Leitsatz (amtlich)
1. Aufwendungen eines Arbeitgebers für einen zweitägigen Betriebsausflug mit Übernachtung in Höhe von 200 DM je Arbeitnehmer können als Arbeitslohn angesehen werden.
2. In einem solchen Fall sind die Sachzuwendungen mit den tatsächlichen Werten und nicht mit den Werten der Sachbezugsverordnung anzusetzen.
Orientierungssatz
Ist für die Besoldung der Bediensteten einer Sparkasse und die Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge die Gemeinde zuständig, ist bei einer Lohnsteuernachforderung die Gemeinde und nicht die Sparkasse in Anspruch zu nehmen.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1; SachBezV 1979; EStG § 38 Abs. 1, 3
Tatbestand
Die Sparkasse A. veranstaltete an einem Samstag und Sonntag mit einem Sonderzug einen Betriebsausflug nach X., an dem 144 Beamte, Angestellte und Arbeiter sowie 17 Gäste teilnahmen. Neben den vom Finanzgericht (FG) der Höhe nach nicht festgestellten Kosten für eine Musikkapelle und für Photobedarf entstanden dabei an Sonderzug-, Bus- und Übernachtungskosten sowie Beträgen für Mittag-, Abendessen und Frühstück zuzüglich eines Taschengeldes insgesamt rd. 32 000 DM Aufwendungen.
Ohne die nicht festgestellten Kosten entfiel damit auf jeden der 161 Teilnehmer ein durchschnittlicher Betrag von rd. 200 DM.
Anläßlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der zuständigen Gemeinde (Klägerin), stellte der Prüfer fest, daß die Beträge, soweit sie auf die Belegschaftsmitglieder entfallen, nicht versteuert worden waren. Er vertrat die Ansicht, da die 50 DM-Grenze des Abschn.20 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) überschritten sei, habe es sich insoweit um die Zuwendung steuerpflichtigen Arbeitslohns an die Arbeitnehmer gehandelt. Er errechnete die Lohnsteuer unter Anwendung eines Pauschsteuersatzes von 25 v.H. (§ 40 Abs.2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Wegen dieser und anderer (unstreitiger) Beträge erließ das FA einen Nachforderungsbescheid gegen die Klägerin.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Herabsetzung des Nachforderungsbetrags insoweit, als das FA der Berechnung der Steuernachforderung zu Unrecht hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung die Aufwendungen in tatsächlicher Höhe anstatt in Höhe der sich nach § 8 Abs.2 EStG i.V.m. der Sachbezugsverordnung 1979 (BGBl I 1979, 106, BStBl I 1979, 74) ergebenden Beträge zugrunde gelegt habe. Die Klägerin errechnete hiernach geringere Zuwendungen anläßlich des Betriebsausflugs.
Das FG wies die Klage ab. Es war der Ansicht, daß es sich bei den Zuwendungen aus Anlaß des Betriebsausflugs bei den Arbeitnehmern um Arbeitslohn gehandelt habe. Die Sachbezugsverordnung komme nicht zur Anwendung, weil der dem einzelnen Arbeitnehmer zugeflossene geldwerte Vorteil nicht in verschiedenen Einzelleistungen, sondern in der ein einheitliches Ganzes darstellenden Wochenendfahrt bestanden habe.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt im wesentlichen vor, angesichts der neueren Rechtsprechung sei fraglich, ob es sich bei den Zuwendungen aus Anlaß des Betriebsausfluges um Arbeitslohn handle. Sofern man von Arbeitslohn ausgehe, müsse aber die Sachbezugsverordnung Anwendung finden, wie dies das Gesetz in § 8 Abs.2 Satz 2 EStG ohne Ausnahme bestimme. Die Sachbezugsverordnung regle ohne Einschränkung für Arbeitnehmer den Wertansatz für Kost und Wohnung. Ihre Anwendung könne auch nicht deshalb versagt werden, weil der Betriebsausflug eine einheitliche Leistung darstelle, für die die Sachbezugsverordnung keine Regelung enthalte. Vielmehr seien die in der Gesamtleistung enthaltenen Einzelleistungen getrennt zu beurteilen. Schließlich sei zweifelhaft, ob das FA zu Recht sie, die Klägerin, anstatt der Sparkasse A. in Anspruch genommen habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das FA hat mit seinem Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid zu Recht die Klägerin und nicht die Sparkasse A. in Anspruch genommen. Nach § 38 Abs.1 i.V.m. Abs.3 Satz 1 EStG trifft die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer den Arbeitgeber. Darüber hinaus treffen bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts --wie hier-- diese Pflichten des Arbeitgebers gemäß § 38 Abs.3 Satz 2 EStG diejenige öffentliche Kasse, die den Arbeitslohn zahlt. Dies war im Streitfall die Klägerin, denn diese war für die Besoldung der Bediensteten der Sparkasse A. und die Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge zuständig.
2. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs.1 Nr.1 EStG Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach der neueren Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. z.B. Urteile vom 22.März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, und VI R 82/83, BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532, und vom 21.Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87, BStBl II 1986, 406) sind Zuwendungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen nicht immer Vorteile "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst, wenn die auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Zuwendungen die in Abschn.20 Abs.1 LStR (i.d.F. vor 1987) enthaltene Freigrenze von 50 DM übersteigen. Vielmehr sind bei einer Betriebsveranstaltung übliche Zuwendungen nicht durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt, weil der Zweck dieser Zuwendungen regelmäßig darin liegt, im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers die Durchführung einer Betriebsveranstaltung zu fördern. Solche Zuwendungen sind deshalb kein Arbeitslohn.
Etwas anderes gilt, wenn aus den Umständen (wie z.B. Häufigkeit, Dauer oder besondere Ausgestaltung) der Betriebsveranstaltung gefolgert werden kann, daß diese vom Arbeitgeber zum Anlaß genommen wird, die Arbeitnehmer besonders zu entlohnen. Diese Annahme kann z.B. gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber für denselben Kreis von Arbeitnehmern jährlich mehr als zwei Betriebsveranstaltungen mit Vorteilsgewährung durchführt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 18.März 1986 VI R 49/84, BFHE 146, 262, BStBl II 1986, 575).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FG die Zuwendungen aus Anlaß des Betriebsausflugs (im Ergebnis) zu Recht als steuerpflichtigen Arbeitslohn der einzelnen Arbeitnehmer angesehen. Denn die vom FG getroffenen Feststellungen über den Zeitpunkt, die Dauer und die Ausgestaltung des Betriebsausflugs sowie über die Art und den Umfang der in diesem Zusammenhang gemachten Zuwendungen an die Arbeitnehmer lassen bei einer Gesamtbetrachtung nur die Würdigung zu, daß die Durchführung der Betriebsveranstaltung nicht lediglich im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers lag. Denn die hier zu beurteilenden Zuwendungen sind in ihrer Gesamtheit nicht für die Erreichung dieses Zwecks üblich, so daß davon auszugehen ist, daß die Arbeitnehmer mit der Wochenendfahrt zusätzlich entlohnt werden sollten.
3. Soweit die Zuwendungen aus Anlaß des Betriebsausflugs aus der Gewährung unentgeltlicher Unterkunft und Verpflegung bestanden haben, hat das FA die Höhe des den Arbeitnehmern hierfür zuzurechnenden Arbeitslohns zu Recht nach den tatsächlich entstandenen Aufwendungen und nicht --wie von der Klägerin begehrt-- nach den sich aus der Sachbezugsverordnung ergebenden Beträge bestimmt.
Nach § 8 Abs.2 Satz 1 EStG (§ 3 Abs.1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung --LStDV--) sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen (Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge) mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Nur soweit bei Arbeitnehmern für deren Sachbezüge durch Rechtsverordnung nach § 17 Nr.3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) Werte bestimmt sind, sind diese maßgebend (§ 8 Abs.2 Satz 2 EStG). § 17 Nr.3 SGB IV ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats zur Wahrung der Belange der Sozialversicherung, insbesondere zur Vereinfachung des Beitragseinzugs, den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im voraus für jedes Kalenderjahr zu bestimmen. Zweck der Ermächtigung ist es hiernach insbesondere, den Beitragseinzug zu vereinfachen. Der Wert der Sachbezüge soll nicht in jedem Einzelfall mit erheblichem Verwaltungsaufwand ermittelt und nachgeprüft werden, sondern aus durchschnittlichen, pauschalierenden und typisierenden Regelungen entnommen werden. Diese Vereinfachung wird durch die gleichzeitige Verpflichtung der Bundesregierung begrenzt, den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert festzusetzen, sich an diesem zu orientieren. Zwar kann bei einer Festsetzung von Sachbezugswerten durch eine Rechtsverordnung schon wegen des generell-abstrakten Charakters einer solchen Regelung der festgesetzte Wert nicht in jedem Einzelfall mit dem tatsächlichen Wert übereinstimmen. Aus der Maßgeblichkeit des tatsächlichen Verkehrswerts folgt aber, daß die festgesetzten Werte sich von diesem nur in einem relativ geringfügigen, im Rahmen der Vereinfachung liegenden Ausmaß entfernen dürfen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 30.Mai 1973 2 BvL 37/71, BVerfGE 35, 179 (183 f.); Krause/v.Maydell/Merten/Meydorn, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch IV, § 17 Rdnrn. 11 ff. und 35 ff. m.w.N.). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung (erstmals für 1978) mit der Sachbezugsverordnung Gebrauch gemacht und einen einheitlichen Betrag von 390 DM monatlich (mit Abstufungen für bestimmte Länder) für freie Kost und Wohnung festgesetzt.
Die Sachbezugsverordnung ist aber auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar. Dies ergibt sich zunächst aus deren Wortlaut, denn die Begriffe "freie Kost" und "freie Wohnung" beinhalten nach dem natürlichen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen eine auf eine gewisse Dauer angelegte Beköstigung bzw. Unterbringung, nicht aber die einmalige Bewirtung bzw. Unterbringung aus Anlaß eines Betriebsausflugs (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 19 EStG Anm.133 m.w.N.). Hierfür spricht auch, daß die Werte der Sachbezugsverordnung grundsätzlich Monatswerte sind, und daß in diesen Fällen in Anbetracht der regelmäßig feststehenden Kosten kein Bedürfnis für eine Erleichterung zur Ermittlung der Höhe der Zuwendungen besteht.
Zum anderen ist davon auszugehen, daß der Verordnungsgeber angesichts der dargestellten Maßgeblichkeit des tatsächlichen Verkehrswerts mit der Festsetzung nur eines einheitlichen Wertes von 390 DM nicht die gesamte Palette denkbarer Fälle regeln wollte, in denen der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer irgendwann Verpflegung und Unterkunft gleich welcher Art gewährt, sondern nur diejenigen Fälle, in denen auf eine gewisse Dauer gerichtet im üblichen Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Kost und Wohnung als Teil des Arbeitslohns zur Verfügung gestellt werden. Hätte der Verordnungsgeber die gesamte Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen mit nur diesem einen einheitlichen Monatsbetrag regeln wollen, so würde eine derart grob vereinfachende Typisierung der Ermächtigungsnorm (§ 17 Nr.3 SGB IV) widersprechen und zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen.
Daß die Bundesregierung als Verordnungsgeber die Fälle der im Streitfall vorliegenden Art nicht mit der Sachbezugsverordnung regeln wollte, ergibt sich auch aus deren Begründung zur Sachbezugsverordnung 1978 (BRDrucks 509/77 S.6). Danach wurde bei der Bewertung der freien Kost und Wohnung von den in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes ermittelten Ausgaben als statistischer Grundlage ausgegangen. Von den Aufwendungen privater Haushalte wurden die der Arbeiterhaushalte mit Ehepaar ohne Kind zugrunde gelegt. Dabei blieben u.a. gerade die im Streitfall gegebenen Ansätze für Speisen, Mahlzeiten und Übernachtung in Hotels ausdrücklich außer Betracht.
4. Da die Vorentscheidung somit (im Ergebnis) zutreffend ist, war die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 135 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 61874 |
BStBl II 1987, 355 |
BFHE 149, 172 |
BFHE 1987, 172 |
BB 1987, 1792 |
DStR 1987, 727-727 (S) |
HFR 1987, 451-452 (ST) |