Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Das deutsch-schwedische DBA vom 25. April 1928 ist auch auf solche schwedische Staatsangehörige anwendbar, die in Schweden weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Zum übergang des Besteuerungsrechts von dem Staat, dem es nach dem Abkommen zusteht, auf den anderen Staat gemäß Nr. 20 des Schlußprotokolls des DBA vom 25. April 1928 genügt nicht das Einverständnis zwischen den obersten Finanzbehörden beider Staaten.
VStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; BewG a. F. § 77 Abs. 2 Nr. 6; deutsch-schwedisches DBA vom 17. April 1959 (BGBl II 1960, 1815) Art. 28; deutsch-schwedisches DBA vom 25. April 1928 (RGBl II 1928, 522)
Normenkette
VStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; BewG § 77 Abs. 2 Nr. 6, § 121/1/6; DBA SWE Art. 28, 9 Abs. 2, Art. 10 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger, der schwedischer Staatsangehöriger ist und seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat, wurde als beschränkt steuerpflichtig auf den 1. Januar 1955 mit einem steuerpflichtigem Vermögen von 37.000 DM zu einer Jahressteuerschuld von 370 DM vorläufig zur Vermögensteuer veranlagt. Als Inlandsvermögen wurde dabei u. a. eine auf einem Berliner Grundstück eingetragene Hypothek von 20.000 DM angesetzt. Mit dem Einspruch begehrte der Kläger, diese Hypothek auf Grund des deutsch-schwedischen Doppelbesteuerungsabkommens außer Ansatz zu lassen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Dagegen war die Berufung erfolgreich. Das Verwaltungsgericht (VG) ist der Auffassung, daß die hypothekarisch gesicherte Forderung des Klägers zwar nach § 77 Abs. 2 Nr. 6 BewG a. F. zu seinem Inlandsvermögen gehöre, aber nach Art. 9 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 10 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Schweden zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung, insbesondere zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern - DBA - vom 25. April 1928 (RGBl II 1928 S. 522) im Inland nicht zur Vermögensteuer herangezogen werden könne. Das VG setzte die Vermögensteuerjahresschuld auf 157,50 DM vorläufig fest.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandeln ist (vgl. 184 FGO), macht der Beklagte geltend, auf den Kläger könne das deutsch-schwedische DBA nicht angewandt werden, weil eine Doppelbesteuerung im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik bzw. Berlin (West) und Schweden im Streitfall überhaupt nicht vorliege.
Der BdF ist nach § 287 Abs. 2 AO a. F. dem Rechtsbeschwerdeverfahren beigetreten. Er hat damit die Rechtsstellung eines Beteiligten erlangt (vgl. § 122 Abs. 2 FGO). Er erklärt, daß die Forderung des Klägers nach Mitteilung des schwedischen Finanzministeriums im streitigen Zeitraum in Schweden nicht habe besteuert werden können, weil nach schwedischem Steuerrecht keine Vermögensteuerpflicht hierfür bestehe. Schon vor Einlegung der Rechtsbeschwerde sei mit dem schwedischen Finanzministerium ein Verständigungsverfahren durchgeführt worden. Im Rahmen dieses Verfahrens sei eine Verständigung darüber erzielt worden, daß der persönliche Geltungsbereich des DBA sich grundsätzlich auch auf solche Personen erstrecke, die in beiden Staaten nur beschränkt steuerpflichtig seien. In einem weiteren, auf Grund der Nr. 20 des Schlußprotokolls zum DBA durchgeführten Verständigungsverfahren habe das schwedische Finanzministerium erklärt, daß es mit der Heranziehung der Forderung zur deutschen Vermögensteuer einverstanden sei.
Der Kläger vertritt die Auffassung, daß die Erklärung des schwedischen Finanzministeriums solange völlig belanglos sei, wie das Ergebnis des Verständigungsverfahrens in Deutschland nicht bekanntgemacht worden sei. Selbst wenn aber dieses Ergebnis bekanntgemacht wäre, könne es nicht rückwirkend angewandt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
I. -
Der Kläger hat im Geltungsbereich des GG und in Berlin (West) weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Er ist deshalb nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VStG beschränkt steuerpflichtig. Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, daß zu seinem Inlandsvermögen, mit dem er nach § 2 Abs. 2 VStG zur Vermögensteuer heranzuziehen ist, nach § 77 Abs. 2 Nr. 6 BewG a. F. auch die hier streitige Hypothek gehört. Dem VG ist auch darin zuzustimmen, daß der Kläger sich grundsätzlich auf das DBA vom 25. April 1928 (a. a. O.) berufen kann. Dieses Abkommen war nach der Bekanntmachung der Bundesregierung vom 27. Juni 1951 (BGBl II 1951 S. 151) in Kraft weiterhin anzuwenden. Es gilt auch noch an dem hier maßgebenden Stichtag vom 1. Januar 1955 (vgl. Art. 28 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern vom 17. April 1959, BGBl II 1960 S. 1815). Das DBA ist auf den Kläger anwendbar, weil er die schwedische Staatsangehörigkeit besitzt. Entgegen der Auffassung des BdF und des FA ist es nicht erforderlich, daß er in Schweden auch seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das ergibt sich eindeutig aus der Vorschrift des Art. 10 Abs. 3 Satz 3 DBA, in der bei Fehlen eines Wohnsitzes und eines gewöhnlichen Aufenthaltes in beiden Staaten auf die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen abgestellt wird.
Nach Art. 9 Nr. 2 DBA wird die Vermögensteuer für hypothekarisch gesicherte Forderungen in dem Staat erhoben, in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat. Der Kläger hat weder im Geltungsbereich des GG oder in Berlin (West) noch in Schweden einen Wohnsitz. Er hat auch in beiden Staaten keinen dauernden Aufenthalt im Sinne des Art. 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 DBA. Für diesen Fall bestimmt Art. 10 Abs. 3 Satz 3 DBA, daß ein Wohnsitz in dem Staat angenommen wird, dessen Staatsangehörigkeit der Steuerpflichtige besitzt. Da der Kläger schwedischer Staatsangehöriger ist, steht das Besteuerungsrecht für die streitige Hypothek nach diesen Vorschriften grundsätzlich Schweden zu. Sie konnte deshalb im Inland nicht zur Besteuerung herangezogen werden, und zwar unabhängig davon, ob Schweden von seinem Besteuerungsrecht tatsächlichen Gebrauch gemacht hatte (sog. Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung, vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 206/39 vom 29. Februar 1940, RStBl 1940, 532).
II. - Die Rechtslage hat sich auch nicht dadurch geändert, daß nach Mitteilung des BdF das schwedische Finanzministerium in einem Verständigungsverfahren erklärt hat, es sei mit der Heranziehung der Hypothek des Klägers zur deutschen Vermögensteuer einverstanden. Das Verständigungsverfahren wurde auf Grund der Nr. 20 des Schlußprotokolls zum DBA eingeleitet. Diese Nummer hat folgenden Wortlaut:
"Gegenstände, die nach den Grundsätzen dieses Abkommens der beschränkten Steuerpflicht in dem einen Staat unterliegen, aber nach der inneren Gesetzgebung dieses Staates allgemein von der Besteuerung freigelassen werden, können im Einvernehmen mit diesem Staate von dem anderen zur Steuer herangezogen werden."
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung für Einzelfälle anwendbar ist. Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob sie Fälle betrifft, in denen ein Steuerpflichtiger in beiden Staaten nur beschränkt steuerpflichtig ist. Denn der übergang des Besteuerungsrechts von dem Staat, dem es nach dem Abkommen zusteht, auf den anderen Staat, setzt nach dem klaren Wortlaut das Einvernehmen "mit diesem Staate" voraus. Anders als in Nr. 1 Satz 2, Nr. 7, Nr. 14 Satz 3, Nr. 15 Satz 1 des Schlußprotokolls ist nicht von dem Einverständnis oder von Vereinbarungen zwischen "den obersten Finanzbehörden beider Staaten" die Rede. Es muß entgegen der Auffassung des BdF davon ausgegangen werden, daß der abweichende Wortlaut in Nr. 20 des Schlußprotokolls bewußt gewählt worden ist. Deshalb reicht nach Auffassung des Senats das Einvernehmen zwischen den obersten Finanzbehörden beider Staaten nicht aus, das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Hypothek des Klägers auf die Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) übergehen zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 412664 |
BStBl III 1967, 588 |
BFHE 1967, 138 |
BFHE 89, 138 |