Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine vZTA für Umsatzsteuerzwecke
Leitsatz (NV)
1. Nur für Zwecke der inneren Umsatzsteuer (hier: USt-Ermäßigung) wird eine verbindliche Zolltarifauskunft nicht erteilt. Das gilt auch, wenn die für umsatzsteuerermäßigt gehaltenen Waren ausgeführt werden und es bei der Ausfuhr auf die Zolltarifierung nicht ankommt.
2. Ob ein Verfahrensfehler (hier: Aufklärungsmangel) vorliegt, beurteilt sich allein nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz.
Normenkette
UStG § 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 1, § 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 1Anlage; ZKDV Art. 6 Abs. 3A Buchst. c S. 2; FGO § 76 Abs. 1, § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Jahre 1993 von der beklagten und revisionsbeklagten Oberfinanzdirektion (OFD) eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) -- über ein "Reizstromgerät" -- erteilt, die die OFD noch im gleichen Jahr wegen geänderter Tarifauffassung aufhob. Im Ver fahren über die Klage gegen die Aufhebung wurde zunächst nur über die zutreffende zolltarifliche Einreihung gestritten. Nach Ergehen des Senatsurteils vom 20. Juni 1995 VII R 17/95 (BFHE 178, 262; Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1996, 23), mit dem entschieden worden ist, daß vZTA nur für Zwecke der inneren Umsatzsteuer nicht erteilt werden dürfen, richtete das Finanzgericht (FG) an die Klägerin die Frage, ob die vZTA auch für Zwecke der Warenein- und -ausfuhr benötigt werde. Die Klägerin reichte daraufhin zwei Einkaufsrechnungen eines Vertragspartners in Frankreich ein und erklärte, die Geräte würden nicht aus Drittländern ein- und auch nicht dorthin wieder ausgeführt. Das FG wies die Klage ab. Die Aufhebung der von der Klägerin wegen Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes i. V. m. Nr. 52 Buchst. d der Anlage begehrten vZTA sei nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 178, 262 gerechtfertigt. Der Warenbezug in Frankreich führe zu keiner anderen Beurteilung; da Zölle -- und seit dem 1. Januar 1993 auch Einfuhrumsatzsteuer -- nicht mehr anfielen, sei nicht ersichtlich, inwieweit Zollbehörden durch die vZTA gebunden werden könnten.
Mit ihrer Revision gegen dieses Urteil (veröffentlicht in Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1997, 134) rügt die Klägerin, das FG sei ohne entsprechende Erhebungen davon ausgegangen, daß die Geräte nicht in Drittländer ausgeführt würden. Auf Anforderung hätten diese Ausfuhren nachgewiesen werden können, mit der Folge, daß die Voraussetzung zur Erteilung der vZTA zu bejahen und über die zutreffende Einreihung zu befinden gewesen wäre. Im übrigen hätte das FG aus Erwägungen der Billigkeit, des Vertrauensschutzes und des Grundsatzes von Treu und Glauben berücksichtigen müssen, daß im Streitfall ein Anspruch auf eine vZTA auch für Inlandslieferungen und -leistungen gegeben sei. Die OFD habe die insoweit nachgesuchte unverbindliche Auskunft versagt und damit den Antrag auf Erteilung einer vZTA selbst veranlaßt.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die OFD beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt u. a. vor, die Klägerin habe nicht darzutun vermocht, daß die Geräte -- auch -- in Drittländer ausgeführt würden. Entsprechender Ausführungen hätte es selbst ohne gerichtlichen Hinweis bedurft.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, insbesondere zulassungsfrei statthaft, da sie sich gegen ein Urteil in Zolltarifsachen richtet (§ 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Ein solches Urteil liegt auch vor, wenn über die Anwendung oder Auslegung von Vorschriften über die Erteilung von vZTA entschieden worden ist (BFHE 178, 262f.). Mit der Bestätigung der Aufhebungsverfügung aus Gründen, die sich aus der von diesen Vorschriften geschaffenen Rechtslage ergeben, ist in einer "Zolltarifsache" erkannt worden.
Die Revision ist jedoch nicht begründet und demgemäß zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß der Klägerin für ihre Zwecke eine vZTA nicht zu erteilen war. Gegen diese Entscheidung bestehen weder in verfahrensrechtlicher noch in sachlich-rechtlicher Hinsicht Bedenken.
Ohne Erfolg bleibt zunächst die Verfahrensrüge (§ 76 Abs. 1 FGO). Wenn die Klägerin im Gegensatz zu der aus der Anfrage des FG ersichtlichen Rechtsauffassung schon in der schlichten Ausfuhr der Geräte in Drittländer einen hinreichenden Grund für die Erteilung einer vZTA sah, so war es ihre Sache, von sich aus, ohne Anstoß seitens des Gerichts, auf diesen Umstand hinzuweisen und nötigenfalls Beweis anzutreten. Ausgehend vom sachlich-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz, der allein maßgebend ist für die Beurteilung, ob ein Verfahrensfehler -- hier: Aufklärungsmangel -- vorliegt (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 120 Anm. 39), bestand für einen gerichtlichen Hinweis kein Anlaß. Im übrigen irrt die Klägerin, wenn sie meinen sollte, daß schon die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren, die sich seit dem 1. Januar 1993 im -- nunmehr zollrechtlich geregelten -- Ausfuhrverfahren vollzieht (Art. 161 Abs. 1 und 2, Art. 4 Nr. 16 Buchst. h, Art. 253 Unterabs. 4 des Zollkodex), ohne weiteres die Erteilung von vZTA rechtfertige. Dies trifft nur zu, soweit es bei der Ausfuhr auf die zolltarifliche Einreihung ankommt, so insbesondere im Hinblick auf Ausfuhrabgaben oder Ausfuhrerstattungen (vgl. BFHE 178, 262, 264; HFR 1996, 23). Daß die Einreihung für die Ausfuhr eine Rolle spielt, muß sich aus dem Vorbringen des Beteiligten ergeben (vgl. für den Antrag auf Erteilung einer vZTA nunmehr auch Art. 6 Abs. 3 A Buchst. c Satz 2 der Zollkodex-Durchführungsverordnung). Ohne eine entsprechende Angabe kann in Ausfuhrfällen nicht davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen für die Erteilung von vZTA vorliegen.
Auch in sachlich-rechtlicher Beziehung ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden (vgl. zu dem vom FG angesprochenen Wegfall der Einfuhrumsatzsteuer im innergemeinschaftlichen Verkehr auch Senat, Urteil vom 30. Januar 1996 VII R 84/95, BFHE 179, 508f.). Sie entspricht der Rechtsprechung des Senats. Wenn die OFD vor Ergehen des Urteils in BFHE 178, 262 auf die Möglichkeit der Einholung einer vZTA auch für Zwecke der inneren Umsatzsteuer verwiesen hat, so beruht dies auf ihrer Beurteilung der damals nicht abschließend geklärten Rechtsfrage. Einen Anspruch auf ausnahmsweise Erteilung entgegen der nunmehr erkannten Rechtslage vermag dieses Vorgehen nicht zu vermitteln.
Fundstellen