Leitsatz (amtlich)
Bei der für die Anwendbarkeit des § 33 KStDV maßgebenden Ermittlung des Hauptgeschäftszweigs einer Spar- und Darlehenskasse, die neben dem Geld- und Kreditgeschäft bankfremde Geschäfte (z. B. das Warengeschäft) betreibt, dürfen aus den zu vergleichenden Roh- oder Reingewinnen die Erträge aus Hilfsgeschäften nicht ausgeschieden werden.
Normenkette
KStDV § 33; KStR Abschn. 61 Abs. 2; KStR Abschn. 61/3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Genossenschaft im Veranlagungszeitraum 1957 den ermäßigten Steuersatz des § 33 KStDV in Anspruch nehmen kann.
Die Genossenschaft betreibt das Kredit- und Warengeschäft. Sie erzielte im Jahr 1957 einen Gewinn von 33.190 DM und nach Abzug eines Verlustes aus dem Jahr 1956 in Höhe von 28.671 DM ein Einkommen von 4.510 DM. In dem Gewinn von 33.190 DM ist ein außerordentlicher Ertrag aus der Veräußerung von zum Warengeschäft gehörenden Anlagegütern, z. B. ein LKW, eine Fuhrwerkswaage und eine Grundstücksparzelle, in Höhe von 12.979 DM enthalten.
Die Genossenschaft und das Finanzamt sind darüber einig, daß die für die Anwendung des § 33 KStDV und des Abschn. 61 Abs. 2 KStR 1955 entscheidende Frage, ob im Jahr 1957 das Geldgeschäft oder das Warengeschäft überwiege, nach dem Verhältnis der Reingewinne beantwortet werden soll. Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten ferner darüber, daß die Behandlung der Genossenschaft als Kreditgenossenschaft oder als Warengenossenschaft allein davon abhängig ist, ob der außerordentliche Ertrag aus der Veräußerung von Anlagegütern in Höhe von 12.979 DM (Ertrag aus einem Hilfsgeschäft) dem Warengeschäft zugerechnet werden muß oder bei der Ermittlung der zu vergleichenden Reingewinne außer Ansatz bleibt. Nur dann, wenn der außerordentliche Ertrag dem Reingewinn des Warengeschäfts zugerechnet wird, übersteigt der Reingewinn aus dem Warengeschäft den Reingewinn aus dem Kreditgeschäft.
Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung der Genossenschaft an. Aus Abschn. 61 Abs. 2 KStR 1955 in Verbindung mit § 33 KStDV ergebe sich, daß Genossenschaften mit Kredit- und Warengeschäft, solange ihr Kreditgeschäft das Hauptgeschäft bilde, ihren Charakter als begünstigte Kreditgenossenschaft im Sinne des § 33 KStDV nicht verlören. Bei der Prüfung, welche Geschäfte zu dem einen oder anderen Geschäftszweig zu rechnen seien, könnten nur die normal anfallenden und laufenden Geschäfte berücksichtigt werden. Es sei deshalb allein entscheidend, daß der Rohgewinn aus dem Warengeschäft (Unterschied zwischen den Wareneinkaufskosten und den Warenverkaufskosten) niedriger als der Rohgewinn aus dem Kreditgeschäft (Unterschied zwischen den Zinseinnahmen und den Zinsaufwendungen) sei. Zur Ermittlung des Reingewinns auf Grund der Rohgewinne seien die allgemeinen Betriebsausgaben abzusetzen. Bei dieser Vergleichsrechnung dürften nur Zweckgeschäfte, nicht aber Hilfsgeschäfte berücksichtigt werden. Ein notwendiges Hilfsgeschäft, das zu einem Veräußerungsgewinn und einem außerordentlichen Ertrag führe, könne nicht entscheidend für die Frage sein, welcher Geschäftszweig bei der Genossenschaft überwiege. Der vom Finanzamt in den Vordergrund gestellte Gedanke, daß der Veräußerungsgewinn von Anlagegütern des Warengeschäfts mit früheren anteiligen Absetzungen für Abnutzung, also mit Betriebsausgaben in ursächlichem Zusammenhang stehe, sei weder wirtschaftlich noch steuerlich ein Anlaß, ihn bei einer Reingewinnvergleichsrechnung dem Ergebnis des Warengeschäfts zuzurechnen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet. Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 168/58 U vom 12. Januar 1960 (BStBl 1960 III S. 94, Slg. Bd. 70 S. 254) ergibt sich, daß die in Abschn. 61 Abs. 2 KStR 1955 vorgesehene Begünstigung der Spar- und Darlehenskassen, die neben dem Geld- und Kreditgeschäft auch das Warengeschäft betreiben, den Charakter übergeleiteter Rechtsnormen hat. Danach kommt es, da die Eigenschaft der Genossenschaft als Spar- und Darlehenskasse nicht bestritten ist, darauf an, ob im Jahr 1957 das Geld- oder das Kreditgeschäft den Hauptgeschäftszweig darstellte. Die Ermittlung des Hauptgeschäftszweigs, die auf dem Vergleich der Roh- und Reingewinne beruht und für jedes Jahr gesondert vorgenommen werden muß, hat den Zweck, den Steuersatz für den Gesamtgewinn festzustellen. Für die Besteuerung des Gesamtgewinns den allein für Kreditgenossenschaften geltenden ermäßigten Steuersatz anzuwenden, läßt sich nur rechtfertigen, wenn dieser Gesamtgewinn überwiegend in dem durch § 33 KStDV begünstigten Geschäftszweig, d. h. im Kreditgeschäft erzielt worden ist. Es ist deshalb mit dem Sinn und Zweck des § 33 KStDV nicht vereinbar, daß bei der ohnehin jährlich durchzuführenden Vergleichsberechnung ein Teil des steuerpflichtigen Gewinns des Waren- oder des Kreditgeschäfts außer Ansatz bleibt und damit z. B. ein hoher außerordentlicher Ertrag des Warengeschäfts in einem Jahr, in dem das Ergebnis des Kreditgeschäfts einen weit unter 50 v. H. liegenden Betrag des Gesamteinkommens ausmacht, mit dem nur für das Kreditgeschäft gedachten ermäßigten Steuersatz erfaßt wird. Bei beiden Geschäftszweigen und bei jeder Genossenschaft kommen im regelmäßigen Geschäftsbetrieb sogenannte Hilfsgeschäfte vor, die auch bei jedem anderen Unternehmen zum normalen Betriebsablauf gehören. Das gilt z. B. für den Ersatz einer gebrauchten Schreibmaschine oder für die Hingabe eines gebrauchten Personenkraftwagens in Anrechnung auf den Kaufpreis für einen neuen Personenkraftwagen. Aus diesem Grunde ist es sachlich nicht gerechtfertigt, den Gewinn jedes Geschäftszweigs unter dem Gesichtspunkt ordentlicher und außerordentlicher Erträge zu zerlegen. Es bereitet auch nicht unerhebliche praktische Schwierigkeiten, aus dem steuerpflichtigen Gesamteinkommen alle außerordentlichen Erträge aus Hilfsgeschäften auszuscheiden. Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für das Waren- und für das Kreditgeschäft und wirken sich deshalb sowohl zugunsten wie zuungunsten der gemischten Genossenschaften aus.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben, die Einspruchsentscheidung wird wiederhergestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 409898 |
BStBl III 1961, 40 |
BFHE 1961, 103 |
BFHE 72, 103 |