Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von Puppenstimmen
Leitsatz (NV)
Sog. Puppenstimmen (darunter ,,Sprechwerke" zur Hervorbringung von Kinderstimmen) sind zolltariflich als ,,andere" Puppenteile einzureihen.
Normenkette
KN Unterpos. 9502 9900; KN Pos. 9503; KN Anm. 1p zu Abschn. XVI; KN Anm. 3 zu Kap. 95
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte dem Kläger, der eine Puppen- und Spielwarenfabrik betreibt, eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr.. . . vom . . . 1991 - über sog. Sprechwerke, nach der Warenbeschreibung in der vZTA hautfarbene Kunststoffgehäuse (11 x 7 x 5 cm) mit einfacher batteriebetriebener Mechanik (Elektromotor 1,5V, Antriebsriemen, beidseitig bespielter Kunststoffscheibe - Kinderlied, -gedicht -, Abtastnadel und Kunststofflautsprecher), ,,zum Einbau in eine Puppe bestimmt" (Puppenstimmen), unter Einreihung in die Unterposition 9502 9900 der Kombinierten Nomenklatur (KN) - (andere) Teile von Puppen (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom . . . 1992).
Mit der Klage wird im wesentlichen vorgetragen, die teils mit, teils ohne Schallplatten eingeführten Sprechwerke würden von dem Kläger zwar hauptsächlich zum Einbau in Puppen, aber auch anderweit verwendet (insbesondere in ,,Lachsäcken"). Erkennbare Teile von Puppen lägen nicht vor. Die Farbe der Gehäuse sei schon deshalb ohne Belang, da die Sprechwerke vollständig, von außen unsichtbar, in die Puppen eingebaut würden. Die äußere Form des Gehäuses weise keine Ähnlichkeit mit der Form und den Umrissen einer Puppe oder eines Puppenteils auf. Es handele sich auch nicht um bloße Mechanismen für Puppenstimmen. Die Waren seien getrennt als Tonwiedergabegeräte der Unterposition 8519 3900 und als Tonträger der Unterposition 8524 1000 KN einzureihen. Dementsprechend seien sie in einer früheren vZTA tarifiert worden.
Die OFD vertritt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 22.September 1976 Rs 22/76 (EuGHE 1976, 1371 - ,,Lachvorrichtungen" -) die Auffassung, die Waren seien wenn nicht ausschließlich, so doch überwiegend für Puppen bestimmt (Nachbildung einer Plattenspielermechanik zum Einbau in Spielwaren). Die konstruktive Beschaffenheit des Sprechwerks (Ausstattung mit einem speziellen Einschaltknopf) lasse erkennen, daß ein Sprechwerk für Puppen vorliege.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Waren gehören, wie in der angefochtenen vZTA entschieden, als Puppenteile (Puppenstimmen) zur Unterposition 9502 9900 KN. Eine Einreihung in das Kapitel 85 (,,Plattenspieler" und ,,Schallplatten"), die der Kläger für geboten hält, muß ausscheiden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger für zutreffend gehaltene Tarifierung - neben einer Einreihung in eine Position des Kapitels 95 - überhaupt in Betracht käme. Selbst wenn dies anzunehmen wäre, müßten die Waren der zutreffenden Position in Kapitel 95 zugewiesen werden (Ausweisungsvorschrift in Anm.1p zu Abschn. XVI; vgl. auch Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Abschn. XVI Rz.10.0).
Hier zutreffend ist die Position 9502 (Unterposition 9900 - ,,andere" - Puppenteile). Die Position 9503 (anderes Spielzeug) ist, wovon im Ergebnis zutreffend auch die Beteiligten ausgehen, nicht anwendbar, was sich bereits daraus ergibt, daß die Position 9502 vorgeht (vgl. auch ErlHS zu Position 9503 Rz.01.0).
Unter ,,Puppenteile" fallen auch Puppenstimmen, nicht nur, wie der Kläger anzunehmen scheint, Mechanismen für Puppenstimmen (ErlHS zu Position 9502 Rz.03.0). Es kann dahinstehen, ob der Begriff ,,Mechanismus" eng auszulegen ist (so der Kläger). Denn bei den Waren handelt es sich um Puppenstimmen, die bereits als solche aufgrund ihrer beschaffenheitsbedingten Funktion erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für ,,Puppen" bestimmt sind (Anm.3 zu Kapitel 95). Entsprechend hat der EuGH (EuGHE 1976, 1371, 1376 - zu der der Position 9502 entsprechenden Tarifnummer 97.02 des früheren Gemeinsamen Zolltarifs) für zur Herstellung von Sprechpuppen bestimmte ,,Lachvorrichtungen" entschieden, und zwar bezogen auf ,,einen kleinen, batteriegetriebenen Apparat in einem Gehäuse aus rosa Plastikmaterial, der bei Druck auf einen Knopf ein dem menschlichen Lachen ähnliches Geräusch produziert" (Schlußanträge des Generalanwalts, EuGHE 1976, 1377). Ausgehend von dieser zolltariflichen Beurteilung, der sich der Senat anschließt, sind die ,,Sprechwerke" als Puppenstimmen (Puppenteile) zu bewerten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Waren bereits nach Form, Farbe oder Ausstattung ihres Gehäuses als erkennbar für Puppen bestimmt kennzeichnen.
Entscheidend ist, daß sie aufgrund ihrer beschaffenheitsgegebenen Verwendung dazu dienen, Kinderstimmen (Kindergedicht, Kinderlied) oder ggf. Lachlaute (,,Lachsack") hervorzubringen. Diese Voraussetzung erfüllen die ,,Sprechwerke" jedenfalls insoweit, als sie mit Kinderlied- und -gedichtplatten vorliegen. Nur ,,Sprechwerke" mit dieser Ausstattung hat die OFD tarifiert, nur über die vZTA mit diesem Inhalt (Ausstattung mit Platten) ist zu befinden. Es bedarf mithin keiner Beurteilung, wie die Waren ohne solche Schallplatten einzureihen wären. Nach Auffassung des Senats dürfte jedoch auch bei Fehlen der Platten im Hinblick auf die unstreitig technisch einfache Ausführung der ,,Sprechwerke" und deren geringe Leistung und Abmessungen davon auszugehen sein, daß sie zumindest hauptsächlich erkennbar zur Hervorbringung menschlicher Laute (Sprache, Gesang, Lachen) in Puppen bestimmt sind (vgl. auch die Ausführungen des Generalanwalts in EuGHE 1976, 1380). Letztlich kann diese Frage jedoch auf sich beruhen.
Daß die Waren, wie der Kläger vorträgt, sich auch für andere Verwendungen eignen (z.B. Einbau in Scherzartikel), ist angesichts ihrer jedenfalls hauptsächlichen Bestimmung zolltariflich ohne Belang. Auch der Umstand, daß gleichartige Waren früher (1973) wie vom Kläger erstrebt tarifiert wurden, spielt keine Rolle. Unter Berücksichtigung der (später ergangenen) Entscheidung in EuGHE 1976, 1371, die auch für das geltende, insoweit unverändert gebliebene Zolltarifrecht Bedeutung hat, stellen sie sich als Puppenteile (Puppenstimmen) dar.
Insbesondere nach dieser Entscheidung bestehen keine Zweifel an der hieraus sich ergebenden zolltariflichen Einreihung. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es mithin nicht (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 418760 |
BFH/NV 1993, 336 |