nicht erfüllt sind. Mitgewirkt hätte Finanzgerichtsrat A. dann, wenn er als verantwortlicher Sachgebietsleiter den Steuerbescheid oder die Einspruchsentscheidung unterzeichnet hätte (Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1741/31 vom 19. Mai 1932, RStBl 1932 S. 863; VI A 338/37 vom 6. Oktober 1937, RStBl 1937 S. 1143, Slg. Bd. 42 S. 194) oder bei der Entscheidung über den Einspruch als Mitglied des Steuerausschusses tätig gewesen wäre. Im übrigen trifft auch das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 12/33 vom 1. Juni 1934 (RStBl 1934 S. 834), nach dem ein Richter beim Finanzgericht bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel nicht mitwirken darf, das eine während seiner Amtsvorsteherzeit behandelte Sache betrifft, den vorliegenden Fall nicht. Finanzgerichtsrat A. war weder Amtsvorsteher noch handelte es sich, wie die Bfin. selbst einräumt, bei der Berufung um einen Fall, der während seiner Amtszugehörigkeit beim Finanzamt entschieden wurde.
Der AO ist die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit fremd. Jedoch kann sich der Amtsträger der Ausübung seines Amtes wegen Befangenheit unter den Voraussetzungen des § 69 AO enthalten. Ein entsprechender Antrag wurde von dem Richter nicht gestellt, da er sich offenbar nicht für befangen gehalten hat. Die Bfin. will § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) entsprechend angewandt wissen. Selbst wenn man diese Vorschrift anwenden wollte, könnte die Bfin. nicht zum Erfolg kommen. Nach § 43 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr abgelehnt werden, wenn sich die Partei, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen hat. Es ist entgegen der Ansicht der Bfin. unerheblich, daß Finanzgerichtsrat A. in der mündlichen Verhandlung keine Fragen gestellt hat. Es genügt, daß der Bevollmächtigte der Bfin. vor dem Kollegium, dem der Richter angehörte, verhandelt oder Anträge gestellt hat (Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., S. 92).
Im übrigen sind die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt. Besorgnis der Befangenheit ist gleich "der Besorgnis einer nicht streng sachlichen Behandlung des Rechtsstreits infolge einer bewußten oder unbewußten Hinneigung oder Abneigung" gegenüber einem der Prozeßbeteiligten (Oberlandesgericht Jena, Seuff. Arch. Bd. 47 S. 84). Sie ist nicht begründet, wenn sich ein Richter schon in einem früheren Verfahren ein Urteil über den gleichen Sachverhalt bilden mußte (Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 59 S. 410) oder wenn ein Richter in einer gleichliegenden Sache eine Rechtsansicht zum Ausdruck brachte, die einem Prozeßbeteiligten des gegenwärtigen Verfahrens ungünstig ist (Oberlandesgerichts Hamburg, Seuff. Arch. Bd. 71 S. 174, Reichsgericht in Juristische Wochenschrift 1904 S. 241, 1929 S. 263).
2. Die Bfin. ist der Auffassung, daß die ehrenamtlichen Richter des Finanzgerichts (ein Bezirksschornsteinfegermeister, ein Generalarzt a. D. und ein kaufmännischer Angestellter) nicht in der Lage gewesen seien, das Rechtsproblem entsprechend zu würdigen. Ihnen habe die ausreichende Sachkunde gefehlt.
Auch dieses Vorbringen kann nicht zum Erfolg führen. Nach § 13 Abs. 2 der auf den Streitfall anzuwendenden Verordnung Nr. 175 der Militärregierung sollen die ehrenamtlichen Mitglieder in wirtschaftlichen Fragen sachkundig und mit den örtlichen Verhältnissen ihrer Gegend vertraut sein; diese Vorschrift ist ebenso wie der ihr entsprechende § 48 Abs. 4 AO -- der durch § 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung für den Bereich der früheren britischen Besatzungszone ausdrücklich aufgehoben wurde -- nur eine Sollvorschrift. Die Verletzung dieser Sollvorschrift begründet keinen Verfahrensmangel (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 400/32 vom 15. März 1933, RStBl 1933 S. 304, Slg. Bd. 32 S. 347). Die Bestimmungen über den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes und § 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung) können im Einzelfall dazu führen, daß die Besetzung des Gerichts dem § 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung (§ 48 Abs. 4 AO) nicht entspricht, ohne daß dies einen Verfahrensmangel begründet. Wesentlich ist für die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Gerichts, daß die nach § 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 der Militärregierung bestimmten Mitglieder tatsächlich tätig sind.
Der Streitfall betrifft überdies kein Rechtsproblem, das die ehrenamtlichen Richter nicht hätten übersehen können. Es handelt sich lediglich um die Frage, ob für die Pensionszusage und für die Pensionszahlung betriebliche Gründe maßgebend waren.
Fundstellen
Haufe-Index 410140 |
BStBl III 1961, 475 |
BFHE 1962, 579 |