Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die steuerlichen Begünstigungen der Mehrarbeit nach § 34 a EStG 1950, § 32 a LStDVO 1950 sind von der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Mehrarbeit nicht abhängig (vgl. das Urteil IV 349/51 U vom 16. Januar 1952).

 

Normenkette

EStG § 34a; LStDV § 32a; LStR Abschn. 52b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die steuerlichen Begünstigungen der Mehrarbeit nach § 34 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 und § 32 a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDVO) 1950 von der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Mehrarbeit abhängig sind.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat zu dieser Frage in der zur Veröffentlichung freigegebenen Entscheidung IV 349/51 U vom 16. Januar 1952 Stellung genommen und die Auffassung vertreten, daß die in den §§ 6, 7, 8 und 14 der Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 447) enthaltenen Beschränkungen der Mehrarbeit durch überstunden die Anwendung der Steuervergünstigungen nicht berühren. Für diese Auslegung spricht einmal die Entstehung und Entwicklung der Steuervorschriften. Vor dem Kriege wurden Entlohnungen für überstunden voll zum Arbeitslohn gerechnet und mit diesem nach der Lohnsteuertabelle versteuert (vgl. Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen - LStDB - 1939 § 2 Absatz 3 Ziffer 4). Nach dem Kriege wurde zunächst der über den Grundlohn - das ist für jede Mehrarbeitsstunde 1/200 des für die regelmäßige Arbeitszeit bezahlten Monatslohnes - hinausgehende Betrag des Mehrarbeitslohnes als steuerfreier Zuschlag von der Besteuerung ausgenommen (vgl. LStDB 1948 § 2 Absatz 3 Ziffer 4) und, als diese Vergünstigung nicht ausreichte, auch der auf die Mehrarbeit entfallende Grundlohn einem ermäßigten Steuersatze von 5 Prozent unterworfen (EStG 1949 § 34 a, LStDVO 1949 § 32 a). Bei der Schaffung dieser Vergünstigungen wurde lediglich auf Mehrarbeit abgestellt, d. h. auf Dienste, die über die regelmäßige, gesetzlich oder tarifmäßig festgesetzte Arbeitszeit hinaus geleistet und besonders entlohnt werden. Eine Einschränkung dahingehend, daß die Mehrarbeit nach den Vorschriften des Arbeitsrechts, insbesondere des Arbeitsschutzrechts, zugelassen ist, kam für die Anwendung der Steuervergünstigung nicht in Betracht. Eine solche Angleichung an das Arbeitsschutzrecht hätte nahe gelegen; denn die diesbezüglichen Bestimmungen in der Arbeitszeitordnung lagen bereits vor und hatten Gesetzeskraft. Abgesehen von der Entstehungsgeschichte kommt auch in der Fassung der Steuervorschriften nicht zum Ausdruck, daß nur die arbeitsrechtlich zugelassene Mehrarbeit steuerbegünstigt sein soll. Der für die Vergünstigung vorgesehene steuerliche Tatbestand erfordert lediglich, daß "gesetzlich oder in Tarifverträgen für Dienste, die über die Dauer der gesetzlichen oder tarifmäßigen Arbeitszeit hinaus geleistet werden, besondere Entlohnungen vorgesehen" sind. Diese Gesetzesfassung des § 34 a EStG 1949 wurde im Einkommensteuergesetz 1950 dahin ergänzt, daß als Mehrarbeit nur die 48 Stunden in der Woche übersteigenden Dienstleistungen angesehen werden. Damit wurde steuerlich die Mehrarbeit zwar in ihrer unteren Grenze beschränkt, indem in Anlehnung an § 3 der Arbeitszeitordnung die regelmäßige Arbeit mit 48 Stunden in der Woche festgelegt wurde. Nach oben hin aber wurde die steuerlich zu begünstigende Mehrarbeit auch durch die Gesetzesänderung 1950 wegen arbeitsschutzrechtlicher Interessen keinen Beschränkungen unterworfen.

In der angeführten Entscheidung IV 349/51 U, die einen Streitfall aus dem Jahre 1949 betraf, ist ausgeführt, daß mit den Worten "gesetzlich oder in Tarifverträgen" die gesetzliche oder tarifliche Regelung nur im allgemeinen in den steuerlichen Tatbestand der Vergünstigung aufgenommen ist, daß damit aber nicht die im einzelnen gesetzlich oder tariflich geregelte Mehrarbeitszeit in den begünstigten steuerlichen Tatbestand einbezogen ist. Eine Angleichung der steuerlichen Vorschriften an die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen hätte, worauf das Finanzgericht zutreffend hinweise, ohne Schwierigkeit deutlicher ausgesprochen werden müssen, als die Worte "gesetzlich oder in Tarifverträgen" zum Ausdruck bringen.

Auch die Ausführungen des Finanzamts-Vorstehers in der Rechtsbeschwerdebegründung, der Ausdruck "besondere Entlohnung" deute darauf hin, daß nicht jede tatsächliche Mehrarbeit ohne Rücksicht auf arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen unter die Steuervorschrift des § 34 a EStG falle, können den Senat nicht davon überzeugen, daß nur die arbeitsrechtlich zulässige Mehrarbeit steuerlich zu begünstigen sei. Für die steuerliche Behandlung der Entlohnung von Mehrarbeit durch überstunden war auszugehen von der vollen Besteuerung des überstundenlohnes. Als diese steuerliche Belastung die vor und während des Krieges volkswirtschaftlich erwünschte Mehrarbeit zu unterbinden drohte, wurden die Steuervergünstigungen (Freilassung des Mehrarbeitszuschlages und Steuerermäßigung für den Mehrarbeitsgrundlohn) eingeführt. Diese Vergünstigungen können wegen etwaiger nach dem Kriege eingetretener änderungen auf dem Arbeitsmarkte nicht mit dem Hinweis auf schon vorher bestehende arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen eingeschränkt werden in einem Ausmaße, das einer Aufhebung der Steuervergünstigungen zu einem erheblichen Teile gleichkommen würde. Einem solchen Wandel in der Arbeitsschutzpolitik ist nicht im Wege der Rechtsprechung, sondern im Wege der Gesetzgebung durch änderung der gesetzlichen Vorschriften Rechnung zu tragen. Dies ist auch geschehen. Durch das Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer-änderungsgesetz 1951 ist die Steuerermäßigung für den Mehrarbeitsgrundlohn weggefallen. Die Steuervergünstigung beschränkt sich auf die Steuerfreiheit für die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Mehrarbeit bei einem Jahreslohn bis zu 7.200 DM.

Hiernach ist der vom Finanzgericht getroffenen Entscheidung beizutreten und die Rechtsbeschwerde des Finanzamts-Vorstehers als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407354

BStBl III 1952, 118

BFHE 1953, 299

BFHE 56, 299

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