Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Einfuhrabgaben im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren
Leitsatz (NV)
- Aus der Stellung als Hauptverpflichteter im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren ergibt sich dessen Verantwortlichkeit als Schuldner für Abgabenschulden, die infolge von Zuwiderhandlungen im Rahmen dieses Verfahrens entstehen.
- Die Erhebung etwaiger wegen einer Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit einem externen gemeinschaftlichen Versandverfahren entstandener Einfuhrabgaben ist nicht allein deswegen rechtswidrig, weil sie vor Ablauf der dem Hauptverpflichteten gesetzten Nachweisfrist von drei Monaten stattgefunden hat, falls der Hauptverpflichtete noch im Einspruchsverfahren die Möglichkeit hatte, die ihm gesetzte Nachweisfrist auszunutzen.
- Zu den Anforderungen an den Nachweis der Wiedergestellung einer Sendung bei der Bestimmungsstelle.
- Werden die in dem angefochtenen Steuerbescheid festgesetzten Einfuhrabgaben während des Klageverfahrens durch einen Steueränderungsbescheid herabgesetzt, so ist dies bei der Kostenverteilung nicht zu berücksichtigen, wenn die Unterlagen, die zur Herabsetzung der Abgaben geführt haben, erst nach Ergehen des Steuerbescheids vorgelegt worden sind.
Normenkette
ZK Art. 96 Abs. 1 Buchst. a, Art. 203 Abs. 1, 3, Art. 204 Abs. 1 Buchst. a; ZKDV Art. 356 Abs. 1-2, Art. 378 Abs. 1, Art. 379 Abs. 2, Art. 380; AO 1977 §§ 24, 367 Abs. 2; FGO §§ 44, 76, 96 Abs. 1 S. 1, § 137 S. 1; FVG § 14
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ in der Zeit vom 3. bis 17. (richtig wohl 12.) August 1994 insgesamt acht Sendungen mit Magermilchpulver bzw. Butter als Drittlandsware jeweils mit einem Versandschein T1 von der Zollstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt ―HZA―) zum externen gemeinschaftlichen Versandverfahren abfertigen. Als Bestimmungsstelle war jeweils das Zollamt (ZA) Algeciras in Spanien angegeben. Da bei der Abgangsstelle kein Rückschein (Exemplar Nr. 5 des Einheitspapiers) einging, wurde die Klägerin mit Schreiben vom 27. Februar 1995 von der Nichterledigung der Versandverfahren unterrichtet und um Stellungnahme bis zum 13. März 1995 gebeten. Nach Übersendung der Versandscheine (jeweils eine Kopie des für die Bestimmungsstelle bestimmten Exemplars Nr. 4 des Einheitspapiers ―Exemplar Nr. 4―) durch die Klägerin und der Mitteilung, dass die Waren beim ZA Algeciras am 10. bzw. 20. August 1994 erneut gestellt worden seien, wurde das Suchverfahren eingeleitet. Die Klägerin wurde jeweils mit Schreiben vom 30. Juni 1995 aufgefordert, innerhalb von drei Monaten die ordnungsgemäße Erledigung des gemeinschaftlichen Versandverfahrens oder den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Nachdem das ZA Algeciras jeweils mit Schreiben vom 11. Mai 1995 mitgeteilt hatte, dass die Sendungen nicht erneut gestellt worden seien, die Versandscheine nicht vorgelegt worden und die Stempel gefälscht oder falsch seien, erließ das HZA am 2. August 1995 acht Steuerbescheide gegen die Klägerin (Einspruchsentscheidung vom 8. November 1995), jeweils eines der genannten Versandverfahren betreffend, über Abschöpfung und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt … DM. Mit den nach Klageerhebung ergangenen Steueränderungsbescheiden jeweils vom 14. Februar 1996, die die Klägerin zum Gegenstand der Klage machte, wurde der Abgabenbetrag auf insgesamt … DM herabgesetzt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, weil das HZA die Klägerin zu Recht für die genannten Abgaben in Anspruch genommen habe. Die Abgaben seien dadurch entstanden, dass die Waren im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien, und im Falle der Klägerin dadurch, dass diese ihre Wiedergestellungspflicht nicht erfüllt habe. Die Klägerin sei Abgabenschuldnerin für die entstandenen Einfuhrabgaben geworden, weil sie als Hauptverpflichtete die Pflicht zur Wiedergestellung der Sendungen verletzt und sich diese Verfehlung auf die ordnungsgemäße Abwicklung der Versandverfahren tatsächlich ausgewirkt habe. Die Abgaben seien im Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Steuerbescheide noch nicht verjährt gewesen.
Das HZA sei als Abgangsstelle für die Abgabenerhebung zuständig. Die streitigen Sendungen seien der Bestimmungsstelle nicht erneut gestellt worden. Rückscheine mit Erledigungsvermerk seien der Abgangsstelle nicht übersandt worden. Stempel und Unterschrift auf den von der Klägerin vorgelegten Versandscheinen seien nicht echt bzw. zutreffend. Die spanische Bestimmungsstelle habe für die streitigen Verfahren bestätigt, dass ihr das Versandgut nicht wiedergestellt worden sei; ein Eintrag in die Register sei nicht erfolgt. Der Umstand, dass auf den Frachtbriefen der Empfang der Waren bestätigt worden sei, lasse weder den Schluss zu, dass die Waren nach Spanien gelangt seien, noch erkennen, an welchem Ort die Zuwiderhandlungen begangen worden seien. Dieser Ort sei weder von der Klägerin nachgewiesen worden noch lägen Erkenntnisse oder Anhaltspunkte vor, in welchem Mitgliedstaat jeweils das Versandgut der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art. 379 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 253/1), weil nicht berücksichtigt worden sei, dass die Steuerbescheide ergangen seien, bevor die nach dieser Vorschrift gesetzte Frist jeweils abgelaufen gewesen sei. Das FG habe den "Fristwahrungsgrundsatz" nicht angewendet. Das FG habe auch gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen, weil es, wie die Klägerin im Einzelnen ausführt, seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens vollständig zugrunde gelegt und die allgemeinen Regeln über die Beweiswürdigung nicht beachtet habe. Schließlich habe das FG auch gegen § 76 FGO verstoßen, weil es den Sachverhalt, wie die Klägerin ebenfalls im Einzelnen vorträgt, unzureichend erforscht habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung und der Steueränderungsbescheide ersatzlos aufzuheben,
vorsorglich: die im Tenor des angefochtenen Urteils getroffene Kostenentscheidung dahin zu ändern, dass die Kosten des Verfahrens bis zum 23. Februar 1996 die Klägerin zu 2/3 und das HZA zu 1/3 trägt.
Das HZA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Es hält die Rügen, wie im Einzelnen dargelegt wird, für unzutreffend.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass das HZA die Klägerin zu Recht für die Abgaben in Anspruch genommen hat.
1. Die Verantwortlichkeit der Klägerin ergibt sich aus ihrer Stellung als Hauptverpflichtete im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren. Gemäß Art. 96 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodez ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABlEG Nr. L 302/1) i.V.m. Art. 356 Abs. 1 ZKDVO hatte sie die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist der Bestimmungsstelle zu gestellen. Da die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass sie diese sich aus den gemeinschaftlichen Versandverfahren ergebenden Verpflichtungen erfüllt hat, ist jeweils eine Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK entstanden, für die die Klägerin als Pflichtige gemäß Art. 204 Abs. 3 ZK Abgabenschuldnerin geworden ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zollschuld jeweils zuvor ―gegebenenfalls dem Tatbestand des Art. 204 Abs. 1 Buchst. a ZK vorgehend― durch ein Entziehen der Waren aus der zollamtlichen Überwachung entstanden ist, wofür allerdings Feststellungen des FG fehlen. Denn auch in diesem Fall wäre die Klägerin als Hauptverpflichtete jeweils gemäß Art. 203 Abs. 3 Anstrich 4 ZK Abgabenschuldnerin geworden.
Soweit es sich bei den Abgaben um Abschöpfungen handelt, sind die Vorschriften des ZK unmittelbar anzuwenden, weil gemäß Art. 4 Nr. 10 ZK (in der maßgebenden Fassung) auch die Abschöpfungen Einfuhrabgaben i.S. des ZK sind. Hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer verweist § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften für Zölle.
2. Anders als die Klägerin meint, sind die angefochtenen Steuerbescheide nicht schon deswegen rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, weil das HZA sie erlassen hat, bevor die der Klägerin gemäß Art. 378 Abs. 1 i.V.m. Art. 379 Abs. 2 ZKDVO jeweils mit Schreiben vom 30. Juni 1995 gesetzte Frist von drei Monaten abgelaufen war. Diese Frist begann jeweils mit der Bekanntgabe des Schreibens des HZA vom 30. Juni 1995, die gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) am 3. Juli 1995 als erfolgt gilt, und endete am 3. Oktober 1995 (Art. 3 Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, ABlEG Nr. L 124/1). Die Steuerbescheide sind am 2. August 1995, also innerhalb dieser Frist ergangen.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zwar entschieden (Urteil vom 21. Oktober 1999 Rs. C-233/98, EuGHE 1999, I-7349), dass der Abgangsmitgliedstaat nur dann für die Erhebung der Eingangsabgaben zuständig ist, wenn er den Hauptverpflichteten darauf hingewiesen hatte, dass dieser über eine Frist von drei Monaten verfüge, um den in Art. 378 Abs. 1 ZKDVO vorgesehenen Nachweis zu erbringen. Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass der Steuerbescheid erst ergehen darf, wenn diese Frist abgelaufen ist. Vielmehr bezieht sich diese Frist über den Steuerbescheid hinaus auf das gesamte Verwaltungsverfahren, das aus dem Steuerbescheid und der Einspruchsentscheidung besteht. Erst nach Ergehen der Entscheidung im Einspruchsverfahren, in dem der Steuerbescheid vollständig überprüft werden muss (§ 367 Abs. 2 AO 1977), ist das Verwaltungsverfahren abgeschlossen. Dementsprechend schreibt § 44 Abs. 2 FGO vor, dass Gegenstand der Anfechtungsklage der Verwaltungsakt in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist. Danach kann auch noch im Einspruchsverfahren der in Art. 378 Abs. 1 ZKDVO vorgesehene Nachweis erbracht werden. Wird in diesem Verfahren nachgewiesen, dass die Zuwiderhandlung tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat begangen worden ist, so ist der Steuerbescheid wegen Unzuständigkeit des Abgangsmitgliedstaates aufzuheben. Wird der Nachweis im Einspruchsverfahren innerhalb der gesetzten Drei-Monatsfrist nicht erbracht, so ist der Abgangsmitgliedstaat zuständig und der vor Ablauf der Drei-Monatsfrist erlassene Steuerbescheid in Gestalt der nach Ablauf der Drei-Monatsfrist ergangenen Einspruchsentscheidung jedenfalls nicht wegen Verstoßes gegen Art. 379 Abs. 2 ZKDVO rechtswidrig (vgl Senatsurteil vom 16. Juni 1998 VII R 34/97, BFHE 186, 171, 178).
3. Im Ergebnis zutreffend hat das FG den Nachweis dafür, dass die sich aus den gemeinschaftlichen Versandverfahren ergebenden Verpflichtungen zur Wiedergestellung der Sendungen bei der Bestimmungsstelle erfüllt worden sind, als nicht geführt angesehen.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in den Entscheidungsgründen kein Widerspruch darin zu sehen, dass es unter I. der Entscheidungsgründe heißt "…Nachdem ein Rückschein nicht eingegangen war, …", während es unter II. der Entscheidungsgründe heißt "…Es sind weder die Rückscheine mit den Erledigungsvermerken an die Abgangszollstelle übersendet worden…". Bei verständiger Interpretation beider Satzteile ergibt sich nämlich, dass in beiden Fällen nur die Rückscheine für alle im Streitfall in Rede stehenden Versandverfahren gemeint sein können. Unter I. der Entscheidungsgründe ist dies nur allgemeiner ausgedrückt.
b) Die Rüge der Klägerin, das FG habe deshalb gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO (Berücksichtigung des Akteninhalts und Gesamtergebnisses des Verfahrens) verstoßen, weil es entgegen dem Akteninhalt davon ausgegangen sei, dass Rückscheine nicht beim HZA eingegangen seien, ist unbegründet. Zwar nimmt die Einspruchsentscheidung auf Rückscheine Bezug. Daraus lässt sich aber, anders als die Klägerin meint, nicht schließen, dass solche beim HZA eingegangen sind. Aus den im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Akten des HZA ergibt sich vielmehr, dass das HZA insoweit in der Einspruchsentscheidung eine falsche Bezeichnung gewählt hat, gemeint sind mit "Rückscheinen" die von der Klägerin vorgelegten Kopien des Exemplars Nr. 4. Denn anders wäre nicht zu erklären, dass das HZA die Klägerin mit Schreiben vom 27. Februar 1995 über die Nichterledigung der Versandverfahren unterrichtet hat; dies geschah gerade deshalb, weil die Rückscheine nicht eingegangen waren. Aus dem selben Grunde wurde auch das Suchverfahren eingeleitet.
c) Nicht nachvollziehbar ist zwar, auf Grund welcher Umstände das FG zu der Überzeugung gelangt ist, dass Stempel und Unterschrift auf den von der Klägerin vorgelegten Kopien des Exemplars Nr. 4 nicht echt bzw. unzutreffend sind. Darauf kommt es aber nicht an. Denn es ist unerheblich, ob die Unterschrift und die Stempel jeweils auf der Kopie des Exemplars Nr. 4 echt bzw. zutreffend sind, weil jedenfalls eine unbeglaubigte Kopie dieses Papiers als solche den Nachweis der Wiedergestellung der Sendung nicht zu erbringen vermag.
Üblicherweise wird der Nachweis der Wiedergestellung einer Sendung bei der Bestimmungsstelle durch die Rücksendung des mit einem entsprechenden Vermerk der Bestimmungsstelle versehenen Rückscheins an die Abgangsstelle erbracht (Art. 356 Abs. 2 ZKDVO).
Fehlt wie im Streitfall jeweils ein solcher Rückschein (siehe oben unter Buchst. b) und bestätigt die Bestimmungsstelle auch im Suchverfahren nicht, dass ihr die Sendung wiedergestellt worden ist, so kann der Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Versandverfahrens gemäß Art. 380 ZKDVO zwar auch auf andere Weise erbracht werden. Dazu reicht jedoch die Vorlage jeweils der Kopie des Exemplars Nr. 4 nicht aus, auf dem sich Stempelabdrucke und Unterschrift befinden, die von der Bestimmungsstelle stammen sollen. Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang allerdings, ob die in Art. 380 Buchst. a und b ZKDVO genannten Nachweismöglichkeiten abschließend oder wegen der Verwendung des Wortes "insbesondere" in der maßgebenden Fassung des Art. 380 ZKDVO nur beispielhaft gemeint sind. Denn bei den von der Klägerin vorgelegten Exemplaren Nr. 4, auf denen sich die angeblich von der Bestimmungsstelle stammenden Stempelabdrucke befinden, würde es sich um einen Nachweis der in Art. 380 Buchst. a ZKDVO genannten Art handeln, weil daraus nach Meinung der Klägerin hervorgehen soll, dass die Waren bei der Bestimmungsstelle gestellt worden sind. Jedoch reicht die Vorlage einer unbeglaubigten Kopie einer solchen Bescheinigung nicht aus. Vielmehr verlangt Art. 380 Buchst. a ZKDVO die Vorlage des von den Zollbehörden bescheinigten Papiers selbst, d.h. die Bescheinigung muss im Original oder kann allenfalls in einer beglaubigten Kopie vorgelegt werden. Da somit schon jeweils die vorgelegte unbeglaubigte Kopie des Exemplars Nr. 4 als solche nicht als Nachweis für die Wiedergestellung der Waren in Betracht kommt, kann dahingestellt bleiben, ob die darauf befindlichen Stempel und Unterschrift von der Bestimmungsstelle stammen und ob sie befugtermaßen auf den Originalen der Exemplare Nr. 4 angebracht worden sind.
Aus dem gleichen Grund kommt es auch nicht auf das Ergebnis einer angeblich in der mündlichen Verhandlung vor dem FG durchgeführten Inaugenscheinnahme an, aus der sich ergeben soll, dass die auf den Exemplaren Nr. 4 angebrachten Stempel mit den in der Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung (VSF) Z 35 10 abgedruckten Mustern der von der spanischen Zollstelle verwendeten Stempel übereinstimmen. Die wegen Nichtberücksichtigung einer solchen Inaugenscheinnahme durch das FG erhobene Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geht daher ins Leere.
d) Die weiter erhobene Rüge, das FG habe die Bestätigung der spanischen Zollverwaltung materiell-rechtlich falsch gewürdigt, weil es aus der Verwendung der Worte "son falsos" in deren Antwortschreiben den falschen Schluss gezogen habe, dass die Stempel nicht echt oder unzutreffend seien, greift ebenfalls nicht durch. Denn die von der Klägerin jeweils vorgelegte Kopie des Exemplars Nr. 4 mit den auf diesem Exemplar befindlichen Stempelabdrucken kommt, wie zuvor unter Buchst. c bereits ausgeführt, ohnehin nicht als Alternativnachweis i.S. des Art. 380 ZKDVO in Betracht.
4. Zutreffend hat das FG entschieden, dass das HZA als Abgangsstelle für die Erhebung der Abgaben zuständig war. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung greift ebenfalls nicht durch.
Da nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Sendungen der Bestimmungsstelle wiedergestellt worden sind und der Ort der Zuwiderhandlung weder vom HZA ermittelt werden noch die Klägerin fristgemäß den Nachweis führen konnte, an welchem Ort die Zuwiderhandlungen tatsächlich begangen wurden, gelten die Zuwiderhandlungen als in dem Mitgliedstaat begangen, zu dem die Abgangsstelle gehört (Art. 378 Abs. 1 Anstrich 1 ZKDVO). In diesem Falle werden die Abgaben von dem Abgangsmitgliedstaat nach den gemeinschaftlichen Vorschriften oder den innerstaatlichen des Abgangsmitgliedstaats erhoben (Art. 378 Abs. 2 ZKDVO). Zuständige Zollstelle ist gemäß § 12 Abs. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes i.V.m. § 24 AO 1977 das HZA, das die Waren zum gemeinschaftlichen Versandverfahren abgefertigt hat, weil dort der Anlass für die Abgabenerhebung hervorgetreten ist (vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 2000 VII R 16/99, BFH/NV 2000, 670, 672).
Gemäß Art. 378 Abs. 1 ZKDVO hat der Hauptverpflichtete den Nachweis, an welchem Ort die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde, innerhalb einer ihm gesetzten Frist von drei Monaten vom Zeitpunkt der Aufforderung der Zollstelle an gerechnet zu erbringen (Art. 379 Abs. 2 i.V.m. Art. 379 Abs. 1 ZKDVO). Diese Frist war, wie bereits oben unter Nr. 2 ausgeführt, spätestens am 3. Oktober 1995 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist hätte die Klägerin schlüssig nachweisen müssen, an welchem Ort die Zuwiderhandlungen tatsächlich begangen worden sind.
Im Ergebnis keinen Bedenken begegnet deshalb die nicht weiter begründete Auffassung des FG, wonach dieser Nachweis seitens der Klägerin nicht durch Vorlage der Frachtbriefe erbracht worden ist, auf denen jeweils der Empfang der Waren bestätigt worden ist. Selbst wenn die Originale der Frachtbriefexemplare, auf denen der Empfang der Waren von dem in Spanien ansässigen Bevollmächtigten des in Marokko ansässigen Empfängers bestätigt worden sein soll, ein Indiz dafür sein könnten, dass die Sendungen in das Bestimmungsland gelangt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2000 Rs. C-310/98 und C-406/98, EuGHE 2000, I-1797 Rdnr. 29), könnten diese im Streitfall nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin sie nach ihren eigenen Angaben im Schriftsatz vom 28. November 2000 erst mit Schreiben vom 24. Januar 1996, also nach Ablauf der Nachweisfrist (Art. 379 Abs. 2 ZKDVO) vorgelegt hat und sie schon deshalb als Beweismittel ausgeschlossen sind (vgl. EuGH in EuGHE 1999, I-7349).
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang als Verfahrensmangel die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) durch das FG geltend macht, weil es die mit Schriftsatz vom 24. Januar 1996 (Seiten 9, 10) gestellten Beweisanträge übergangen habe, greift die Rüge nicht durch. Zwar hat sich das FG mit diesen Beweisanträgen, die die Behauptung der Klägerin stützen sollten, die Zuwiderhandlung sei, wenn überhaupt, in Spanien begangen worden, in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht auseinander gesetzt. Darauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, weil die in dem Schriftsatz genannten Beweismittel (Vernehmung der spanischen Beamten, die im Streitfall Auskünfte über die Zuwiderhandlung erteilt haben, als Zeugen; Vorlage eines unabhängigen Gutachtens im Hinblick auf die Fälschung der in Rede stehenden Stempelabdrucke) erst nach Ablauf der in Art. 379 Abs. 2 ZKDVO genannten Drei-Monatsfrist angeboten worden sind. Das gilt in gleicher Weise für die angeblich in der mündlichen Verhandlung am 26. Juli 2000 angebotenen Beweismittel (beglaubigte Aussageprotokolle der LKW-Fahrer, Tachographen, Quittungen, Fahrtaufzeichnungen, Zeugenaussagen der LKW-Fahrer usw.). Da es sich bei der genannten Frist um eine Ausschlussfrist handelt (vgl. EuGH in EuGHE 1999, I-7349 Rdnr. 30), hat das FG diese Beweismittel im Ergebnis zu Recht nicht berücksichtigt. Sie können für die Frage, ob das HZA ursprünglich für die Erhebung der Abgaben zuständig war, keine Rolle mehr spielen, weil sie erst nach Ablauf der genannten Ausschlussfrist vorgelegt worden sind.
Diese Beweismittel könnten allenfalls noch in dem in Art. 378 Abs. 3 ZKDVO geregelten Verfahren von Bedeutung sein. Wird danach innerhalb einer Frist von drei Jahren vom Zeitpunkt der Eintragung des Versandscheins T1 an gerechnet der Mitgliedstaat ermittelt, in dem die Zuwiderhandlung tatsächlich begangen worden ist, so hat dieser die Abgaben ―ausgenommen derjenigen, die bereits als eigene Einnahmen der Gemeinschaft erhoben worden sind,― zu erheben. Erst wenn dies geschehen ist, werden die vom Abgangsmitgliedstaat erhobenen Abgaben mit Ausnahme der als eigene Einnahmen der Gemeinschaft erhobenen erstattet (Art. 378 Abs. 3 Satz 2 ZKDVO). Die Frage, ob der betreffende Mitgliedstaat die Abgaben zu erheben hat, ist aber keine, über die in diesem Verfahren zu entscheiden ist.
5. Es besteht keine Veranlassung die Vorentscheidung hinsichtlich des Kostenausspruchs zu ändern. Bei der Kostenentscheidung ist der Umstand, dass die ursprünglich festgesetzten Abgaben durch die Steueränderungsbescheide vom 14. Februar 1996 herabgesetzt worden sind, mit Recht nicht berücksichtigt worden. Denn nach den mit keiner Revisionsrüge angefochtenen Feststellungen des FG sind die Warenrechnungen, die zur Herabsetzung der ursprünglich festgesetzten Abgaben durch die genannten Steueränderungsbescheide geführt haben, dem HZA erst nachträglich, d.h. nach Ergehen der Steuerbescheide vom 2. August 1995 vorgelegt worden (§ 137 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 705714 |
BFH/NV 2002, 687 |
HFR 2002, 539 |