Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen/Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude

 

Leitsatz (NV)

Schließt jemand - auf Grund des Angebots eines Maklers - mit einem Architekten einen Vertrag über die Errichtung eines Gebäudes (Doppelhaushälfte) und erwirbt er kurz danach das Grundstück, so wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Architekt nur Miteigentümer des Grundstücks war.

 

Normenkette

GrEStG SchlH § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG SchlH § 10 Abs. 1; GrEStG SchlH § 11 Abs. 1 Nr. 1 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG SchlH § 8 Abs. 1; GrEStG SchlH § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger - ein Ehepaar - wurden von einem Makler auf ein Immobilienobjekt hingewiesen. Der Makler hatte in einem Prospekt Pläne für zwei Doppelhaushälften auf einem bestimmten Grundstück zusammengestellt. Der Prospekt enthielt u. a. die Grundrisse für die einzelnen Geschosse, Ausstattungsübersichten sowie Angaben über die Grundstücksgröße. Die Preise waren nicht aufgeteilt in Anteile für das Grundstück und für das Gebäude. Sie betrugen für die eine Doppelhaushälfte . . . DM und für die andere . . . DM. Danach schlossen die Kläger mit dem Architekten A im Februar 1980 einen schriftlichen Vertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte auf dem im Pospekt des Maklers bezeichneten Grundstück. Der Architekt verpflichtete sich zur schlüsselfertigen Errichtung der Doppelhaushälfte entsprechend einem dem Auftraggeber (den Klägern) bereits ausgehändigten Leistungsverzeichnis sowie den dazu gehörigen Bauzeichnungen und Plänen. Die Kläger verpflichteten sich zur Zahlung eines Entgelts in Höhe von . . . DM. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom . . . März 1980 erwarben die Kläger je zur Hälfte einen Miteigentumsanteil von 812/1729 an dem bezeichneten Grunstück. Veräußerer waren als Miteigentümer der Architekt A und Frau B. Der Kaufpreis betrug . . . DM. Darüber hinaus verpflichteten sich die Kläger, dem Makler . . . DM zuzüglich Umsatzsteuer zu zahlen. Den Klägern sollte die alleinige Nutzungsbefugnis an einem Teil des Grundstücks eingeräumt werden, von der Nutzung an dem anderen Teil des Grundstücks sollten sie ausgeschlossen sein. Diese Verpflichtungen/Berechtigungen sollten durch Grunddienstbarkeiten gesichert werden. Diese Regelung sollte nur bis zur Anlage von Wohnungsgrundbuchblättern gelten. Die geplante Bebauung des Grundstücks mit zwei Doppelhaushälften wurde in dem notariell beurkundeten Vertrag angesprochen. Es sollte eine Aufteilung des Grundstücks in Wohnungseigentum erfolgen.

Für ihren Grundstückserwerb beantragten die Kläger Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des damals geltenden schleswig-holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes (GrESBWG). Das beklagte Finanzamt (FA) stellte den Erwerb zunächst intern von der Grunderwerbsteuer frei. Nachdem die Kläger die Anerkennung als steuerbegünstigten Wohnraum nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) nicht erhalten hatten, setzte das FA durch Bescheide vom 11. Oktober 1985 gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je . . . DM fest.

Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger zunächst geltend, daß sie die Flächengrenzen nach dem II. WoBauG eingehalten hätten. Erst während des Klageverfahrens erfuhr das FA vom Vertrag über die Errichtung des Gebäudes mit dem Architekten A. Es setzte nunmehr mit Bescheiden vom 30. April 1986 Grunderwerbsteuer gegen die Kläger in Höhe von je . . . DM fest. Die Bescheide ergingen vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA bezog dabei die Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes in die Gegenleistung mit ein. Mit Bescheiden vom 4. März 1987 änderte das FA die Höhe der Grunderwerbsteuer erneut. Es bezog nunmehr nicht mehr die Maklergebühr in die Gegenleistung mit ein und gewährte darüber hinaus einen Freibetrag in Höhe von 250 000 DM nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG). Die Steuer wurde nunmehr auf je . . . DM festgesetzt. Die Festsetzung erfolgte weiterhin vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO 1977. Die Kläger haben diese Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gemacht. Die Kläger begehrten weiterhin völlige Steuerbefreiung für ihren Erwerb. Sie hätten ein unbebautes Grundstück erworben und darauf ein steuerbegünstigtes Gebäude errichtet.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude gewesen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 1 i. V. m. §§ 10 und 11 des damals geltenden schleswig-holsteinischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Sie beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Grunderwerbsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht als Gegenstand des Erwerbsvorgangs den Miteigentumsanteil am Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude angesehen. Dementsprechend hat es zu Recht eine Steuerbefreiung für den Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung von steuerbegünstigten Wohnungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESBWG) abgelehnt. Ebenso hat es zutreffend die Aufwendungen der Kläger für die Errichtung des Gebäudes in die Gegenleistung miteinbezogen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, m. w. N.) zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ist Gegenstand der kaufvertraglichen Übereignungsverpflichtung das Grundstück in bebautem Zustand, so ist das Grundstück in diesem Zustand auch grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs zivilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Grundstück in bebautem Zustand schließlich auch dann, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann.

Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), ist im Streitfall nach den dargelegten Grundsätzen das bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs.

Die Kläger haben bereits vor Abschluß des Kaufvertrags über den Miteigentumsanteil am Grundstück einen Vertrag über die Errichtung eines bestimmten Gebäudes zu einem im wesentlichen feststehenden Preis abgeschlossen. Dieser Vertrag (und das zu errichtende Gebäude) waren bereits zugeschnitten auf das kurz danach erworbene Grundstück. Im Zeitpunkt der Annahme des Angebots zum Abschluß des Grundstückskaufs durch die Kläger stand daher objektiv fest, daß sie dieses Grundstück - ensprechend dem ursprünglichen Angebot des Maklers - bebaut mit einem ganz bestimmten Gebäude zu einem ganz bestimmten Preis erhalten würden. Die Entscheidung über das ,,Ob" und ,,Wie" einer Bebauung stand aufgrund der bereits bestehenden zivilrechtlichen Bindung nicht mehr in ihrem freien Belieben. Dem Entscheidungsergebnis widerspricht es nicht, daß ihr Vertragspartner beim Vertrag über die Errichtung des Gebäudes beim Grundstückskaufvertrag nur als einer von zwei Miteigentümern auftrat. Es ist nicht ausschlaggebend, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht mit einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419 BStBl II 1989, 333). Im Streitfall folgt die Verflechtung der Verträge daraus, daß der Architekt bei beiden Verträgen auf der Veräußererseite auftritt. Die Tatsache, daß dieser beim Grundstückskaufvertrag nur als Mitveräußerer auftritt, steht dem nicht entgegen. Insgesamt haben die Kläger ein ihnen einheitlich unterbreitetes Angebot zumindest teilweise identischer Vertragspartner einheitlich angenommen und so den Zugang zum Grundstück gewonnen. Zwischen den beiden Verträgen bestand nach all dem ein so enger sachlicher Zusammenhang, daß die Kläger objektiv gesehen als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhielten. Da damit grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch zivilrechtlich von einem einheitlichen Vertrag auszugehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416990

BFH/NV 1991, 262

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge