Entscheidungsstichwort (Thema)
Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG: Dauer der wesentlichen Beteiligung, Tausch von Anteilen, wirtschaftliches Eigentum
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des § 17 EStG kommt es nicht darauf an, wie lange dem Steuerpflichtigen eine wesentliche Beteiligung zuzurechnen war.
Orientierungssatz
1. Veräußerung i.S. des § 17 Abs. 1 und 2 EStG ist auch der Tausch z.B. die Hingabe (Einlage) von Anteilen an einer GmbH gegen den Erwerb von Anteilen an einer anderen GmbH (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Der Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs 2. EStG ist im Falle des Tausches von Anteilen im Privatvermögen der Betrag, um den der Wert der erlangten Geschäftsanteile die Anschaffungskosten der hingetauschten Anteile übersteigt (vgl. BFH-Rechtsprechung).
3. Auch im Rahmen des § 17 Abs. 1 EStG kommt es darauf an, ob der Steuerpflichtige an der GmbH nicht nur formal zivilrechtlich, sondern zugleich tatsächlich (wirtschaftlich) zu mehr als 1/4 beteiligt war. Für die Entstehung des Veräußerungsgewinns kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem das rechtliche oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Dieser Zeitpunkt stimmt überein mit dem Zeitpunkt des Verlustes des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums beim Veräußerer.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 1; EStG § 17 Abs. 1-2; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist die Versteuerung eines Veräußerungsgewinns gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Die Eltern der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) waren an der J-GmbH beteiligt. Mit notariellem Vertrag vom 13.Juni 1977 übertrugen der Vater einen Geschäftsanteil von 72 000 DM (18 v.H.) und die Mutter ihren Geschäftsanteil von 52 000 DM (13 v.H.) unentgeltlich auf die Klägerin. Das Gewinnbezugsrecht sollte mit dem Tage des Vertragsschlusses übergehen.
Mit notariellem Vertrag vom selben Tage wurde die Z-GmbH gegründet, an der sich u.a. die Klägerin mit einem Geschäftsanteil von 381 300 DM beteiligte. Einen Teil ihrer Stammeinlage erbrachte die Klägerin durch Einbringung ihrer Stammeinlage an der J-GmbH von nominell 124 000 DM. Nach der Anlage III zum notariellen Vertrag --Tabelle B-- wurde der reale Wert dieser Beteiligung mit 330 460 DM angenommen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah mit der Einbringung der Geschäftsanteile an der J-GmbH in die Z-GmbH den Tatbestand des § 17 EStG als erfüllt an. Es errechnete einen Veräußerungsgewinn von 308 951 DM (Einbringungswert 330 460 DM ./. Anschaffungskosten der Eltern in Höhe von 21 509 DM), den es gemäß § 34 EStG zur Einkommensteuer heranzog.
Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage. Zur Begründung trugen sie u.a. vor:
Es sei nicht beabsichtigt gewesen, die Klägerin am Stammkapital der J-GmbH zu beteiligen. Ziel sei gewesen, diese Beteiligung unter Aufdeckung der stillen Reserven in die neue Z-GmbH einzubringen und die Klägerin daran zu beteiligen. Die Eltern der Klägerin hätten die Abtretung der Geschäftsanteile an der J-GmbH widerrufen können, wenn die Klägerin die Anteile nicht sofort in die neu gegründete Z-GmbH eingelegt hätte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, das Urteil des FG sowie den geänderten Einkommensteuerbescheid 1977 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 16.März 1981 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat allerdings dem Grunde nach zu Recht einen Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs.1 und 2 EStG bejaht.
Die Klägerin war an der J-GmbH zu mehr als 1/4 beteiligt (§ 17 Abs.1 Satz 3 EStG). Sie hat aufgrund des notariellen Vertrages vom 13.Juni 1977 31 v.H. der Geschäftsanteile der J-GmbH zivilrechtlich wirksam erworben (§ 15 Abs.3 des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--; § 164 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Übertragung von den Vertragsparteien nicht gewollt war (§§ 116, 117 BGB). Der Umstand, daß es den Eltern der Klägerin letztlich darum ging, ihrer Tochter die Beteiligung an der neu gegründeten Z-GmbH zu verschaffen, kann nicht dazu führen, die Übertragung der Geschäftsanteile an der J-GmbH als wirkungslos zu betrachten. Das hieße auch, den Erwerb der Geschäftsanteile der neuen Z-GmbH durch die Eltern und deren anschließende Übertragung auf die Klägerin zu fingieren. Dies ist jedoch nicht möglich. Es handelt sich jeweils um ganz verschiedene Rechtsgeschäfte. Die Übertragung der Anteile an der neuen Z-GmbH auf die Klägerin hätte der notariellen Form bedurft (§ 15 Abs.3 GmbHG). Der von der Revision angenommene Erwerb der Anteile an der neuen Z-GmbH durch die Eltern wäre zudem ein Rechtsgeschäft mit außenstehenden Dritten; nach der von der Klägerin behaupteten Gestaltung hätten die übrigen Gesellschafter der Z-GmbH nicht mit ihr, sondern mit ihren Eltern einen Gesellschaftsvertrag (§ 2 Abs.1 GmbHG) geschlossen, d.h., der notariell beurkundete Vertrag wäre inhaltlich falsch. Auch dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
Die Geschäftsanteile an der J-GmbH sind der Klägerin auch steuerrechtlich zuzuordnen (§ 39 der Abgabenordnung --AO 1977). Entgegen der Auffassung des FG wäre das nicht möglich, wenn die Klägerin nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Geschäftsanteile geworden wäre (vgl. § 39 Abs.2 Nr.1 AO 1977). D.h., auch im Rahmen des § 17 Abs.1 EStG kommt es darauf an, ob der Steuerpflichtige an der GmbH nicht nur formal zivilrechtlich, sondern zugleich tatsächlich (wirtschaftlich) zu mehr als 1/4 beteiligt war (vgl. zum wirtschaftlichen Eigentum i.V.m. § 17 EStG Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.September 1984 VIII R 119/81, BFHE 142, 130, BStBl II 1985, 55; vom 10.Juli 1991 VIII R 16/90, BFH/NV 1992, 223).
Das ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision auch aus dem BFH-Urteil vom 30.Juni 1983 IV R 113/81 (BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640). Danach kommt es für die Entstehung des Veräußerungsgewinns auf den Zeitpunkt an, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Dieser Zeitpunkt stimmt überein mit dem Zeitpunkt des Verlustes des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums beim Veräußerer. Für die Übertragung (Veräußerung) kommt es also darauf an, bis zu welchem Zeitpunkt dem Steuerpflichtigen das wirtschaftliche Eigentum an dem veräußerten Gegenstand zuzurechnen ist.
Grundsätzlich folgt die steuerrechtliche Zuordnung der zivilrechtlichen Zuordnung (§ 39 Abs.1 AO 1977). So ist es auch im Streitfall. Die von der Klägerin behauptete Verpflichtung (die sich aus dem notariellen Übertragungsvertrag allerdings nicht ergibt), die schenkweise übertragenen Anteile an der J-GmbH in die neue Z-GmbH einzulegen, hinderte den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums bei der Klägerin nicht.
Zunächst kommt es im Rahmen des § 39 Abs.2 Nr.1 AO 1977 nicht auf die Beschränkungen der Verfügungsmacht der erwerbenden Klägerin sondern auf die den Eltern verbliebene Verfügungsmacht an. Um deren wirtschaftliches Eigentum an den Geschäftsanteilen bejahen zu können, müßte auch nach der zivilrechtlichen Übertragung die tatsächliche Herrschaft über die Anteile bei ihnen verblieben sein. Dafür fehlen die Voraussetzungen. Der Übertragungsvertrag räumt ihnen weder die Verfügungsmacht über die Anteile noch die Möglichkeit ein, die Übertragung rückgängig zu machen. Auch die alsbaldige Einlage der Anteile in die Z-GmbH mag zwar den Vorstellungen der Eltern und einer Auflage bei der Schenkung entsprochen haben. Der wirtschaftliche Erfolg dieser Auflage traf aber allein die Klägerin; die Eltern handelten nach der Übertragung nicht in Ausübung eigener Verfügungsmacht über die Anteile, sondern für Rechnung der Klägerin (vgl. auch BFH- Urteil vom 27.September 1988 VIII R 193/83, BFHE 154, 525, BStBl II 1989, 414).
Dem Erwerb der Geschäftsanteile an der J-GmbH steht auch § 42 AO 1977 nicht im Wege. Diese Vorschrift greift grundsätzlich nur dann, wenn Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts zur Umgehung von Steuergesetzen (zur Steuerminderung) mißbraucht werden. Davon kann hier nicht die Rede sein.
Der Erwerb der Anteile an der J-GmbH ist im Rahmen des § 17 Abs.1 EStG zu berücksichtigen, obwohl die Klägerin die Anteile bereits am selben Tage wieder veräußert hat. Im Rahmen des § 17 EStG kommt es allein darauf an, ob der Steuerpflichtige innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung zu mehr als 1/4 an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Sind ihm innerhalb dieses Zeitraums steuerrechtlich (§ 39 AO 1977) Anteile in diesem Umfang zuzurechnen, kommt es darüber hinaus nicht darauf an, für welchen Zeitraum diese Zurechnung erfolgt. Etwas gegenteiliges ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. auch BFH- Urteile vom 10.Dezember 1969 I R 43/67, BFHE 98, 30, BStBl II 1970, 310; vom 5.Oktober 1976 VIII R 38/72, BFHE 120, 471, BStBl II 1977, 198; vom 20.Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.August 1988 XII K 297/88, rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 62).
2. Die Klägerin hat ihre Anteile an der J-GmbH auch i.S. des § 17 Abs.1 und 2 EStG veräußert. Veräußerung in diesem Sinne ist auch der Tausch, z.B. die Hingabe (Einlage) von Anteilen an einer GmbH gegen den Erwerb von Anteilen an einer anderen GmbH (vgl. für den Tausch von Aktien BFH-Urteil vom 17.Oktober 1974 IV R 223/72, BFHE 113, 456, BStBl II 1975, 58; zum Tausch von GmbH-Anteilen gegen Aktien BFH-Urteil vom 28.März 1979 I R 194/78, BFHE 128, 499, BStBl II 1979, 774). Die Klägerin hat den Tatbestand des § 17 Abs.1 EStG verwirklicht, indem sie ihre Anteile an der J-GmbH als Sacheinlage (§ 5 Abs.4 GmbHG) in die neue Z-GmbH eingebracht und dafür Anteile an der Z-GmbH erworben hat.
3. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen, weil das FG keine Feststellungen zum Wert der von der Klägerin übernommenen Anteile an der Z-GmbH getroffen hat.
Der Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs.2 EStG ist im Falle des Tausches von Anteilen im Privatvermögen --so im Streitfall-- der Betrag, um den der Wert der erlangten Geschäftsanteile die Anschaffungskosten der hingetauschten Anteile übersteigt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 113, 456, BStBl II 1975, 58 zu II.; BFH- Urteil in BFHE 128, 499, BStBl II 1979, 774 zu 1. a). Da die Klägerin die Anteile an der J-GmbH von ihren Eltern unentgeltlich erlangt hat, sind deren Anschaffungskosten maßgeblich (§ 17 Abs.2 Satz 2 EStG). Hinsichtlich des Ansatzes der Anschaffungskosten besteht zwischen den Beteiligten kein Streit; Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
Das FG hat als Veräußerungspreis den Wert der eingelegten Anteile an der J-GmbH zugrunde gelegt. Dieser Wert ist aber nur dann der Berechnung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs.2 EStG zugrunde zu legen, wenn sich der hingetauschte GmbH- Anteil im Betriebsvermögen befindet (vgl. BFH-Urteile vom 27.Mai 1970 IV R 222/69, BFHE 99, 474, 477, BStBl II 1970, 743, und vom 14.Dezember 1982 VIII R 53/81, BFHE 137, 339, BStBl II 1983, 303 zu 1. a).
Der Senat kann als Revisionsgericht den Wert der Anteile an der Z-GmbH nicht selbst ermitteln (§ 118 Abs.2 FGO). Zur Nachholung dieser Feststellungen war die Sache daher an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64346 |
BStBl II 1993, 331 |
BFHE 169, 49 |
BFHE 1993, 49 |
BB 1993, 714 |
BB 1993, 714-715 (LT) |
DB 1992, 2474-2475 (LT) |
DStR 1992, 1720 (KT) |
DStZ 1993, 118 (KT) |
HFR 1993, 111 (LT) |
StE 1992, 657 (K) |