Leitsatz (amtlich)
Arbeitsvergütungen für im Unternehmen mitarbeitende erwachsene Kinder dürfen steuerrechtlich nur insoweit berücksichtigt werden, als sie auf klaren und eindeutigen Vereinbarungen beruhen, die zu Beginn des Zeitraums, für den die Vergütungen gezahlt werden sollen, getroffen wurden. Die im Grundsatzurteil des Senats IV 303/58 S vom 8. Februar 1962 (BFH 75, 394, BStBl III 1962, 412) entwickelten Grundsätze werden, soweit sie damit in Widerspruch stehen, aufgegeben.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1; StAnpG § 1 Abs. 2-3
Tatbestand
Im Revisionsverfahren, das nur noch die einheitliche Gewinnfeststellung 1961 betrifft, ist streitig, ob die OHG in der Bilanz vom 31. Dezember 1961 für Gehalts- und Tantiemeverpflichtungen eine Rückstellung von 153 546,72 DM vornehmen durfte.
Die Revisionskläger, nämlich der Gesellschafter W. Sch. und seine Schwiegermutter, die Gesellschafterin K. H., waren im Streitjahr 1961 die alleinigen Gesellschafter der OHG X., die ein Fuhrunternehmen betrieb. Nach § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 7. März 1962 war jeder der beiden Gesellschafter zur Vertretung und Geschäftsführung befugt; schwerwiegende Entscheidungen bedurften der Zustimmung beider Gesellschafter. W. Sch. war zu 60 v. H. und K. H. zu 40 v. H. am Verlust und Gewinn beteiligt. Mit der Tochter der K. H., der Ehefrau des W. Sch. (T.), die seit 1948 im Unternehmen mitarbeitete, schloß die OHG am 1. Mai 1957 einen Arbeitsvertrag, wonach T. als Prokuristin die geschäftliche Leitung, soweit sie nicht durch W. Sch., also ihren Ehemann, ausgeübt werde, obliege und sie für ihre Tätigkeit ab 1. Januar 1956 ein monatliches Gehalt von 800 DM und darüber hinaus ab 1957 eine Tantieme erhalte, die sich nach dem Reingewinn richte und jährlich neu bemessen werde, jedoch 5 v. H. des Reingewinns nicht unterschreiten solle.
T. erhielt in den Jahren 1958 bis 1961 rund 15 000 DM jährlich (das FG gab 14 400 DM ohne soziale Zuwendungen wie Weihnachtsgeld an) an laufendem Gehalt. Schon länger bestehende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern führten im Jahr 1962 dazu, daß K. H. gegen W. Sch. eine Auflösungsklage gemäß § 133 HGB erhob, die durch einen Vergleich endete und am 29. November 1962 zu einem neuen Gesellschaftsvertrag führte, durch den T. als Gesellschafterin aufgenommen wurde. Im Schreiben vom 27. Oktober 1962 teilte K. H. ihrer Tochter (T) mit, daß sie nunmehr, da W. Sch. an der für den 8. Oktober 1962 einberufenen Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen habe, von sich aus auf Grund des § 4 des Gesellschaftsvertrages die Tantiemen ab 1958 auf 30 v. H. des Reingewinns der OHG und das Gehalt ab 1. Januar 1961 auf monatlich 2 000 DM festsetze. Dieser Regelung stimmte W. Sch. am 26. November 1962 zu. In der am 10. Dezember 1962 beim Revisionsbeklagten (FA) eingereichten Bilanz vom 31. Dezember 1961 war diesen Erklärungen der Gesellschafter entsprechend eine Rückstellung für Tantiemeverpflichtungen gegenüber T. in Höhe von 161 616 DM und für eine Gehaltsnachzahlung für 1961 von 9 600 DM enthalten. Das FA erkannte die Rückstellung nur insoweit an, als Tantiemen von 5 v. H. der Reingewinne zusammen mit den vereinbarten Gehältern von jährlich 9 600 DM höher als die tatsächlich gezahlten Gehälter waren.
Das FA führte in seiner den Einspruch zurückweisenden Entscheidung im wesentlichen folgendes aus. Die passivierten Verbindlichkeiten seien der Höhe und dem Grunde nach erst nach dem Bilanzstichtag entstanden. Es sei davon auszugehen, daß die Gehaltsforderungen der T. bis 1961 durch die tatsächlichen Gehaltszahlungen von 15 000 DM jährlich befriedigt worden seien. Es fehle an irgendwelchen Unterlagen, die auf eine Vereinbarung höherer Forderungen der T. hinweisen könnten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß die tatsächlichen Zahlungen in etwa dem vereinbarten Gehalt von jährlich 9 600 DM zuzüglich einer jährlich festzusetzenden Tantieme von etwa 5. v. H. des Reingewinns entsprochen hätten.
Ihre Klage begründeten die Gesellschafter W. Sch. und K. H. im wesentlichen wie folgt. Bereits am Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1961 hätten Ansprüche der T. auf angemessene Gehalts- und Tantiemeerhöhungen bestanden. Die Ansprüche seien nur formell durch die Zusage vom 27. Oktober 1962 anerkannt worden. Das FA habe nicht berücksichtigt, daß lediglich die Meinungsverschiedenheiten unter den Gesellschaftern eine frühere angemessene Regelung der Arbeitsbedingungen verhindert hätten, die der Zustimmung beider Gesellschafter bedurft hätte. Da T. seit 1958 die Geschäfte der OHG allein geführt habe, habe sie sowohl nach dem Arbeitsvertrag vom 1. Mai 1957 als auch auf Grund ihrer Tätigkeit Anspruch auf eine angemessene Vergütung gehabt.
Das FG wies die Klage ab und stimmte im wesentlichen dem FA mit folgenden Ausführungen zu. Am Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1961 habe noch keine Verpflichtung bestanden, die Nachzahlungen an Gehalt und Tantieme zu entrichten. Sie seien erst durch das Schreiben der K. H. vom 27. Oktober 1962 und durch die Zustimmung des W. Sch. begründet worden. Es sei lediglich zuzugeben, daß der Arbeitsvertrag vom 1. Mai 1957 auch eine höhere Tantieme und damit höhere Gesamtbezüge zugelassen hätte. Daß eine Neuregelung des Arbeitsverhältnisses und eine Nachzahlung schon am Bilanzstichtag vom 31. Dezember 1961 wenigstens mündlich vereinbart worden seien, habe nicht substantiiert dargelegt werden können. Die Gesellschafter hätten auch in keiner der vorhergehenden Bilanzen irgendwelche Rückstellungen oder Verbindlichkeiten gegenüber der T. aus dem Arbeitsverhältnis ausgewiesen.
In ihrer Revisionsbegründung halten die Gesellschafter daran fest, daß die in der Zusage vom 27. Oktober 1962 konkretisierten Verpflichtungen gegenüber der T. dem Grunde nach bereits am 31. Dezember 1961 bestanden und die Höhe einer Rückstellung von 153 546,72 DM notwendig gemacht hätten. Der Arbeitsvertrag vom 1. Mai 1957 habe nicht vorgesehen, daß der Gesellschafter W. Sch. sich an der geschäftlichen Leitung überhaupt nicht mehr beteiligen würde. W. Sch. habe sich zu Unrecht ab 1958 einer höheren Bemessung der jährlichen Tantiemen widersetzt. Die Rückstellung rechtfertige sich auch aus dem Urteil des BFH IV 303/58 S vom 8. Februar 1962 (BFH 75, 394, BStBl III 1962, 412). Danach könne eine Gehalts- und Tantiemenachzahlung bis zur Höhe des Angemessenen geleistet und in der Bilanz des abgelaufenen Wirtschaftsjahres zurückgestellt werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Es ist richtig, daß T. nach dem Arbeitsvertrag vom 1. Mai 1957 einen Anspruch auf eine vom Reingewinn abhängige Tantieme besaß, die 5 v. H. nicht unterschreiten sollte. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob T. im Rahmen des Angemessenen nach Ablauf des Jahres 1961 eine Gehaltserhöhung und jeweils nach Ablauf der Jahre 1958 bis 1961 auch Tantiemeforderungen hätte geltend machen können, die zusammen mit den vereinbarten jährlichen Gehaltszahlungen vom 9 600 DM die tatsächlichen Bezüge von rund 15 000 DM jährlich überstiegen. Denn für die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses zwischen der T. einerseits und ihrer Mutter und ihrem Ehemann andererseits gelten uneingeschränkt die Grundsätze, die die Rechtsprechung für die Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen entwickelt hat. Solche Vereinbarungen werden nur insoweit der Besteuerung zugrunde gelegt, als sie eindeutig und klar sind und Gehaltsansprüche auf der Grundlage der zu Beginn des Arbeitsverhältnisses oder bei Änderungen während des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft getroffenen Arbeitsvereinbarungen ziffernmäßig berechnet werden können. Unklarheiten gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Der Grund für diesen den Personenkreis der nahen Angehörigen betreffenden Beurteilungsmaßstab ist darin zu finden, daß Vermögensbewegungen, die unter Fremden in der Regel nicht unentgeltlich sind, bei nahen Angehörigen die unterschiedlichsten Ursachen haben können. Zwar werden auch unter diesen Personen entgeltliche Verträge der verschiedensten Art, so auch Arbeitsverträge, geschlossen. Sehr häufig beruhen indessen unentgeltliche Zuwendungen an nahe Angehörige auf familiären Erwägungen (z. B. vorweggenommene Erbfolgen), die steuerlich anders beurteilt werden als entgeltliche Vermögensverlagerungen. Deshalb kann der allgemeine Erfahrungssatz, daß im Wirtschaftsleben in der Regel eine Leistung nicht ohne Gegenleistung erbracht wird, bei der Wertung der zwischen nahen Angehörigen geschlossenen Vereinbarungen keine entscheidende Bedeutung haben mit der Folge, daß nicht ohne sorgfältige Prüfung davon ausgegangen werden kann, eine Zahlung beruhe auf einer angemessenen Gegenleistung des Empfängers.
Es muß den Gesellschaftern zugestanden werden, daß diese Grundsätze mit der Entscheidung des Senats IV 303/58 S nicht in Einklang stehen. Denn nach dieser Entscheidung soll die für nahe Angehörige, z. B. für Ehegatten, entwickelte Rechtsprechung über die Anerkennung von sich steuerlich auswirkenden Vereinbarungen nicht auf Arbeitsverhältnisse mit erwachsenen Kindern anwendbar sein, so daß Gehaltserhöhungen im Rahmen des Angemessenen auch noch nach Ablauf des Wirtschaftsjahres mit Wirkung für dieses Wirtschaftsjahr vereinbart werden dürften. An dieser Entscheidung hält der Senat nicht fest. Er gibt die dort entwickelten Grundsätze auf. Die Frage, ob unter Umständen für wirtschaftliche Beziehungen zwischen Ehegatten einerseits und zwischen Eltern und volljährigen Kindern andererseits unterschiedliche Grundsätze gelten können, bedarf in diesem Verfahren keiner abschließenden Klärung. Es ist denkbar, daß nicht in jeder Hinsicht vertragliche Beziehungen zwischen Ehegatten und solche zwischen Eltern und volljährigen Kindern nach denselben Maßstäben zu beurteilen sind. Für die steuerlichen Anforderungen an die Anerkennung von Arbeitsverhältnissen gilt das jedenfalls nicht. Wird somit eine Vereinbarung zwischen nahen Angehörigen nur dann steuerlich anerkannt, wenn sie vor Beginn des Leistungsaustauschs klar und eindeutig getroffen ist und sich aus ihr auch die Höhe der Vergütungen ziffernmäßig feststellen läßt, so kann die begehrte Rückstellung im vorliegenden Fall nicht anerkannt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 413334 |
BStBl II 1972, 944 |
BFHE 1973, 35 |
NJW 1973, 640 |