Leitsatz (amtlich)
Bei der Gesamtrechtsnachfolge sind die Voraussetzungen im Falle des § 16 Abs. 1 und § 7 Abs. 3 UStG aus der Unternehmertätigkeit des früheren Unternehmers zu entnehmen.
Normenkette
UStG 1951 §§ 44, 16 Abs. 1; UStDB 1951 §§ 12, 57 Ziff. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist ab 1. Juli 1951 alleiniger Inhaber einer Stahlwaren- und Werkzeugfabrik und betreibt neben der Herstellung von Stahlwaren und Werkzeugen auch einen Großhandel mit Waren dieses Geschäftszweiges. Dieses Unternehmen ist vorher ab 1. Januar 1948 als GmbH betrieben worden, an deren Stammkapital zunächst außer dem Stpfl. noch zwei andere Gesellschafter beteiligt waren. Alleiniger Geschäftsführer dieser GmbH war der Stpfl. Nachdem am letzten Tage des Bestehens der GmbH alle Geschäftsanteile in der Hand des Stpfl. vereinigt worden waren, übertrug die nunmehrige Einmann-GmbH durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 20. Juli 1951 mit Wirkung vom 30. Juni 1951 ihr Vermögen mit dem Recht zur Fortführung der Firma mit und ohne Nachfolgezusatz unter Übernahme der Verbindlichkeiten auf den Stpfl., der die Firma vom gleichen Tage an fortführte. Vom 1. Juli 1951 ab galten die Geschäfte der inzwischen im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöschten GmbH als für Rechnung des übernehmenden Gesellschafters geführt.
Streit besteht darüber, ob der Stpfl. für die Ausfuhr von Waren, die durch die GmbH hergestellt, vom Stpfl. aber aus Anlaß der Umwandlung der GmbH in seine Einzelfirma übernommen worden waren, Ausfuhrhändlervergütung nach § 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) beanspruchen kann. Das Finanzamt hat die beantragte Ausfuhrhändlervergütung abgelehnt, weil eine Gesamtrechtsnachfolge in die Aktiva und die Passiva vorliege, bei der umsatzsteuerlich von einer einheitlichen Unternehmertätigkeit zwischen der Einmann-GmbH und dem Einzelkaufmann auszugehen sei, so daß ein "Erwerb" im Sinne des § 16 Abs. 1 UStG nicht gegeben sei. Außerdem liege in entsprechender Anwendung des § 12 der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (UStDB) eine steuerlich schädliche Bearbeitung vor, weil der Stpfl. das Unternehmen im ganzen erworben, jedoch einzelne Warenposten veräußert habe, so daß die im Gesetz geforderte Nämlichkeit der Ware verloren gegangen sei. Die gegen die Ablehnung des Vergütungsantrags gerichtete Sprungberufung hatte Erfolg.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) begehrt der Vorsteher des Finanzamts die Aufhebung der Vorentscheidung und Ablehnung des Vergütungsantrags.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat sich die Fortführung des Gewerbebetriebs der GmbH durch den Beschwerdegegner (Bg.) durch Umwandlung des Unternehmens in den Formen des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 569) vollzogen, da eine Auflösung und Liquidation der GmbH nach dem Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht stattgefunden hat. Die Übertragung des Vermögens der Kapitalgesellschaft auf den Bg. stellt einen Fall der Gesamtrechtsnachfolge dar, die sonst noch bei der Erbfolge und bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften gegeben ist.
Da das Umsatzsteuerrecht von dem Grundsatz der persönlichen Steuerpflicht des Unternehmers, nicht des Unternehmens, beherrscht wird, hat sich hier -- auch bei Beachtung des Grundsatzes der Einheit aller Betriebe eines Unternehmers -- zwar das Steuersubjekt geändert, so daß in den Fällen, in denen es auf den Erwerb von einem anderen Unternehmer ankommt, die Voraussetzungen eines solchen "Erwerbs" vorzuliegen scheinen. Wie der Reichsfinanzhof bereits durch Urteil V A 565/36 vom 8. Januar 1937 (Slg. Bd. 40 S. 306, Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1937 S. 327) entschieden hat, ist jedoch im Falle der Gesamtrechtsnachfolge die Rechtslage anders. Es liegt im Wesen der Gesamtrechtsnachfolge, daß der Nachfolger in jeder Hinsicht in die Rechtsstellung des Vorgängers mit der Wirkung eintritt, daß die Verhältnisse des bisherigen Unternehmers zugunsten und zuungunsten des neuen Unternehmers rechnen, der die Unternehmertätigkeit des Vorgängers im gleichen Rahmen fortsetzt. Der Auffassung des Bg., daß die unterschiedliche Behandlung von Sonderrechts- und Gesamtrechtsnachfolge im Gesetz keine Stütze finde, ist entgegenzuhalten, daß z. B. § 8 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) für den Fall der Gesamtrechtsnachfolge aus dem gleichen Rechtsgedanken den Übergang der Steuerschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger vorschreibt, während im Falle der Sonderrechtsnachfolge nur in beschränktem Umfange eine Haftung des Nachfolgers in Betracht kommt (vgl. § 116 der Reichsabgabenordnung -- AO --). Wenn die Vorentscheidung darauf hinweist, daß bei der Umwandlung der Betrieb durch den Bg. zwar unverändert fortgeführt worden sei, umsatzsteuerlich aber nicht auf den Bestand des Unternehmens, sondern nach § 1 UStG nur auf die Person des Unternehmers abgestellt werden könne, so verkennt sie das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge, wie es gerade im Streitfalle deutlich in Erscheinung tritt. Die Kapitalgesellschaft, deren Hauptgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer früher schon der Bg. war, war jedenfalls im entscheidenden Zeitpunkt der Umwandlung eine Einmann-GmbH, auf dessen Gesellschafter das Vermögen einschließlich der Schulden gemäß §§ 4, 11 des Umwandlungsgesetzes mit der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses überging. Auch wenn das Steuerrecht der eigenen Rechtspersönlichkeit einer GmbH im übrigen Rechnung trägt, ist es in solchen Fällen, wie es die Vorentscheidung tut, nicht gerechtfertigt, einen besonderen Fall einer "übertragenden", nicht bloß "formwechselnden" Umwandlung anzunehmen und den Fall der Erbfolge hierzu in Gegensatz zu setzen, weil bei dieser ein Vermögen ohne Entgelt übergehe. Das Wesen der Gesamtrechtsnachfolge wird durch die Entgeltlichkeit des Übertragungsaktes nicht berührt. Das verkennt auch der Bg., der, wie auch die Vorentscheidung, die Verallgemeinerung der Grundsätze des oben angeführten Urteils, das zu § 7 Abs. 3 und 4 UStG 1934 ergangen ist, auf die hier zu entscheidende Streitfrage als mit § 81 UStDB 1938 (§ 85 UStDB 1951) in Widerspruch stehend hält. Die Frage, ob auch bei einer Gesamtrechtsnachfolge Umsatzsteuer geschuldet wird, sofern ein Leistungsaustausch gegeben ist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 190/41 vom 30. November 1944, RStBl. 1945 S. 45), liegt auf einer anderen Ebene und darf mit der hier bejahten Frage, ob im Falle der Gesamtrechtsnachfolge die umsatzsteuerlichen Verhältnisse des Rechtsnachfolgers aus der Person des Rechtsvorgängers zu beurteilen sind, nicht verquickt werden. Der erkennende Senat trägt schließlich auch kein Bedenken, die Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs V A 565/36 vom 8. Januar 1937 auf die hier streitige Frage, ob der Bg. die in das Ausland ausgeführten Waren im Inland "erworben" hat, anzuwenden. Denn genau so wie es im Falle der Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG 1934 in dem dort entschiedenen Falle der Verbindung von Einzelhandels- und Großhandelsumsätzen auf die Verhältnisse des Vorjahres beim Rechtsvorgänger ankam, der nur Einzelhandelsumsätze bewirkt hatte, führt die enge wirtschaftliche Verflechtung bei der Gesamtrechtsnachfolge im Falle der Ausfuhrhändlervergütung nach § 16 Abs. 1 UStG dazu, daß die ausgeführten Gegenstände, die der Rechtsvorgänger, der wie der Bg. im wesentlichen einen Herstellerbetrieb betreibt, erzeugt hat, vom Gesamtrechtsnachfolger unbeschadet der Steuerpflicht des Umwandlungsvorgangs als nicht erworben gelten. Die Ausfuhrhändlervergütung ist deshalb schon aus diesem Grunde zu versagen, so daß es auf die von der Rb. aufgeworfene Frage der Nämlichkeit von erworbener und ausgeführter Ware nicht mehr ankommt.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung ist deshalb die Berufung des Bg. gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamts vom 18. Januar 1952 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1953, 204 |
BFHE 1954, 532 |