Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösezahlungen für Stellplätze aufgrund einer (Nutzungs-) Änderung des Gebäudes als nachträgliche Herstellungskosten
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen wegen (Nutzungs-)Änderung des Gebäudes (§ 39 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 LBO BW a.F. = § 37 Abs. 2 LBO BW n.F.) zählen zu den Herstellungskosten, wenn die zur Änderung führende Baumaßnahme als Herstellung i.S. von § 255 Abs. 2 HGB anzusehen ist (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 8. März 1984 IX R 45/80, BFHE 141, 237, BStBl II 1984, 702).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 2; HGB § 255 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Im Streitjahr (1994) stellte er einen Antrag auf Baugenehmigung und Nutzungsänderung, nachdem er das frühere Ladengeschäft im Untergeschoss seines Hauses als Gaststätte vermietet hatte. Nach dem im Antrag bezeichneten Bauvorhaben sollte in dem im Erdgeschoss des Hauses befindlichen Verkaufsraum ein Restaurant mit den notwendigen Nebenräumen eingerichtet und der Hauseingang auf die Nordseite verlegt werden. Der Antrag wurde baupolizeilich genehmigt. Der Kläger leistete an die Gemeinde Ablösezahlungen für Parkplätze nach der Landesbauordnung.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrte der Kläger den Abzug der ihm von der Gemeinde auferlegten Kosten in Höhe von 52 500 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus der Vermietung des Grundstücks. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) lehnte das im Zuge einer 1996 stattgefundenen Außenprüfung ab und behandelte die Ablösezahlungen des Klägers für Parkplätze als nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes.
Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage trug der Kläger vor, er habe als Eigentümer und Vermieter lediglich den Bauantrag stellen, aber nichts investieren müssen. Der Mieter habe die Veränderungen auf seine Kosten vorgenommen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab: Es stehe unabhängig davon, in welchem Umfang Umbaumaßnahmen angefallen seien, fest, dass eine bauliche Änderung des Erdgeschosses vorgenommen worden sei, die einen vorherigen Umbau- und Nutzungsänderungsantrag beim Baurechtsamt erforderlich gemacht habe. Da anstelle des früheren Verkaufsraums ein Restaurant entstanden sei, führe dies zu einem ausreichenden wirtschaftlichen Zusammenhang zum Gebäude und rechtfertige die Zuordnung der Ablösezahlungen zu den Herstellungskosten.
Hiergegen richtet sich die Revision, die der Kläger auf Verletzung materiellen Rechts sowie auf einen Verfahrensfehler stützt. Zur Begründung trägt er vor, bei den Ablösezahlungen könne es sich schon deshalb nicht um Herstellungskosten handeln, weil nicht er, sondern der Mieter die bauliche Änderung der Anlage vorgenommen habe. Überdies bewirke unabhängig von der Baumaßnahme allein die Nutzungsänderung die Ablösezahlung.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. April 2001 zu ändern und die Ablösezahlung in Höhe von 52 500 DM als weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Das FG hat die hier streitigen Ablösezahlungen mit unzureichender Begründung als Herstellungskosten des Gebäudes behandelt. Denn es hat nicht geprüft, ob die Baumaßnahme, auf der die Zahlung der Ablösebeträge beruht, als Herstellung zu werten ist. Liegt aber keine Herstellung vor, so handelt es sich um öffentliche Abgaben i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die der Kläger als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus der Vermietung des bebauten Grundstücks (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG) abziehen kann.
1. Nach dieser Vorschrift sind Werbungskosten auch sonstige öffentliche Abgaben, soweit sie sich auf ein Gebäude beziehen, das dem Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einnahmen dient. Um sonstige öffentliche Abgaben, die sich auf ein Gebäude beziehen, handelt es sich bei den Geldbeträgen, die der Steuerpflichtige an die Gemeinde zur Ablösung der bauordnungsrechtlichen Stellplatzpflicht zahlt (vgl. dazu auch Tiedtke, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1972, 530 ff.).
2. Der Steuerpflichtige kann diese Aufwendungen allerdings nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG sofort abziehen, wenn es sich bei den öffentlichen Abgaben um Herstellungskosten handelt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. August 2002 IX R 70/00, BFHE 200, 227, unter II. 1.).
a) Herstellungskosten sind gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsguts entstehen. Nachträgliche Herstellungskosten setzen die Veränderung eines bereits bestehenden Wirtschaftsguts im Rahmen eines weiteren Herstellungsvorgangs voraus (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349; vgl. zu § 255 Abs. 2 Satz 1 2. und 3. Alternative HGB die BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, und vom 3. Dezember 2002 IX R 64/99, BFH/NV 2003, 406). Herstellungskosten umfassen Aufwendungen, die durch den Herstellungsvorgang selbst verursacht worden sind und unmittelbar der Herstellung dienen (Materialkosten, Fertigungskosten und Sonderkosten der Fertigung - § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB), zudem die Kosten, die in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang, d.h. zwangsläufig mit der Herstellung des Wirtschaftsguts anfallen (BFH-Urteile in BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349, und vom 22. April 1980 VIII R 149/75, BFHE 130, 391, 397, BStBl II 1980, 441).
b) Der BFH rechnet hierzu auch Aufwendungen für die Ablösung der Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen nach den Landesbauordnungen der Länder, weil diese öffentlich-rechtliche Abgabe an die Errichtung von baulichen Anlagen und damit an die Bautätigkeit anknüpft (BFH-Urteil vom 8. März 1984 IX R 45/80, BFHE 141, 237, BStBl II 1984, 702, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. November 1982 VIII R 175/79, BFHE 137, 314, BStBl II 1983, 212, zu einer Abgabe nach dem Kommunalabgabengesetz, m.w.N.).
c) Entsteht die Verpflichtung zur Herstellung von Stellplätzen aber nicht wegen der Errichtung einer baulichen Anlage, sondern wegen deren Änderung oder Nutzungsänderung, so zählen Aufwendungen zu deren Ablösung nicht in jedem Fall zu den Herstellungskosten. Denn diese Aufwendungen fallen schon dann an, wenn sich lediglich die Nutzung des Gebäudes ändert und dadurch ein zusätzlicher Bedarf an Stellplätzen ausgelöst wird (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 der für das Streitjahr maßgebenden Landesbauordnung für Baden-Württemberg (LBO) vom 28. November 1983 (Gesetzblatt ―GBl― 1983, 770; entspricht § 37 Abs. 2 LBO vom 8. August 1995 (GBl 1995, 617). Deshalb besteht ein Zusammenhang mit der Herstellung nur dann, wenn die zur Änderung oder Nutzungsänderung der baulichen Anlage führende Baumaßnahme als Herstellung i.S. von § 255 Abs. 2 HGB anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 IX R 94/82, nicht veröffentlicht, juris-Dokument StRE845075760).
3. Nach diesen Grundsätzen hat das FG mit unzureichender Begründung einen Zusammenhang der zur Ablösung der Verpflichtung gezahlten Beträge mit Herstellungsaufwand bejaht. Es hätte nicht offen lassen dürfen, ob und in welchem Umfang Umbaumaßnahmen angefallen und ob diese als Erhaltungs- oder als Herstellungsaufwendungen zu qualifizieren sind. Hierin liegt ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung führt.
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt folgerichtig nicht geprüft, welche Baumaßnahmen im Einzelnen und von wem vorgenommen worden sind. Das wird es in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben. Sollte das FG bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung zu dem Ergebnis gelangen, dass überhaupt keine Umbauten von dem Kläger vorgenommen worden sind oder dass die Bautätigkeit dem Kläger nicht zugerechnet werden kann, weil sie z.B. vom Mieter nur zu einem vorübergehenden Zweck vorgenommen wurde oder aber auch, dass die Umbaumaßnahme nach der Vorschrift des § 255 Abs. 2 HGB zu keinem Herstellungsaufwand des Klägers geführt hat, dann wäre die Ablösungssumme als sofort abziehbare Werbungskosten zu behandeln.
5. Da die Sache zurückverwiesen wird, erübrigt sich eine Entscheidung zu den geltend gemachten Verfahrensfehlern.
Fundstellen
Haufe-Index 951300 |
BFH/NV 2003, 1118 |
BStBl II 2003, 710 |
BFHE 1974, 305 |
BFHE 2004, 305 |
BFHE 202, 305 |
BB 2003, 1551 |
BB 2003, 1724 |
DB 2003, 1551 |
DStRE 2003, 911 |
HFR 2003, 865 |