Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für Arzneimittel, Stärkungsmittel oder ähnliche Präparate können als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG in der Regel nur anerkannt werden, wenn ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen sind.
Normenkette
EStG 1960 § 33; AO § 171
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1960, in welchem Umfang Arzneikosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind (§ 33 EStG).
Die Revisionskläger sind Eheleute. Der Ehemann (Steuerpflichtiger) war Wirtschaftsprüfer.
In der Einkommensteuererklärung 1960 beantragte der Steuerpflichtige, verschiedene Beträge, die er für Medikamente, Arzt- und Kurkosten aufwandte, als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) zu behandeln.
Die Ausgaben für Krankheitskosten ließ das FA nur zum Teil zum Abzug zu.
Die mit der Sprungberufung als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Krankheitskosten erkannte das FG nur zum Teil an. In Höhe von 102,05 DM habe der Steuerpflichtige nur Apothekenbelege vorgelegt, auf denen der Vermerk "Für Arzneimittel" enthalten sei. Insoweit fehle es an der Möglichkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Belastung vorlägen. In Höhe eines weiteren Betrags von 73,30 DM könnten die Ausgaben nicht als zwangsläufige Belastung anerkannt werden. Es handele sich um nicht ärztlich verordnete Medikamente gegen Erkältung, Verdauungsbeschwerden, kleine Verletzungen sowie um Mittel, die der Vorbeugung oder der Erhaltung der Gesundheit dienten, darunter Kräftigungsmittel, Vitamin- und Lecithin-Präparate. Solche Aufwendungen entstünden in gewissem Umfange jedem Steuerpflichtigen, sie könnten nur dann berücksichtigungsfähig werden, wenn sie ärztlich verordnet würden oder soweit bei solchen Anlässen üblicherweise ein Arzt aufgesucht werde. Das sei hier nicht der Fall.
Mit der Rechtsbeschwerde rügen die Eheleute unrichtige Rechtsanwendung. Sie beantragen die Anhörung eines Gutachters für den Fall, daß der BFH die vorgelegten Äußerungen zweier Apotheker zu der Frage nicht als ausreichend ansehe, ob die Medikamente, deren Kosten das FG nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt habe, Privatpatienten üblicherweise ärztlich verordnet würden. Sie sind der Auffassung, daß Aufwendungen für Medikamente auch dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden müßten, wenn sie nicht ärztlich verordnet seien.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Eine Belastung ist außergewöhnlich im Sinn des § 33 EStG, wenn die Aufwendungen größer sind als die der überwiegenden Mehrzahl der in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Steuerpflichtigen. Es muß sich also um Aufwendungen handeln, die in den besonderen Verhältnissen des Einzelnen oder einer kleinen Minderheit von Steuerpflichtigen begründet sind (vgl. Urteil des RFH VI A 554/36 vom 28. Januar 1937, RStBl 1937, 359; Urteil des OFH IV 56/49 vom 25. November 1949, RFH 54, 402). Bei der Prüfung, ob und inwieweit Aufwendungen für Medikamente eine außergewöhnliche Belastung in diesem Sinne darstellen, kann kein Unterschied gemacht werden zwischen Steuerpflichtigen, die Krankenversicherungsschutz genießen, und solchen, die nicht versichert sind. Soweit der Steuerpflichtige durch Aufwendungen für Medikamente belastet ist, hat er die Außergewöhnlichkeit und die Zwangsläufigkeit dieser Ausgaben nach den allgemeinen Grundsätzen glaubhaft zu machen und, soweit erforderlich, zu beweisen (§ 171 Abs. 1 AO).
Als Mittel der Glaubhaftmachung und des Beweises für die Außergewöhnlichkeit und die Zwangsläufigkeit dienen in der Regel ärztliche Rezepte. Liegen sie vor, so ist im allgemeinen davon auszugehen, daß die verordneten Medikamente und Präparate der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen. Das gilt auch dann, wenn es sich um Präparate wie Stärkungsmittel, Vitamindrogen und Schmerztabletten handelt, die auch ohne ärztliches Rezept gekauft zu werden pflegen. Liegt keine ärztliche Verordnung vor, so muß für den Regelfall angenommen werden, daß kein Zusammenhang mit einer Krankheit besteht. Es ist allgemein bekannt, daß seit Jahren weite Kreise der Bevölkerung in erheblichem Umfang Tabletten und Präparate der genannten Art verbrauchen, ohne daß bestimmte Erkrankungen zugrunde liegen. Solchen Aufwendungen fehlt jedenfalls die in § 33 EStG geforderte Außergewöhnlichkeit. Eine außergewöhnliche Belastung wird ohne besondere ärztliche Bescheinigung dann anerkannt werden können, wenn es sich um eine länger dauernde Krankheit handelt, deren Vorliegen schon früher glaubhaft gemacht oder nachgewiesen wurde und die einen laufenden Verbrauch bestimmter Medikamente bedingt. Bei dem vom FG nicht zum Abzug zugelassenen Betrag von insgesamt 73,40 DM lag diese Voraussetzung nicht vor. Das FG versagte den Abzug im Ergebnis zu Recht, weil keine ärztlichen Rezepte vorlagen. Es genügt zum Nachweis nicht, daß Medikamente und Präparate gleicher Art allgemein auch von Ärzten verordnet werden. Es ist in der Regel erforderlich, daß im Einzelfall eine ärztliche Verordnung zugrunde lag.
Die Zwangsläufigkeit und Außergewöhnlichkeit der Ausgaben für Arzneimittel können nur geprüft werden, wenn aus den Arzneiquittungen die Art der ärztlich verordneten und gekauften Medikamente hervorgeht. Insoweit können sich bei ärztlichen Rezepten kaum Schwierigkeiten ergeben. Können ausnahmsweise Arzneimittel, die ohne besondere ärztliche Verordnung gekauft wurden, als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, so muß die von der Apotheke auszustellende Arzneiquittung erkennen lassen, um welche Mittel und welche Erkrankungen es sich handelte. Quittungen, durch die nur pauschal und nach Vordruck der Kauf von "Arzneimitteln" bestätigt wird, genügen den nach § 171 AO zu stellenden Beweisforderungen nicht. Die Steuerbehörden und -gerichte müssen die Möglichkeit haben, die Richtigkeit der Behauptungen der Steuerpflichtigen mit Hilfe von Sachverständigen nachzuprüfen. Wenn der Steuerpflichtige für bestimmte Krankheitsausgaben eine Steuervergünstigung in Anspruch nehmen will, so muß ihm zugemutet werden, die zur Nachprüfung unvermeidlichen Angaben über die die Aufwendungen erforderlich machenden Erkrankungen zu machen, jedenfalls insoweit, als sich die Notwendigkeit der Aufwendungen nicht aus ärztlichen Verordnungen ergibt. Die Nichtberücksichtigung der Quittungen über insgesamt 102,05 DM durch das FG ist hiernach nicht zu beanstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 68454 |
BStBl II 1969, 260 |
BFHE 1969, 580 |