Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die steuerlichen Begünstigungen der Mehrarbeit nach § 34 a EStG 1949, § 32 a LStDVO 1949 sind von der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Mehrarbeit nicht abhängig.

 

Normenkette

EStG § 34a; LStDV § 32a; LStR Abschn. 52b

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betätigt sich in ..... als Hausmakler und beschäftigt eine Reihe von Angestellten. Diese haben in den Monaten Juni bis Dezember 1949 durch überstunden Mehrarbeit geleistet und hierfür Mehrarbeitslohn bezogen. Die Bfin. hat die Lohnsteuer für den ganzen Mehrarbeitslohn zum ermäßigten Steuersatz von 5 % berechnet und abgeführt. Der Lohnsteuerprüfer und ihm folgend das Finanzamt haben dies nicht anerkannt und 242 DM Lohnsteuer nachgefordert. Im Berufungsverfahren hat das Finanzgericht auf Grund anderweiter Berechnung die Nachforderung auf 270 DM erhöht. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich die Bfin. gegen die Nachforderung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Für die Besteuerung des in den Monaten Juni bis Dezember 1949 bezogenen Mehrarbeitslohnes ist die Vorschrift des § 34 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949 maßgebend, die ab 1. April 1949 in Kraft getreten ist. Der Satz 1 dieser Vorschrift lautet:

"Sind gesetzlich oder in Tarifverträgen für Dienste, die über die Dauer der gesetzlichen oder tarifmäßigen Arbeitszeit hinaus geleistet werden (Mehrarbeit), besondere Entlohnungen vorgesehen, so wird der Grundlohn mit 5 v. H. versteuert; die Zuschläge sind steuerfrei". Die hierzu ergangene Lohnsteuerdurchführungsverordnung 1949 bestimmt im § 32 a Absatz 2 die entsprechende Anwendung der Vergünstigung bei Dienstverhältnissen, die nicht an einen Tarifvertrag gebunden sind, die jedoch auf Grund besonderer Vereinbarung nach den Bestimmungen eines Tarifvertrages behandelt werden und bei denen Mehrarbeitslohn bis zu der im Tarifvertrag vorgesehenen Höhe gezahlt wird.

Die Vorinstanzen haben sowohl die unmittelbare als auch die entsprechende Anwendung der Vergünstigung abgelehnt, weil die von den Angestellten der Bfin. geleistete Mehrarbeit sich weder in Bezug auf die Arbeitszeit noch in Bezug auf die Lohnhöhe im Rahmen des zwischen der Wirtschaftsvereinigung Groß- und Außenhandel ... und der Deutschen Angestelltengewerkschaft ... bestehenden und hier maßgebenden Tarifvertrags halte. Das Finanzgericht hat jedoch eine Steuerermäßigung insoweit zugelassen, als die mehr als 48 Stunden in der Woche betragende Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers nach § 6 der Arbeitszeitordnung vom 30. April 1938 - Reichsgesetzblatt I S. 447 - an 30 Tagen im Jahre bis zu zwei Stunden täglich verlängert werden kann und im vorliegenden Falle verlängert worden ist. Demgemäß hat das Finanzgericht bei jedem der Angestellten für 60 Mehrarbeitsstunden den Steuersatz von 5 Prozent anerkannt unter Freilassung des in § 15 Absatz 2 der Arbeitszeitordnung als angemessene Vergütung bestimmten Mehrarbeitszuschlages von 25 Prozent.

Das Finanzgericht überträgt die Beschränkungen, welche die Arbeitszeitordnung im Arbeitsschutzinteresse für die Mehrarbeitszeit aufstellt, auf die Besteuerung, so daß nur die nach § 6 der Arbeitszeitordnung zugelassene Arbeitszeitverlängerung unter die Steuervergünstigung des § 34 a EStG 1949 fallen würde. Dieses Ergebnis entspricht nicht den Zwecken, die einerseits mit der Arbeitszeitordnung im Interesse des Arbeitsschutzes und andererseits mit der Steuervergünstigung des § 34 a EStG 1949 im Interesse der Arbeitsvermehrung verfolgt werden. Der Senat kann sich daher dem Finanzgericht, das den ermäßigten Steuersatz von 5 Prozent auf die in § 6 der Arbeitszeitordnung bestimmte Höchstdauer von 60 Mehrarbeitsstunden im Jahre beschränkt, nicht anschließen. Hierfür sprechen folgende Erwägungen:

Nach früherem Recht wurden besondere Entlohnungen für Dienste, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden, z. B. Entlohnungen für überstunden, voll zum Arbeitslohn gerechnet. Der Arbeitslohn wurde in der Regel nach der Lohnsteuertabelle versteuert (vgl. Lohnsteuerdurchführungsbestimmungen - LStDB - 1939 § 2 Absatz 3 Ziffer 4). Um den Mehrarbeitsverdienst wegen der Progression der Steuer nicht zu stark durch die Steuer aufzehren zu lassen, wurde derjenige Teil des Mehrarbeitslohnes, der den für die Mehrarbeit errechneten Grundlohn übersteigt, als Zuschlag abgetrennt und steuerfrei gelassen (vgl. LStDB 1948 § 2 Absatz 3 Ziffer 4). Hierbei wird der Grundlohn für jede Mehrarbeitsstunde mit 1/200 des regelmäßigen Monatslohn gerechnet. Da die Freilassung des Zuschlages von der Steuer sich nicht als eine ausreichende steuerliche Entlastung auswirkte, wurde durch den oben wiedergegebenen § 34 a EStG 1949 als weitere Vergünstigung ein ermäßigter Steuersatz von 5 Prozent für den Grundlohn der Mehrarbeit eingeführt.

Für die Art und den Umfang der Mehrarbeit ist steuerlich lediglich bestimmt, daß Dienste vorliegen, die über die Dauer der gesetzlichen oder tarifmäßigen Arbeitszeit hinaus geleistet werden. Sonst sind für die Anwendung der Steuervergünstigung keine Beschränkungen hinsichtlich der Mehrarbeit gegeben. Die Vergünstigung erstreckt sich daher auch auf solche Dienste, die über die Mehrarbeit hinausgehen, welche arbeitsrechtlich im Interesse des Arbeitsschutzes zugelassen ist. Arbeitsrechtliche Vorschriften, welche die Mehrarbeitszeit begrenzen, wie z. B. § ß 6, 7, 8 und 14 der Arbeitszeitordnung, können die Steuervergünstigung nicht einengen. Andernfalls müßten sich die Finanzbehörden mit Fragen befassen, die auf dem ihnen fremden Gebiete des Arbeitsschutzrechtes liegen. Mit dem Ausdruck "gesetzlich oder in Tarifverträgen" in der Steuervorschrift ist die gesetzliche oder tarifliche Regelung im allgemeinen gemeint und nur insoweit in den steuerlichen Tatbestand der Vergünstigung einbezogen. Damit sollte nicht gesagt sein, daß die in den gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen im einzelnen geregelte Mehrarbeitszeit für den begünstigten steuerlichen Tatbestand zu übernehmen ist. Wäre dies vom Steuergesetzgeber beabsichtigt gewesen, so hätte eine solche Angleichung deutlicher ausgesprochen und nicht mit den allgemeinen Worten "gesetzlich oder in Tarifverträgen" zum Ausdruck gebracht werden müssen.

Die im vorliegenden Falle vom Finanzgericht vorgenommene Beschränkung der Steuervergünstigung auf die in § 6 der Arbeitszeitordnung bestimmte Höchstzahl von 60 Mehrarbeitsstunden im Jahre läßt sich somit nicht aufrechterhalten. Sie ist auch insofern vom Finanzgericht willkürlich herausgegriffen, als außer in § 6 der Arbeitszeitordnung noch in den § ß 7, 8 und 14 der Arbeitszeitordnung Fälle von überstunden geregelt sind, die ebenfalls zu berücksichtigen wären.

Das finanzgerichtliche Urteil und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts werden hiernach wegen unrichtiger Rechtsanwendung in Bezug auf die steuerlich zu begünstigende Zahl der Mehrarbeitsstunden aufgehoben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Das Finanzamt wird zu prüfen haben, ob und inwieweit zu dem von der Bfin. vorgenommenen Steuerabzuge noch Lohnsteuer nachzufordern ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407339

BStBl III 1952, 117

BFHE 1953, 297

BFHE 56, 297

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