Leitsatz (amtlich)

Der Begriff „gefroren” der Tarifnr. 02.01 umfaßt Fleisch, das zunächst im Sinne der Tarifnr. 02.06 „leicht getrocknet” und dann erst eingefroren worden ist, nicht schlechthin, sondern nur soweit es im wesentlichen erst durch das Einfrieren dauerhaft haltbar gemacht worden ist.

 

Normenkette

GZT Tarifnr. 02.01; GZT Tarifnr. 02.06

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ am 12. Juli 1973 Schinken mit Knochen und Kotelettstränge mit Kamm bei einer Zollstelle zum Versand nach Spanien abfertigen. Den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Ausfuhrerstattung lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) mit der Begründung ab, die Waren gehörten zu den Tarifst. 02.01 A III a) 2 bzw. 02.01 A III a) 4 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT), weil sie gefroren worden seien; für solche Waren sehe die maßgebende Verordnung (EWG) Nr. 1553/73 (VO Nr. 1553/73) der Kommission vom 12. Juni 1973 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 156/10 vom 13. Juni 1973) die Gewährung einer Ausfuhrerstattung nicht vor.

Mit dem erfolglosen Einspruch und der dann erhobenen Klage machte die Klägerin geltend: Sie habe das ursprünglich frische Fleisch leicht getrocknet, so daß es der Zusätzlichen Vorschrift 3 zu Kap. 2 GZT entsprochen habe und als Schinken mit Knochen, leicht getrocknet oder geräuchert, der Tarifst. 02.06 B I b) 3 aa) bzw. als Kotelettstränge mit Kamm, leicht getrocknet oder geräuchert, der Tarifst. 02.06 B I b) 5 aa) gemäß der VO Nr. 1553/73 erstattungsfähig gewesen sei. Bis zum Versand habe sie das Fleisch im Kühlhaus gelagert. Die dort eingetretene Tiefkühlung habe nicht dazu führen können, daß das bereits von der Tarifnr. 02.06 erfaßte Fleisch wieder der Tarifnr. 02.01 zuzuordnen gewesen sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt die Klägerin, die Entscheidung des FG beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung der Tarifst. 02.06 B I b) 3 aa) und B I b) 5 aa).

Der Senat hat durch Beschluß vom 22. August 1978 (BFHE 125, 409) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) die Fragen vorgelegt:

  1. Erfaßt der Begriff „gefroren” der Tarifnr. 02.01 nicht nur das in frischem Zustand gefrorene Fleisch, sondern auch zunächst im Sinne der Tarifst. 02.06 B I b) 3 aa) und B I b) 5 aa) „leicht getrocknetes” und dann erst gefrorenes Fleisch? Bei Verneinung dieser Frage:
  2. Wie ist der Begriff „frisch” der Tarifnr. 02.01 gegenüber dem Begriff „leicht getrocknet” der Tarifst 02.06 B I b) 3 aa) und B I b) 5 aa) abzugrenzen?

Durch Urteil vom 31. Mai 1979 Rs. 183/78 hat der EGH hierauf geantwortet:

Der Begriff „gefroren” der Tarifnr. 02.01 GZT erfasse nicht nur in frischem Zustand eingefrorenes, sondern auch zunächst leicht getrocknetes und dann eingefrorenes Fleisch, soweit es im wesentlichen durch das Einfrieren dauerhaft haltbar gemacht worden sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, nach dem EGH-Urteil komme es darauf an, das Ausmaß der Trocknung und die dadurch verursachte Erhöhung der Haltbarkeit zu ermitteln. Das FG habe dies unterlassen.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das HZA beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es trägt vor: Der EGH überlasse es dem einzelstaatlichen Gericht zu beurteilen, ob und inwieweit die dauerhafte Haltbarmachung das Ergebnis einer leichten Trocknung oder im wesentlichen durch das Gefrieren erreicht worden sei. Die Entscheidungsgründe des FG ließen dessen Bemühen erkennen, sich hierüber Klarheit zu verschaffen. Es habe alle Möglichkeiten der Beweiserhebung erschöpft. Im Rahmen dieser Beweiserhebung habe es zunächst festgestellt, daß die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis einer leichten Trocknung des Fleisches im Sinne der Zusätzlichen Vorschrift Nr. 3 zu Kap. 2 GZT nicht erbracht habe. Es habe weiter festgestellt daß eine Unterscheidung zwischen frischem und durch leichtes Trocknen haltbar gemachtem Fleisch im vorliegenden Fall nicht oder nur schwer zu treffen sei. Es habe daraus den Schluß gezogen, daß dann kein durch leichtes Trocknen haltbar gemachtes Fleisch vorliege. Dieses sei aber das Kriterium, an das der EGH den Begriff „leicht getrocknet” im Sinne der Tarifnr. 02.06 knüpfe.

Nach allem ergebe sich aus dem Urteil des FG, daß im vorliegenden Fall eine nicht haltbar gemachte Ware eingefroren worden sei, so daß die Ware zu Recht der Tarifnr. 02.01 zugewiesen worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG ist bei der von ihm zu treffenden Entscheidung, ob das HZA das von der Klägerin ausgeführte Fleisch in dem angefochtenen Bescheid vom 10. Oktober 1973 zu Recht nicht als „leicht getrocknet” im Sinne der Tarifnr. 02.06, sondern als „gefroren” im Sinne der Tarifnr. 02.01 behandelt hat, von der Auffassung ausgegangen, als „gefrorenes” Fleisch sei auch solches Fleisch anzusehen, das zunächst im Sinne der Tarifnr. 02.06 „leicht getrocknet” und dann erst eingefroren worden ist. Das ergibt sich aus seiner Erklärung, es sei im vorliegenden Falle unerheblich, ob das Fleisch durch die der Schockgefrierung vorausgegangene Trocknung im Sinne der Tarifnr. 02.06 „leicht getrocknet” worden sei, da eine leichte Trocknung gegenüber dem Gefrieren nicht ins Gewicht falle und tariflich in der Tiefkühlung untergehe. Dem EGH-Urteil Rs. 183/78 zufolge umfaßt jedoch der Begriff „gefroren” der Tarifnr. 02.01 Fleisch, das zunächst im Sinne der Tarifnr. 02.06 leicht getrocknet und dann eingefroren worden ist, nicht schlechthin, sondern nur soweit es im wesentlichen nicht schon durch die Trocknung, sondern erst durch das Einfrieren dauerhaft haltbar gemacht worden ist.

Es kommt daher im vorliegenden Fall entgegen der Meinung des FG darauf an, ob das Fleisch dadurch im Sinne der Tarifnr. 02.06 „leicht getrocknet” worden war, daß die Klägerin es vier bis sechs Tage lang bei Temperaturen zwischen 4° und 14° C am Haken luftig aufgehängt hatte, und ob es im wesentlichen durch die Trocknung oder durch das Einfrieren dauerhaft haltbar gemacht worden war.

Die Frage nach einer leichten Trocknung im Sinne der Tarifnr. 02.06 ist dem EGH-Urteil zufolge nicht nur nach der Zusätzlichen Vorschrift 3 zu Kap. 2 zu beantworten. Das entscheidende Kriterium stellt nicht das dort genannte Wasser-Protein-Verhältnis dar, sondern liegt im wesentlichen darin, ob und inwieweit die Trocknung geeignet ist, das Fleisch dauerhaft haltbar zu machen.

In dieser Hinsicht hat das FG keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Es hat dargelegt, daß die Grenze zwischen frischem Fleisch der Tarifnr. 02.01 und durch leichte Trocknung haltbar gemachtem Fleisch der Tarifnr. 02.06 „fließend und schwer erkennbar” sei und daß die Zusätzliche Vorschrift 3 zu Kap. 2 nur eine Abgrenzung gegenüber stark getrocknetem Fleisch, nicht aber gegenüber frischem Fleisch enthalte. Auch die anschließenden Ausführungen, auf die sich das HZA beruft, enthalten keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage, ob im vorliegenden Fall das Fleisch schon vor dem Einfrieren durch die Trocknung haltbar gemacht worden war. Dort wird nur allgemein der Fall angesprochen, daß Frischfleisch nur in einem solch leichten Maße getrocknet ist, daß es von nicht getrocknetem Frischfleisch nicht oder nur schwer zu unterscheiden ist, und daß es anschließend schockgefroren wurde. Für einen solchen Fall hat es die Auffassung vertreten, daß kein durch leichte Trocknung haltbar gemachtes, sondern gefrorenes Fleisch vorliege. Das hat es mit der irrigen Rechtsauffassung begründet, die leichte Trocknung falle gegenüber dem Gefrieren nicht ins Gewicht und gehe tariflich in der Tiefkühlung unter.

Da somit das FG-Urteil auf einer irrigen Rechtsauffassung beruht und die Sache nicht entscheidungsreif ist, ist das Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird feststellen müssen, welchen Grad der Haltbarkeit das Fleisch durch die Trocknung erlangt hatte und ob eine dauerhafte Haltbarkeit im wesentlichen schon durch das Trocknen oder erst durch das Einfrieren erreicht worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510508

BFHE 1980, 286

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