Leitsatz (amtlich)
Hat das FG durch ein Urteil über mehrere selbständige Streitgegenstände entschieden, so muß die Revision für jeden Streitgegenstand die verletzte Rechtsnorm bezeichnen und eine gesonderte Begründung geben.
Normenkette
FGO § 120
Tatbestand
Das FA widerrief die zunächst gewährte Aussetzung der Vollziehung und lehnte zugleich den Stundungsantrag mit der Begründung ab, daß einerseits die Kommanditeinlage durch die Verlustanteile der Jahre 1969 bis 1972 aufgezehrt seien, andererseits durch den Konkurs der KG zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung festgestanden habe, daß der Kläger weitere ihm zuzurechnende Verlustanteile, die zu einem negativen Kapitalkonto führten bzw. ein solches erhöhten, nicht mehr mit späteren Gewinnen auszugleichen brauche, so daß ein steuerlich anzuerkennender Verlust nicht mehr gegeben sei.
Sowohl die Beschwerde als auch die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Klagen hatten keinen Erfolg. Das FG war der Meinung, daß keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides bestehen und daß auch die begehrte Stundung zu Recht abgelehnt worden sei.
Mit einer Revision rügt der Kläger die Verletzung der § 242 Abs. 2 AO (§ 361 der Abgabenordnung - AO 1977-) und § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Er macht geltend, daß sich ein Steuerpflichtiger mit dem Einspruch und dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wehr setzen könne, wenn das FA ihn im Vorgriff auf eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung zur Einkommensteuer veranlagt habe. Allein die widersprüchlichen Rechtsauffassungen des I. und VII. Senats des BFH rechtfertigten für sich schon die Aussetzung der Vollziehung (Hinweis auf Beschluß vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239). Folge man dieser Meinung nicht, so müsse die Aussetzung der Vollziehung deshalb erfolgen, weil der Ansicht des FG nicht gefolgt werden könne, daß ein Beteiligungsverlust solange nicht bei der Veranlagung berücksichtigt werden könne, solange er in einem Grundlagenbescheid nicht festgestellt worden sei. Wenn man ein Beteiligungsergebnis bei der Veranlagung nicht berücksichtigen wolle, so dürfe die Folgeveranlagung nicht erfolgen. Wenn aber ein Gesellschafter vor Ergehen des Grundlagenbescheides veranlagt werde, so müsse er, da er gegen den noch nicht erlassenen Grundlagenbescheid nicht vorgehen könne, uneingeschränkt gegen den Folgebescheid vorgehen können. Es sei auch weiter darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung und Literatur in der Frage des negativen Kapitalkontos keine einheitliche Rechtslage gegeben sei.
Die Revisionsbegründung enthält keine Stellungnahme zu dem Teil des Urteils, inwieweit die Stundung zu Recht abgelehnt wurde.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung das FA zur Aussetzung der Vollziehung und Stundung von Einkommensteuer, Kirchensteuer, Ergänzungsabgabe, Stabilitätszuschlag und Arbeitnehmersparzulage 1973 bis 1976 zu verurteilen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig, soweit beantragt wird, das FA zur Stundung verschiedener Abgaben zu verpflichten. Sie entspricht nicht der gesetzlichen Form (§ 124 FGO).
Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO muß die Revision innerhalb eines Monats nach Ablauf der Revisionsfrist begründet werden. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO schreibt weiter vor, daß die verletzte Rechtsnorm bezeichnet und daß ein bestimmter Antrag gestellt wird. Der Kläger hat zwar in der Revisionsinstanz auch wieder den Antrag auf Überprüfung der Vorentscheidung hinsichtlich der versagten Stundung gestellt; er hat jedoch seine Revision insoweit weder begründet noch angegeben, welche Rechtsnorm seiner Meinung nach durch die Vorentscheidung verletzt wurde. Die Rechtsprechung verlangt, daß sich die Revision zumindest kurz mit den Gründen der Vorentscheidung auseinandersetzen muß (BFH-Beschlüsse vom 8. März 1967 I R 185/66, BFHE 88, 230, BStBl III 1967, 342; vom 21. Juli 1967 VI R 129/67, BFHE 89, 509, BStBl III 1967, 706; vom 28. Januar 1971 V R 80/67, BFHE 101, 356, BStBl II 1971, 331; vom 23. April 1971 VI R 254/70, BFHE 102, 217, BStBl II 1971, 588, und vom 12. Februar 1975 VII R 5/72, BFHE 115, 180, BStBl II 1975, 609) und hinsichtlich der verletzten Rechtsnorm die Möglichkeit, daß zumindest aus der Begründung entnommen werden kann, welche Rechtsnorm verletzt sein soll (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1968 II R 118/67, BFHE 94, 116, BStBl II 1969, 84, und vom 18. Dezember 1970 III R 32/70, BFHE 101, 349, BStBl II 1971, 329). Die Revisionsbegründung des Klägers befaßt sich indessen ausschließlich mit der Frage, inwieweit das FA die beantragte Aussetzung der Vollziehung hätte aussprechen müssen; sie geht aber nicht darauf ein, inwieweit das Urteil des FG wegen der versagten Stundung von Abgaben fehlerhaft ist und welche Rechtsnorm hierdurch verletzt wurde.
Nun reicht es zwar bei der Rüge einer auf einen materiellen Rechtsfehler gestützten Revision aus, wenn nur ein Rechtsfehler geltend gemacht wird, um die ganze angefochtene Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Denn der BFH ist als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden (Urteil vom 16. November 1967 V 118/65, BFHE 91, 336, BStBl II 1968, 348). Diese Ansicht ist jedoch für den Fall einzuschränken, daß in einem angefochtenen Urteil über zwei selbständige Streitgegenstände entschieden worden ist. Denn die Streitgegenstände bleiben trotz ihrer Verbindung durch den Kläger (§ 43 FGO) oder durch das Gericht (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO) selbständig mit eigenem Schicksal. Das folgt auch daraus, das sich die Revision nur auf einen von mehreren selbständigen Streitgegenständen beschränken kann. Wird mit der Revision ein Urteil mit mehreren selbständigen Streitgegenständen angefochten, so muß die Revision zu jedem selbständigen Streitgegenstand die verletzte Rechtsnorm angeben und sich ebenso mit den Gründen der Vorentscheidung gesondert auseinandersetzen (vgl. Gräber, a. a. O., § 120 Rdnr. 11 B, und die dort angegebenen Rechtsprechungshinweise, sowie Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, Zivilprozeßordnung, § 554 Anm. 2).
Die vom FG zur gemeinsamen Entscheidung zusammengefaßten Klagen (§ 73 Abs. 1 FGO) gegen die abgelehnte Aussetzung der Vollziehung und die abgelehnte Stundung ergaben zwei selbständige Streitgegenstände. Das FG hätte ebensogut über jede der beiden Klagen in einem gesonderten Urteil entscheiden können. Demzufolge mußte nach dem oben Gesagten für beide den Gegenstand des Verfahrens bildenden Punkte eine Revisionsbegründung gegeben und die verletzte Rechtsnorm bezeichnet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 73069 |
BStBl II 1979, 305 |
BFHE 1979, 1 |