Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat eine AG das ihr gehörige volle Grundkapital an einer KG a. A. ihrem beherrschenden Hauptaktionär, der mit 10 v. H. als persönlich haftender Gesellschafter an der KG a. A. beteiligt war, zu dem vorläufigen Höchstwert nach § 22 Abs. 2 DMBG veräußert und erhöht die AG später auf Grund des 3. DMBEG vom 21. Juni 1955 rückwirkend den Wert ihrer Beteiligung an der KG a. A. wesentlich, so liegt darin eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn ein gleich günstiger Veräußerungspreis einem gesellschaftsfremden Dritten nicht gewährt worden wäre.
Normenkette
KStG § 6 S. 2; DMBG § 22 Abs. 2; 3-DMBEG 1; 3-DMBEG 4/3; 3-DMBEG 5/3; 3-DMBEG 12/11
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bfin. im Jahre 1950 durch die Veräußerung ihres Kommanditgrundkapitals einer KG a. A. an ihren eigenen beherrschenden Hauptaktionär eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 6 Satz 2 KStG 1950 vorgenommen hat und welche Bedeutung dabei der erst im Oktober 1955 auf Grund des Dritten D-Markbilanzergänzungsgesetzes (3. DMBEG) erfolgten Heraufsetzung des DM-Bilanzwertes der Beteiligung zukommt.
Die Bfin. war am 21. Juni 1948 alleinige Kommanditaktionärin der Firma M. KG a. A. Der persönlich haftende Gesellschafter war mit 10 v. H. an der KG. a. A. beteiligt. Die Aktien waren an der Börse nicht notiert. Die Bfin. bewertete sie in der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) nach § 22 Abs. 2 DMBG mit einem vorläufigen Wert von 250.000 DM, der im Jahre 1951 auf 540.000 DM umgestellt wurde. Im März 1950 veräußerte die Bfin. ihre Kommanditbeteiligung zum Buchwert von 250.000 DM (62,5 v. H. des Nennwerts von 400.000 RM) an ihre Hauptaktionärin zu 76 v. H., die Firma F. Im Oktober 1955 berichtigte die Bfin. auf Grund der §§ 4 Abs. 3 und 5 Abs. 3 des 3. DMBEG vom 21. Juni 1955 in ihrer steuerlichen DMEB den vorläufigen Wertansatz ihrer Beteiligung an der Firma M. auf den Substanzwert der Kommanditaktien von 647.548,60 DM. Die Bfin. beantragte, den Unterschied zwischen dem berichtigten DMEB-Wert von (abgerundet) 647.500 DM und 250.000 DM (= Verkaufspreis der Aktien), das sind 397.500 DM, gewinnmindernd zu berücksichtigen. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag, rechnete jedoch außerhalb der Bilanz dem Gewinn der Bfin. für 1950 diesen Veräußerungsverlust als verdeckte Gewinnausschüttung hinzu.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg, die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht nahm eine geringere verdeckte Gewinnausschüttung an als das Finanzamt. Weder der vereinbarte Kaufpreis von 250.000 DM noch der Substanzwert von 647.500 DM auf Grund des 3. DMBEG könne als angemessener Kaufpreis im Zeitpunkt der Veräußerung der Kommanditbeteiligung angesehen werden. Eine Bewertung durch rückschauende Betrachtung sei nicht zulässig. Ausschlaggebend sei, ob die Bfin. nicht Ende 1949 / Anfang 1950 von einem gesellschaftsfremden Erwerber einen höheren Kaufpreis als 250.000 DM erzielt bzw. die Beteiligung an einen solchen Interessenten überhaupt zu diesem Preis veräußert hätte. Nach Auffassung des Finanzgerichts war der zeitlich nach dem Verkauf vorgenommene Wertansatz der Beteiligung von 250 000 DM in der DMEB so gewählt worden, um weder Gewinn noch Verlust als Folge des Verkaufs der Beteiligung auszuweisen. Die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 2 DMBG habe wegen verschiedener damals den Wert stark beeinflussender Umstände - zwei Währungsgebiete in Deutschland, ungeklärte staats- und völkerrechtliche Situation, beabsichtigter Lastenausgleich - den Steuerpflichtigen eine sehr vorsichtige Bewertung gestattet. Beim Erlaß des 3. DMBEG vom 21. Juni 1955 sei jedoch ein Teil dieser Probleme geklärt gewesen, so daß endgültige (höhere) Wertansätze, insbesondere für Beteiligungen, zugelassen worden seien. In erster Linie sei dies zur Vermeidung überhöhter Veräußerungsgewinne aus zwischenzeitlicher Veräußerung geschehen. Dadurch habe der Kapitalmarkt flüssiger gemacht werden sollen, der vorher durch die außerordentlich hohen Körperschaftsteuer- und Einkommensteuersätze auf die Veräußerung niedrig bewerteter Beteiligungen zu normalen Verkaufspreisen darniederlag. Die Vorinstanz kam zu der Schlußfolgerung, daß die Bfin. damals ohne Not ihre Hauptbeteiligung an der M., einer völlig intakten und gut gehenden Unternehmung, einem gesellschaftsfremden Dritten nicht zu einem Bruchteil des Substanzwerts verkauft hätte. Andererseits hätte wohl bei der damaligen Ungewißheit über den künftigen wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesrepublik ein gesellschaftsfremder Dritter beträchtliche Abstriche vom Substanzwert der Beteiligung gemacht. Das Finanzgericht hielt unter Berücksichtigung aller Umstände einen Verkaufspreis von 400 000 DM für angemessen. Dabei stützte sich die Vorinstanz auf den von der Bfin. in der Handelsbilanz zum 20. Juni 1948 gewählten Ansatz von 400 000 RM für die Beteiligung. Es seien keine Umstände festzustellen, weshalb am 21. Juni 1948 nicht mindestens der gleiche Wert in DM zuträfe. Der Zwang zur niedrigeren Bewertung in der DMEB nach § 22 Abs. 2 DMBG stehe dem nicht entgegen. Das Vermögen der M. mit Besitzposten von 727 000 DM habe damals zu fast 95 v. H. aus Grundstücken, Maschinen, Geschäftsausstattung und Waren bestanden, denen noch keine 8.000 DM Schulden gegenübergestanden hätten. Ein solches Unternehmen verkaufe man nicht ohne Not zu einem Schleuderpreis. In den 1 1/2 Jahren zwischen der RM-Schlußbilanz (RMSB) und dem Veräußerungstag hätten sich zudem Vermögen und Gewinn der M. sehr stark erhöht, wodurch die fortbestehenden allgemeinen Unsicherheitsfaktoren mindestens ausgeglichen worden seien. Wenn die Firma F. nach Beendigung der Gewinnjahre der M. die Beteiligung noch für 440 000 DM weiterverkaufen konnte, so sei sie 1950 mindestens 400.000 DM wert gewesen. Die Vorinstanz lehnte es ab, den Durchschnittskurs notierten Aktien als Anhaltspunkt für eine zutreffende Bewertung zugrunde zu legen oder einen Notverkauf der Bfin. anzunehmen. Ebensowenig könne aus der damals erforderlichen Zustimmung der Treuhandverwaltung im Auftrag der North-German-Iron and Steel Control zum Verkauf ein Schluß auf die Angemessenheit des Kaufpreises gezogen werden. Die Vorinstanz ermäßigte demnach die vom Finanzamt angenommene verdeckte Gewinnausschüttung von 397.500 DM auf 150.000 DM.
Mit der Rb. wird beantragt, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1950 ohne Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung festzusetzen.
Die Beteiligten hätten schon nach den zur Zeit des Verkaufs bestehenden Kenntnissen der Beteiligten über Vermögen und Ertragsaussichten der M., über die wirtschaftliche Entwicklung und den Lastenausgleich sowie über das allgemeine Wertniveau von Beteiligungen zu keinem höheren als dem vereinbarten Betrag gelangen können. Zahlreiche weitere Umstände sprächen nach dem Gesamtbild dieses besonders gelagerten Falles gegen eine höhere Bewertung: Es handle sich um besonders schwer veräußerliche Aktien einer KG a. A. mit einem auf Lebenszeit beteiligten Komplementär. Die Bfin. habe sich zunächst vergeblich um einen anderen Käufer bemüht. Der Verkauf sei durch Liquiditätsmangel erzwungen worden. Vorstand und Aufsichtsrat hätten im Fall einer verdeckten Gewinnausschüttung ihre Sorgfaltspflicht gegenüber den Minderheitsaktionären verletzt. Die Treuhandverwaltung habe die Angemessenheit des Preises geprüft und bestätigt. Der Kaufpreis von 250 000 DM sei eher zu hoch als zu niedrig gewesen. Die Auffassung, daß es sich hier nur um eine in der Rb. unzulässige Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse auf Grund vorangegangener Schätzungen des angemessenen Kaufpreises handle, sei unrichtig, wenn die Schätzung wie hier gegen das geltende Recht oder den klaren Inhalt der Akten verstoße oder in sich selbst an wesentlichen Mängeln leide.
Der Bg. beantragt, die Rb. als unbegründet zurückzuweisen. Das Finanzgericht habe zu seiner Schätzung kommen können, ob es dazu kommen mußte, brauche in der Rb. nicht geprüft zu werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Die Bfin. hebt mit Recht hervor, daß es schwierig, ja fast unmöglich ist, einen Substanzwert für die Beteiligung als Ausgangspunkt der Gewinnermittlung 1950 zu bestimmen. Aus der Bewertung der Beteiligung mit 400.000 RM in der RMSB zum 20. Juni 1948 läßt sich keineswegs ableiten, daß im Dezember 1949 die Beteiligung 400 000 DM wert war. Auch auf den Substanzwert der Beteiligung in der DMEB konnte bei der Veräußerung schon deshalb nicht zurückgegriffen werden, weil die DMEB im Dezember 1949 noch gar nicht aufgestellt war. Noch weniger war der auf Grund des 3. DMBEG auf 647 500 DM im Jahre 1955 berichtigte Substanzwert zu verwerten. Das gleiche gilt bezüglich des im Jahre 1959 beim Weiterverkauf der Beteiligung erzielten Verkaufspreises von 440 000 DM.
Ebenso ungeeignet erscheint aber auch die von der Bfin. begehrte Zugrundelegung der sog. überleitungsbilanz der Firma M. zum 21. Juni 1948, die gemäß Art. X § 3 des Anhangs zum Gesetz der Militärregierung (MilRegG) Nr. 64 aufzustellen war. Die Bfin. erklärt selbst, daß in dieser Bilanz und in der späteren DMEB zulässige Aufstockungen der Werte der RMSB nicht oder nur in geringem Umfang durchgeführt worden waren. Die überleitungsbilanz liefert demnach keinen zuverlässigen Substanzwert für die veräußerte Beteiligung. Kein Zweifel besteht darüber, daß die bereits in § 29 MilRegG Nr. 63 den deutschen Behörden als vordringliche Aufgabe übertragene Regelung des Lastenausgleichs einen nicht unerheblichen Einfluß auf den Veräußerungspreis der Beteiligung ausüben mußte, zumal bereits im Dezember 1949 mit einer Abgabeschuld von 50 v. H. des abgabepflichtigen Vermögens gerechnet werden konnte.
Die Ertragsverhältnisse der Firma M. haben sich nach der Währungsreform wie folgt entwickelt: in 1.000 DM
Wirtschaftsjahr Steuerbilanz= steuerpflichtiges - - - - - - - - - - gewinn - - - Einkommen II/1948 - - - - - - 101 - - - - - 199 - 1949 - - - - - - 203 - - - - - 396 - 1950 - - - - - - 16 - - - - - 97 - 1951 - - - - - - 26 - - - - - 147 - 1952 -------------- 37 ------------ 13,6 - 1953 -------------- 56 ------------ 12,6 - 1954 -------------- 10,6 ----------- 2.Die Ertragslage der Firma M. war in der ersten Zeit nach der Währungsreform ausgesprochen gut, sie ging 1950 merklich zurück, verbesserte sich 1951 nochmals, um dann ab 1952 abzusinken. Die daraus bereits für den Zeitpunkt des Verkaufs der Beteiligung von der Bfin. gezogenen Schlußfolgerungen auf die ungünstige spätere Entwicklung legen eine Kenntnis der Zukunft zugrunde, die wegen der völligen Ungewißheit der Verhältnisse noch viel weniger berechtigt ist als der aus der Vergangenheit gezogene Schluß über die Substanzbewertung. Es ist undenkbar, daß ein Interessent für die Beteiligung im Dezember 1949, also am Ende eines Wirtschaftsjahres mit einem Steuerbilanzgewinn von rund 200 000 DM und einem steuerpflichtigen Einkommen von rund 400 000 DM den künftig erzielbaren durchschnittlichen Jahresertrag mit nur 16 000 DM geschätzt haben würde. Die darauf beruhende Ertragswertberechnung kann schon aus diesem tatsächlichen Grunde nicht gebilligt werden. Der Senat muß es ablehnen, für die ertragsteuerliche Bewertung von den im Bewertungsrecht entwickelten Grundsätzen und von den Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1949 auszugehen und davon noch Abschläge wegen schwerer Veräußerlichkeit von Anteilen ohne Kurswert (Abschn. 105 Abs. 9 VStR 1949) und wegen tatsächlich unter dem rechnerischen Wert der Anteile liegenden niedrigeren Kurs (sog. Anpassungszuschlag nach Abschn. 105 Abs. 11 VStR 1949) vorzunehmen. Der Senat trägt keine Bedenken, den Rechtssatz des Urteils I 226/60 U vom 11. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 463, Slg. Bd. 73 S. 541), daß die Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften (AntBewR) nicht geeignet seien, einen gemeinen Wert von nichtnotierten Anteilen zuverlässig nachzuweisen, auch schon auf den hier zu beurteilenden Vorgang der Jahre 1949 und 1950 anzuwenden. Die rohe, normalerweise sehr vorsichtige und entgegenkommende Schätzung nach den AntBewR ist im Gegensatz zur Auffassung der Bfin., Vermögenswert und Ertragswert lägen im vorliegenden Fall nicht weit auseinander, schon deshalb unbrauchbar, weil der nach den Verhältnissen um die Jahreswende 1949/1950 anzusetzende Ertragswert zu einem über 400 000 DM liegenden Beteiligungswert führen müßte.
Das Finanzgericht hat eine verdeckte Gewinnausschüttung deshalb angenommen, weil die Beteiligung unter dem tatsächlichen, von einem gesellschaftsfremden Dritten zu erzielenden Preis an den Hauptaktionär der Bfin. veräußert worden sei. Den Wert der Beteiligung hat das Finanzgericht nur durch Schätzung ermitteln können. Angesichts der damaligen zahlreichen Unsicherheitsfaktoren bezüglich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung, des zu erwartenden allgemeinen wirtschaftspolitischen Kurses, der endgültigen Wertgebung in den Bilanzen, war nur eine verhältnismäßig grobe Schätzung möglich, zumal alle den geschätzten Wert der Beteiligung beeinflussenden Umstände ebenfalls auf Schätzungen, Erwartungen und Zukunftsaussichten beruhten. Weder die RMSB-Werte noch die DM-Bilanzwerte können einen sicheren Anhaltspunkt für die zutreffende Bewertung der Beteiligung bei einem Verkauf Anfang 1950 abgeben. Die Gefahr fehlerhafter Wertansätze durch Verwendung irrealer (vorläufiger) Vergangenheitswerte und erst später geschaffener (endgültiger) Werte muß, soweit wie möglich, ausgeschaltet werden. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß die Vorinstanz im Rahmen der hier vorliegenden erheblichen Schwierigkeiten für eine wenigstens zum Teil auf exakten Tatsachen beruhende Schätzung das Richtige getroffen hat. Der Bundesfinanzhof kann als Rechtsbeschwerdeinstanz nur prüfen, ob die Tatsachen- und Beweiswürdigung einschließlich der daraus gezogenen Schlüsse möglich war, ob das Finanzgericht also zu diesem Ergebnis kommen konnte, nicht mußte.
Die besondere Schwierigkeit der Besteuerung von verdeckten Gewinnausschüttungen liegt darin begründet, daß die entscheidenden Beweggründe, die zu den Besteuerungstatbeständen im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaften und ihren beherrschenden Gesellschaftern führen, der Außenwelt weitgehend verschlossen bleiben. Das gleiche gilt wegen fehlenden Vergleichsmaterials für die hier in Betracht kommenden individuellen Einzelfälle hinsichtlich der Bewertungsmaßstäbe. Um so höhere Anforderungen müssen im Interesse einer gerechten Besteuerung an die sorgfältige tatsächliche und rechtliche Prüfung des wirtschaftlichen Vorgangs gestellt werden.
Der Senat stützt die Entscheidung auf die folgenden weiteren Erwägungen.
Nach § 22 Abs. 2 DMBG waren an der Börse nichtnotierte Aktien vorläufig höchstens mit 1/3 des letzten vor dem 21. Juni 1948 festgestellten Vermögensteuerwertes anzusetzen, es sei denn, daß besondere Gründe einen höheren Wertansatz rechtfertigten. Nach § 4 Abs. 3 des 3. DMBEG durfte eine mindestens 3/4 des Kapitals der AG umfassende Beteiligung endgültig höchstens mit dem vollen Betrag angesetzt werden, der anteilsmäßig von dem Eigenkapital der Kapitalgesellschaft auf die Beteiligung entfiel. Unter bestimmten Voraussetzungen konnte statt dessen wahlweise der ursprüngliche Höchstwert zusätzlich eines Zuschlags von 25 v. H. angesetzt werden.
Die Gründe für diese Regelung haben auch im Streitfall mindestens mittelbar Bedeutung für die Rechtsauslegung. Die Aktienkurse lagen in der ersten Zeit nach der Währungsumstellung ungewöhnlich niedrig. Die weitere wirtschaftliche Entwicklung führte indes zu einem wesentlichen Ansteigen der Kurse. Der Börsenverkehr war dadurch gehemmt, daß bei der Veräußerung von Wertpapieren aus einem Betriebsvermögen große Teile ihres Wertes durch die damals noch sehr hohen Ertragsteuern weggesteuert wurden. Dem Markt sollte seine Funktionsfähigkeit wiedergegeben werden, indem der Staat auf die Steuern aus Veräußerungsgeschäften verzichtete, die andernfalls zum großen Teil unterblieben wären. Gleichzeitig sollte damit eine Annäherung der Wertansätze in der DMEB an die realen Werte erreicht werden.
Der erkennende Senat hat im Urteil I 147/60 S vom 13. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 58, Slg. Bd. 72 S.152) ausgesprochen, daß die sich aus §§ 1, 5 Abs. 3 und 12 Ziff. 11 des 3. DMBEG ergebende rückwirkende änderung des vorläufigen Wertansatzes einer Beteiligung nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstößt. Der Bundesfinanzhof ist damit der Rechtsansicht einer Steuerpflichtigen entgegengetreten, die für eine vor dem Ergehen des 3. DMBEG vom 21. Juni 1955 erfolgte Veräußerung von Aktien an dem gegenüber den endgültigen Werten wesentlich höheren vorläufigen Wert des DMBG festhalten wollte, um einen größeren Verlustabzug zu erreichen.
Hätte demnach die Bfin. ihre Beteiligung an einen fremden Dritten veräußert, so könnte sie ohne Zweifel bei der hier zu Recht erfolgten Inanspruchnahme der Wertaufstockung nach dem 3. DMBEG auch den höheren Verlust geltend machen.
Hierzu ist noch eine weitere überlegung anzustellen, die die Entnahme von Wertpapieren zwischen der vorläufigen und der endgültigen DM-Bilanzerrichtung betrifft. Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat hierzu im Grundsatzurteil IV 214/58 S vom 10. Januar 1963 (BStBl 1963 III S. 261, Slg. Bd. 76 S. 713), dem sich der VI. Senat im Urteil VI 347/62 U vom 23. August 1963 (BStBl 1963 III S. 457, Slg. Bd. 77 S. 373) angeschlossen hat, entschieden, daß die zwischen dem 20. Juni 1948 und dem 1. Januar 1953 vorgenommene Entnahme von Wertpapieren oder Anteilen, deren Wertansatz in der DMEB nach den Vorschriften des 3. DMBEG berichtigt worden ist, mit dem Betrag anzusetzen ist, mit dem diese Werte in der berichtigten DMEB ausgewiesen sind.
Die Veräußerung der Beteiligung an die Firma O. W. kann rechtlich nicht einer Entnahme gleichgestellt werden. Aber die Erwägungen, die für verdeckte Gewinnausschüttungen gelten, lassen wegen der engen Verflechtung und der gleichgerichteten Interessen des beherrschenden Aktionärs mit denen der von ihm beherrschten Aktiengesellschaft eine entsprechende Sachverhaltswürdigung nach Grund und Umfang einer verdeckten Gewinnausschüttung zu. Die vorgenommene wesentliche Aufstockung der Beteiligung von 250.000 DM nach der vorläufigen DMEB auf 647 500 DM in der endgültigen DMEB berechtigt dazu, aus dem eigenen Verhalten der Bfin., die ja zu dieser späteren Wertaufstockung nicht gezwungen war, einen sachlich begründeten Rückschluß auf den mutmaßlichen Wert der Beteiligung im Zeitpunkt der Veräußerung an den Hauptaktionär zu ziehen. Da ausreichende Unterlagen für eine normale Preisgestaltung im Verhältnis zu einem fremden Dritten fehlen, kommt dieser eigenen, wenn auch nach dem Verkauf der Beteiligung liegenden Verhaltensweise der Bfin. wesentliche Bedeutung zu. Es kann nicht angenommen werden, daß die zum 21. Juni 1948 mit dem zulässigen Wert von 647 500 DM bewertete Beteiligung um die Jahreswende 1949/50 als für II/1948 und 1949 Steuerbilanzgewinne von zusammen rund 300 000 DM und steuerpflichtiges Einkommen von zusammen rund 600 000 DM erzielt worden waren, einem fremden Dritten für 250 000 DM verkauft worden wäre.
Die Erträge der Firma M. waren von 1950 bis 1955 im ganzen rückläufig. Wenn daher die Bfin. im Jahr 1955 in Erkenntnis und unter Berücksichtigung dieser Entwicklung die Beteiligung der M. in der DMEB mit 647 500 DM, d. h. mit 259 v. H. des Veräußerungserlöses von 250 000 DM zu Beginn des Jahres 1950 angesetzt hat, so ist die von dem Finanzgericht zugrunde gelegte Bewertung von 400 000 DM als mäßig, eher noch als zu niedrig zu bezeichnen.
Die Vorinstanz hat sich nicht erkennbar mit der Frage befaßt, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, daß es sich hier um Aktien einer KG a. A. handelt, die nach Auffassung der Bfin. wegen der Stellung des auf Lebenszeit beteiligten persönlich haftenden Gesellschafters schwerer veräußerlich gewesen seien als Aktien einer gewöhnlichen AG. Der persönlich haftende Gesellschafter ist ausschließlich zur Geschäftsführung der KG a. A. berufen, er ersetzt also den Vorstand der AG. Neben ihm steht ein Aufsichtsrat und eine Hauptversammlung, die berufen werden muß, wenn eine Geschäftsführungsmaßnahme den gewöhnlichen Betrieb des Unternehmens überschreitet. Es mag sein, daß die Ungewöhnlichkeit der KG a. A. eine gewisse Scheu vor dem Erwerb ihrer Aktien erzeugt. Der Senat sieht in der Vorentscheidung nicht deshalb einen wesentlichen Mangel, weil das Finanzgericht auf diesen Punkt nicht eingegangen ist. Die niedrige Bewertung der Beteiligung trägt diesem Umstand hinreichend Rechnung.
Das gleiche gilt von dem Vortrag der Bfin., sie habe sich vor dem Verkauf an die Firma F. vergeblich um einen anderen Käufer bemüht. In der Berufungsschrift heißt es lediglich, die Gesellschaft habe zunächst keinen Käufer gefunden. Mit dieser nicht substantiierten allgemeinen Behauptung ist nicht erwiesen, daß überhaupt ernsthafte Versuche unternommen wurden, eine größere Anzahl potenter Käufer zu interessieren und sie als wirkliche Konkurrenten im freien Wettbewerb mit dem beherrschenden Gesellschafter der Bfin. zum Zuge kommen zu lassen.
Es mag auch sein, daß die Bfin. damals wegen höherer Ruhegehaltszahlungen in ihrer Liquidität beeinträchtigt war. Der erkennende Senat vermag jedoch aus den Bilanzen, insbesondere auch nicht aus den auf die veräußerte Beteiligung bezüglichen Unterlagen, zu entnehmen, daß es sich um einen Notverkauf handelte. Die Vorinstanz konnte bei der damaligen wirtschaftlichen Lage und insbesondere wegen der finanziellen Verflechtung der Bfin. mit der Erwerberin der Beteiligung mit Recht davon ausgehen, daß kein Anlaß bestand, die Beteiligung auch an einen gesellschaftsfremden Erwerber zu einem erzwungenen Minderpreis zu veräußern.
Das Finanzgericht brauchte bei dem von ihm angewandten weiten Schätzungsrahmen auch nicht auf die Erwägung einzugehen, Vorstand und Aufsichtsrat der Bfin. hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt, wenn sie zum Schaden der Minderheitsaktionäre die Beteiligung zu billig an den Großaktionär verkauft hätten.
Die Bfin. will der Genehmigung des Verkaufs durch die Treuhandverwaltung der North-German-Iron und Steel Control die Bedeutung beimessen, daß dadurch die Angemessenheit des vereinbarten Kaufpreises bekräftigt werde. Die Vorinstanz ist mit Recht dieser zu weit gehenden Argumentation der Bfin. nicht gefolgt. Es ist nicht anzunehmen, daß die Treuhandverwaltung ihr Befugnisse zur Erhaltung der kontrollierten Vermögen auch auf eine genaue Prüfung des Veräußerungspreises der aus ihrer Kontrolle entlassenen Vermögensteile erstreckt haben soll. Daß dies nicht der Fall war, läßt sich aus der sehr raschen, rein formalen Abwicklung des Vorgangs, ohne jede Rückfrage der Treuhandverwaltung, entnehmen. Der Antrag der Bfin. vom 9. Dezember 1949 wurde bereits am 22. Dezember 1949 genehmigt, ohne daß von einer der beiden Seiten auch nur mit einem Wort die Angemessenheit des Kaufpreises erwähnt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 423861 |
BStBl III 1965, 99 |
BFHE 1965, 275 |
BFHE 81, 275 |
BB 1965, 153 |
DB 1965, 277 |
DStR 1965, 115 |