Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit eines Änderungsbescheides
Leitsatz (NV)
Ein Änderungsbescheid muß, um inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977), grundsätzlich den geänderten Bescheid erkennen lassen (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. März 1981 VII R 3/79, BFHE 133, 163). Dies ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist entscheidend, wie der Adressat den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung der Gründe und der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben verstehen durfte und mußte (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 1985 IV R 154/84, BFH/NV 1987, 7 m. w. N.).
Normenkette
AO 1977 § 119 Abs. 1, § 124 Abs. 1 S. 2, § 165 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) führte gegenüber den Klägern eine Neuveranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1981 durch und setzte mit Bescheid vom 16. Dezember 1986 die Vermögensteuer für 1981 und für 1982 jeweils auf 37 510 DM fest. Der Bescheid erging hinsichtlich der Höhe der Steuererstattungsansprüche und der Höhe der Steuerschulden vorläufig (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Auf den 1. Januar 1982 nahm das FA eine weitere Neuveranlagung vor und setzte mit Bescheid vom 30. Oktober 1987 die Vermögensteuer 1982 auf 85 150 DM fest. Die Steuerfestsetzung erfolgte in bezug auf die Höhe der Steuererstattungsansprüche und die Höhe der Steuerschulden ebenfalls vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO 1977). Mit Änderungsbescheid auf den 1. Januar 1981 vom 8. Dezember 1987 (Bescheid vom 8. Dezember 1987) wurde die Vermögensteuer 1981 auf 18 040 DM herabgesetzt. Die Steuerfestsetzung erfolgte wie zuvor vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO 1977).
Nach einer Mitteilung des FA X über eine Unternehmensbeteiligung des Klägers in den Jahren 1979 bis 1981 erließ das beklagte FA am 8. März 1989 unter Hinweis auf die Änderungsvorschriften des § 175 Abs. 1 Nr. 1 und des § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 einen Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1981 (Bescheid vom 8. März 1989), in dem die Vermögensteuer 1981 und 1982 jeweils auf 24 175 DM festgesetzt und die Steuerfestsetzung für endgültig (§ 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977) erklärt wurde. Die Erläuterungen zu dem Bescheid enthalten den Hinweis: "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 8. Dezember 1987." In dem zugrundeliegenden Eingabewertbogen war bei der Kennziffer 287 (Anzahl der Jahre, für die die Veranlagung gilt -- auszufüllen, wenn die Geltungsdauer sich nicht bis zum Ende des Hauptveranlagungszeitraums erstreckt --) keine Zahl eingetragen. Dieses Versehen hat dazu geführt, daß die Vermögensteuerveranlagung nicht auf das Jahr 1981 begrenzt wurde, sondern daß -- in einer zweiten Spalte -- die Vermögensteuer für 1982 in gleicher Höhe wie für 1981 ausgeworfen wurde.
Am 9. Mai 1989 erging der hier in Streit stehende "nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 geändert(e)" Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1982 (Bescheid vom 9. Mai 1989), durch den die Vermögensteuer 1982 auf 84 475 DM festgesetzt wurde. In den Erläuterungen wurde angegeben: "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 8. März 1989."
Die nach erfolglosem Einspruchverfahren erhobene Klage begründeten die Kläger im wesentlichen damit, daß der Bescheid vom 9. Mai 1989 nicht habe ergehen dürfen, da die Vermögensteuerfestsetzung für 1982 bereits im Bescheid vom 8. März 1989 endgültig gemäß § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 erfolgt sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 30. Oktober 1987 sei nicht durch den Bescheid vom 8. März 1989 aufgehoben oder geändert worden. Der Bescheid vom 8. März 1989 sei ein Scheinverwaltungsakt, der keinerlei Rechtswirkungen entfalte, denn die Maßnahme sei nicht vom Willen des FA getragen gewesen.
Zur Begründung ihrer Revision tragen die Kläger vor, der Bescheid vom 8. März 1989 habe die Vermögensteuer 1981 und 1982 neu festgesetzt und die Bescheide vom 8. Dezember 1987 und vom 30. Oktober 1987 geändert. Der Änderungshinweis in dem Bescheid vom 8. März 1989 sei insoweit unvollständig, als er lediglich auf den Bescheid vom 8. Dezember 1987 verweise und ein Hinweis auf den Bescheid vom 30. Oktober 1987 fehle. Dies habe jedoch keinen Einfluß auf die Rechtswirkung des Bescheides, da dieser bestimmt, unzweideutig und vollständig den Willen der Behörde zum Ausdruck gebracht habe. Die Steuerfestsetzung für das Jahr 1982 in dem Bescheid vom 8. März 1989 sei zudem kein Scheinverwaltungsakt, sondern ein fehlerhafter Verwaltungsakt. Die Bekanntgabe des Bescheids sei gewollt gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß das FA die Vermögensteuerfestsetzung für 1982 mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 1989 im vorgenommenen Umfang gemäß § 165 Abs. 2 AO 1977 ändern durfte.
1. Der Bescheid vom 8. März 1989 hinderte -- entgegen der Auffassung der Revision -- nicht den Erlaß des Änderungsbescheides vom 9. Mai 1989. Denn der die Vermögensteuer für 1982 betreffende vorläufige Bescheid vom 30. Oktober 1987 war durch den Bescheid vom 8. März 1989 unberührt geblieben.
Der Grund hierfür ist allerdings nicht -- wie das FG angenommen hat --, daß es sich bei dem Bescheid vom 8. März 1989 bezüglich der Vermögensteuerfestsetzung für 1982 um einen Scheinverwaltungsakt gehandelt habe. Das FA hat eine rechtsverbindliche Entscheidung gegenüber den Klägern erlassen. Ohne Bedeutung ist, ob das FA den Bescheid mit dem bekanntgegebenen Inhalt tatsächlich so erlassen wollte (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977).
Vielmehr kann dem Bescheid vom 8. März 1989 nicht entnommen werden, daß auch der Bescheid vom 30. Oktober 1987 geändert werden sollte.
Ein Änderungsbescheid muß, um inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977) grundsätzlich den geänderten Bescheid erkennen lassen (Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. März 1981 VII R 3/79, BFHE 133, 163). Dies ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist entscheidend, wie der Adressat den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung der Gründe und der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben verstehen durfte und mußte (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 1985 IV R 154/84, BFH/NV 1987, 7 m. w. N.). Danach konnten die Kläger nicht davon ausgehen, daß in Abänderung des Bescheides vom 30. Oktober 1987 auch die Vermögensteuer für 1982 geändert werden sollte. Zum einen fehlt, wenn dies auch nicht allein maßgebend ist (BFH-Urteil in BFHE 133, 163), ein ausdrücklicher Hinweis darauf, daß der Bescheid vom 30. Oktober 1987 geändert werden sollte. Zum anderen ergibt sich aus dem Hinweis in den Erläuterungen des Bescheides vom 8. März 1989, daß nur der Bescheid vom 8. Dezember 1987 geändert wurde, durch den die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1981 festgesetzt worden war.
2. Der Bescheid vom 9. Mai 1989 ist im übrigen nicht zu beanstanden. Unschädlich ist dabei, daß der Änderungsbescheid mit dem -- unzutreffenden -- Hinweis versehen war, er ändere den Bescheid vom 8. März 1989, zumal dies im Einspruchsbescheid klargestellt wurde.
Die Änderung der Steuerfestsetzung betrifft die Ansätze für Steuerschulden und Steuererstattungsansprüche der Kläger. Die Voraussetzung, nach denen eine Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 möglich ist, liegen dafür vor. Denn der Bescheid vom 30. Oktober 1987 erging in bezug auf die Höhe der Steuerschulden und die Höhe der Steuererstattungsansprüche vorläufig (§ 165 Abs. 1 AO 1977).
Fundstellen