Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Verwendet ein Steuerpflichtiger zu Einzahlungen auf einen Kapitalansammlungsvertrag zwar eigene Mittel, haben sich aber im gleichen Jahr seine Bankschulden erhöht, so kann eine mittelbare Verwendung fremder Mittel vorliegen, die den Sonderausgabenabzug ausschließt. Ob ein steuerbegünstigtes Sparen "bei Kredit" oder ein steuerschädliches Sparen "mit Kredit" vorliegt, kann nur durch Würdigung der Gesamtumstände beurteilt werden.
Normenkette
EStG § 10/1/2/d
Tatbestand
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige (Stpfl.) die von Oktober bis Dezember 1954 auf verschiedene Kapitalansammlungsverträge eingezahlten 2.425 DM als Sonderausgaben geltend machen kann. Das Finanzamt hat dies bei der Veranlagung verneint, weil nach seiner Auffassung die vom Stpfl. zu den Einzahlungen verwendeten Mittel in Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits standen. In der Einspruchsentscheidung wurde die gleiche Auffassung vertreten. Das Finanzgericht erkannte dagegen die streitigen Aufwendungen als Sonderausgaben an.
Das Finanzgericht stellte fest, daß die Sparbeträge überwiegend aus dem Kassenbestand des als bürgerlich-rechtliche Gesellschaft geführten Geschäfts stammten, das von dem Stpfl. und seinem Sohn betrieben wurde, und zu einem geringen Teil aus aufgelaufenen Zinsen eines privaten Sparkontos des Stpfl. Die Gesellschaft habe zwar im Jahre 1954 - wie auch schon vorher - bei einer Bank laufenden Kredit in Anspruch genommen. Dieser habe am 1. Januar 1954 4.564 DM und am 31. Dezember 1954 7.324 DM betragen. Da die aus dem Betriebsvermögen stammenden Beträge als Privatentnahmen des Stpfl. behandelt worden seien, stellten sie für die Beurteilung der Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben verfügbare eigene Mittel des Stpfl. dar. Zwischen den Sparleistungen und dem laufenden Bankkredit bestehe auch kein mittelbarer Zusammenhang, der dem Sonderausgabenabzug entgegenstehe. Was als mittelbarer Zusammenhang im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 anzusehen sei, der bei Kapitalansammlungsverträgen die Berücksichtigung als Sonderausgaben ausschließe, sei weder im Gesetz noch in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1953 erläutert. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Verbot der Verwendung fremder Mittel für Einzahlungen auf Kapitalansammlungsverträge könnten zur Auslegung herangezogen werden; denn das im EStG 1953 enthaltene Verbot des unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhangs mit einer Kreditaufnahme decke sich sachlich mit dem Verbot des Sparens mit fremden Mitteln. Für die frühere gesetzliche Regelung habe der Bundesfinanzhof entschieden, daß Sparen "mit" Kredit schädlich sei, nicht dagegen Sparen "bei" Kredit. Das müsse auch für die Anwendung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. d EStG 1953 gelten. Ein mittelbarer Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme könne nicht bereits dann angenommen werden, wenn ein Steuerpflichtiger irgendwelche Schulden habe. Sonst würden z. B. auch Lieferantenschulden den Sonderausgabenabzug von Sparbeiträgen immer ausschließen. Der laufende Bankkredit stehe der Steuervergünstigung nur entgegen, wenn er wenigstens mittelbar für die Einzahlung auf die Sparverträge herangezogen worden sei. Der Stpfl. habe jedoch dargelegt, daß die Sparbeiträge auf die Höhe seines Bankkredits ohne Einfluß gewesen seien. Die am Ende des Jahres 1954 vorhandene Erhöhung des Kredits beruhe auf zusätzlichen Investierungen. Daß seine Privatentnahmen höher gewesen seien als sein anteiliger Gewinn, könne gleichfalls nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß er nicht eigene verfügbare Mittel für die Sparleistung verwendet habe; denn die verfügbaren Mittel brauchten nicht aus dem Gewinn zu stammen. Sie könnten auch aus dem Betriebsvermögen entnommen sein, was bei dem Rückgang des Betriebsvermögens anzunehmen sei. Die vom Stpfl. geltend gemachten Sparbeiträge seien zusammen mit den anderen beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben bis zum zulässigen Höchstbetrag zum Abzug zuzulassen.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rechtsbeschwerde unrichtige Anwendung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. d EStG 1953. Das Finanzgericht habe den Begriff des mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs in dieser Vorschrift verkannt. Ein solcher sei im vorliegenden Fall zwischen dem Bankkredit und den Sparleistungen anzunehmen; denn wenn die Gläubiger des Stpfl. nicht stillgehalten hätten, hätten der Stpfl. keine flüssigen Mittel für das Sparen zur Verfügung gehabt. Es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber mit der neuen Formulierung im § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. d EStG 1953 keine änderung des bisherigen Rechtszustandes beabsichtigt habe. Entgegen der früheren gesetzlichen Regelung sei nach dem EStG 1953 unter Umständen auch das Sparen "bei" Kredit schädlich, nämlich dann, wenn das Sparen nur durch diesen Kredit ermöglicht werde.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist im Streitpunkt nicht begründet.
Nach der für 1954 geltenden Fassung des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 EStG können die auf Kapitalansammlungsverträge geleisteten Zahlungen bei der Einkommensteuer dann nicht als Sonderausgaben behandelt werden, wenn die Aufwendung unmittelbar oder mittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredits steht. Da der Stpfl. unstreitig das für die Einzahlungen verwendete Geld überwiegend aus der Kasse des Ladengeschäfts und zu einem kleinen Teil von seinen privaten Sparkonten entnommen hat, liegt eine unmittelbare Verwendung von fremden Mitteln bei den Einzahlungen des Stpfl. auf die Kapitalansammlungsverträge nicht vor. Die Vorentscheidung verneint auch, daß die Einzahlungen in mittelbarem Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme gestanden haben. Was als mittelbare Verwendung von Kreditmitteln im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, geht weder aus dem EStG 1953 noch aus der EStDV 1953 eindeutig hervor. Wie das Finanzgericht mit Recht annimmt, schließt das Vorhandensein eines Kredits die Möglichkeit von steuerbegünstigten Einzahlungen auf einen Kapitalansammlungsvertrag noch nicht aus. Ein Sparen "bei" Kredit kann begünstigt sein (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs VI 207/58 S vom 5. Dezember 1958, Bundessteuerblatt 1959 III S. 58). Hat ein Steuerpflichtiger Bankschulden, so ist es allerdings denkbar, daß auch bei Verwendung eigener Mittel der Bankkredit die Einzahlungen auf einen Kapitalansammlungsvertrag erst ermöglicht hat. Hierfür kann insbesondere sprechen, daß die Bankschulden in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Sparbeträge geleistet wurden, größer geworden sind. Diese Vermutung wird jedoch entkräftet, wenn der Steuerpflichtige dartut, daß er ohne Inanspruchnahme der Bank in ausreichendem Masse verfügbare Mittel für die Einzahlungen auf die Kapitalansammlungsverträge besessen hat, und daß die Erhöhung oder auch das Fortbestehen der Bankschuld nicht auf die Aufwendungen für die Kapitalansammlungsverträge zurückzuführen ist. Im vorliegenden Fall hat der Stpfl. geltend gemacht, daß er im Veranlagungszeitraum 1954 nicht nur 2.250 DM für die Anschaffung eines Personenkraftwagens aufgewendet, sondern auch noch freiwillig Lastenausgleichsverpflichtungen durch Zahlung von 4.930 DM abgelöst hat. Unter diesen Umständen konnte das Finanzgericht unter Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis kommen, daß die Ende 1954 vorhandenen Bankschulden ausschließlich auf diese außerordentlichen Aufwendungen zurückzuführen sind und daß kein Zusammenhang zwischen dem Bankkredit und den Einzahlungen des Stpfl. auf seine Kapitalansammlungsverträge besteht. Der Senat ist an diese auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegende Feststellung gemäß § 288 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung gebunden, da kein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten oder gegen das geltende Recht erkennbar ist. Das Finanzgericht hat auf Grund dieser Feststellung ohne Rechtsirrtum die Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen als Sonderausgaben bejaht.
Fundstellen
Haufe-Index 409249 |
BStBl III 1959, 61 |
BFHE 1959, 154 |
BFHE 68, 154 |