Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Kapitalgesellschaft kann gegen ihre Heranziehung zur Lohnsummensteuer nicht geltend machen, daß sie einen Wandergewerbebetrieb ausübe.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2, §§ 23, 35a/1, § 35a/2; StAnpG § 16/2/2
Tatbestand
Strittig ist, ob die beschwerdeführende GmbH in den Streitjahren 1954 und 1955 ein Wandergewerbe betrieben hat und, falls diese Frage verneint wird, in H., S.-Straße, eine Betriebstätte unterhalten hat. Gegenstand des Unternehmens ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Darbietung künstlerischer Vorführungen auf Eisflächen sowie die Beteiligung an gleichen oder ähnlichen Unternehmen in jeder zulässigen Form. Tatsächlich wird das Gewerbe nur in Form von Eislauf-Gastspielen (Eisrevuen) ausgeübt, wobei die Gastspiele in den einzelnen Orten höchstens acht bis 10 Tage dauern.
Nachdem die Bfin. bis einschließlich Mai 1955 Lohnsummensteuer an die Stadt H. gezahlt hatte, hat sie die Weiterzahlung verweigert und Rückerstattung der bisher geleisteten Beträge verlangt. Sie hat hierzu geltend gemacht, sie betreibe ein Wandergewerbe und habe in H. keine Betriebstätte. Als Wandergewerbebetrieb sei sie nach § 35 a GewStG von der Entrichtung der Lohnsummensteuer befreit. Ein Wandergewerbeschein sei in ihrem Fall nicht erforderlich, da bei ihren Darbietungen ein höheres kulturelles Interesse obwalte (ß 55 der Gewerbeordnung - GewO -).
Auf den daraufhin von der Stadtverwaltung H. gestellten Antrag hat das Finanzamt gemäß § 27 GewStG für das Rechnungsjahr 1954 und für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1955 gegen die Bfin. einen Lohnsummensteuermeßbescheid erlassen. Es hat die Lohnsummensteuerpflicht der Bfin. damit begründet, daß sie als Kapitalgesellschaft nach § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig sei. Als Wandergewerbe im Sinne des § 35 a GewStG könne das Unternehmen nicht gelten, weil es sich nicht um ein Gewerbe im Sinne des EStG handle und es nach § 55 GewO auch nicht der Ausstellung eines Wandergewerbescheines bedürfe.
Nach erfolglosem Einspruch hat die Bfin. in der Berufung geltend gemacht, ein Gewerbebetrieb im steuerlichen Sinne liege vor, wenn die allgemeinen Merkmale eines solchen gegeben seien. Dabei könne es auf die Rechtsform nicht ankommen. Das Finanzamt habe übersehen, daß auch für die Körperschaften das EStG Geltung habe, sofern im KStG nicht etwas anderes bestimmt sei. Daraus ergebe sich, daß der Begriff des Gewerbebetriebs sowohl für natürliche Personen als auch für Körperschaften in gleicher Weise anzuwenden sei.
Zum Nachweis eines Wandergewerbebetriebs hat die Bfin. eine Bescheinigung des Amts für öffentliche Ordnung der Stadt Z. eingereicht, in der es heißt:
"Der Firma ... GmbH ..., Gesellschafter ..., wird bescheinigt, daß sie für das Jahr 1959 im Besitz eines Wandergewerbescheines, ausgestellt am ... war. Dieser Wandergewerbeschein berechtigte zum Betreiben eines Eisballetts und einer Eisschau."
Die Bfin. hat hierzu geltend gemacht, sie habe einen Wandergewerbeschein beantragt, weil sich in den letzten Jahren Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage ergeben hätten, inwieweit bei ihren Darbietungen ein höheres kulturelles Interesse im Sinne des § 55 GewO obwalte.
Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Vergünstigung des § 35 a GewStG (Befreiung von der Lohnsummensteuer) komme, so hat das Finanzgericht ausgeführt, für die Bfin. schon deshalb nicht in Frage, weil es sich bei ihr um eine Kapitalgesellschaft handle. Dies ergebe sich allerdings noch nicht aus § 2 Abs. 2 GewStG, wonach die Tätigkeit bestimmter Gesellschaften stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gelte. Denn auch für die Körperschaften habe grundsätzlich das EStG Geltung, sofern im KStG nicht etwas anderes bestimmt sei. Insoweit schließe der Hinweis in § 35 a Abs. 2 GewStG, wonach ein Wandergewerbebetrieb im Sinne des GewStG ein Gewerbebetrieb im Sinne des EStG sei, noch nicht aus, daß es sich auch um eine Kapitalgesellschaft handeln könne. Daß dies aber nicht in Betracht komme, ergebe sich aus den Bestimmungen der GewO, auf die in § 35 a Abs. 2 GewStG ausdrücklich verwiesen werde. In § 55 GewO werde bestimmt, daß ein Wandergewerbeschein nur dann erteilt werden könne, wenn eine entsprechende Tätigkeit "in eigener Person" ausgeübt werde. Daraus könne nur entnommen werden, daß, gleichviel, ob im Einzelfall bei einer bestimmten Tätigkeit ein Wandergewerbeschein nicht erforderlich sei, nur eine Einzelperson, also nicht wie hier eine GmbH, einen Wandergewerbebetrieb ausüben könne. Im übrigen würde nach der Auffassung des Finanzgerichts der Befreiung von der Lohnsummensteuer auch die Vorschrift des § 35 a Abs. 2 Satz 2 GewStG entgegenstehen, wonach, wenn im Rahmen eines einheitlichen Gewerbebetriebes sowohl ein stehendes Gewerbe als auch ein Wandergewerbe betrieben wird, der Betrieb in vollem Umfang als stehendes Gewerbe zu behandeln ist. Denn die Bfin. habe unstreitig in den hier maßgebenden Zeiträumen in H. eine Betriebstätte unterhalten, die im Zusammenhang mit der an anderen Orten ausgeübten Tätigkeit als einheitlicher Gewerbebetrieb anzusehen sei.
Mit der Rb. hat sich die Bfin. zunächst gegen die Feststellung des Finanzgerichts gewandt, daß sie in H, eine Betriebstätte unterhalten habe. Das dortige Haus S.-Straße gehöre ihrem Steuerberater, der diese Adresse zur Verfügung gestellt habe, weil es unbedingt notwendig sei, eine Adresse anzugeben, an welche die Zustellungen und Postsendungen erfolgen könnten. Von dort seien die Sendungen an den jeweiligen Gastspielort weitergeleitet worden, soweit dies nicht schon durch das Postamt geschehen sei. Im dortigen Anwesen habe sie (Bfin.) weder ein Büro noch eine Büroeinrichtung noch Personal gehabt. Die geschäftlichen Arbeiten (Buchführung usw.) würden an dem jeweiligen Aufenthaltsort vorgenommen. Das Finanzamt habe auch zu Unrecht angenommen, daß der Vergünstigung des § 35 a GewStG ihre Eigenschaft als GmbH entgegenstehe. Die GmbH als juristische Person könne allerdings einen Wandergewerbeschein nicht erlangen, sondern nur der für die Durchführung der Veranstaltung verantwortliche Vertreter der Gesellschaft. Dies schließe aber nicht aus, trotzdem die Voraussetzungen nach § 55 GewO anzuerkennen. In den maßgebenden Kommentaren zur GewO werde übereinstimmend darauf hingewiesen, daß die Worte "in eigener Person" in dieser Vorschrift nicht gleichbedeutend seien mit "für eigene Rechnung". Damit sei hinreichend klargestellt, daß die Kapitalgesellschaft als solche als Wandergewerbebetrieb auch im steuerlichen Sinne anzuerkennen sei.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Die Lohnsummensteuerpflicht der Bfin. hängt davon ab, ob es sich bei ihr um einen stehenden Gewerbebetrieb nach § 2 GewStG oder um einen Wandergewerbebetrieb nach § 35 a GewStG in der für die streitigen Zeiträume geltenden Fassung handelt. Nach § 35 a Abs. 2 GewStG ist Wandergewerbebetrieb im Sinne des Gesetzes ein Gewerbebetrieb im Sinne des EStG, zu dessen Ausübung es nach den Vorschriften der GewO und der Ausführungsbestimmungen dazu eines Wandergewerbescheines bedarf. Der Auffassung des Finanzgerichts, daß es sich bei einem Gewerbebetrieb im Sinne des EStG auch um eine Kapitalgesellschaft handeln könne, kann nicht gefolgt werden. Kapitalgesellschaften unterliegen der Körperschaftsteuer. Da sie nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, sind nach § 16 KStDV alle ihre Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln, also nicht nur wie nach dem EStG (ß 15 Ziff. 1) die Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen. Der einkommensteuerliche Gewerbebegriff ist somit auf diese Körperschaften nicht anwendbar.
Die Annahme eines Wandergewerbebetriebes scheitert weiter - in dieser Hinsicht ist dem Finanzgericht beizutreten - an den in § 35 a Abs. 2 GewStG in bezug genommenen Vorschriften der GewO. Aus der Fassung des § 55 GewO, wonach eines Wandergewerbescheines (jetzt Reisegewerbekarte, siehe änderungsgesetz vom 5. Februar 1960, BGBl 1960 I S. 61) bedarf "wer" die dort bezeichneten Tätigkeiten "in eigener Person" ausüben will, muß entnommen werden, daß ein Wandergewerbe nur natürliche Personen ausüben können (vgl. Fuhr, Kommentar zur Gewerbeordnung § 55 Anm. 2). Wandergewerbetreibender im Sinne der Vorschriften der GewO über das Erfordernis eines Wandergewerbescheines ist jeder, der eine der genannten Tätigkeiten persönlich ausübt, gleichgültig, in welcher Eigenschaft er dies tut, ob als selbständiger Gewerbetreibender, als Beauftragter, als Angestellter usw. übt also jemand eine solche Tätigkeit für fremde Rechnung aus, so bedarf nur er eines Wandergewerbescheines, nicht dagegen derjenige, für dessen Rechnung dies geschieht (vgl. Fuhr a. a. O., ferner Landmann-Rohmer, Kommentar zur Gewerbeordnung, 11. Auflage, Anmerkung 7 zu § 55). Richtig ist daher, daß die Worte "in eigener Person" nicht gleichbedeutend sind mit "für eigene Rechnung". Daraus kann jedoch nach den vorstehenden Ausführungen für die Auffassung der Bfin. nicht entnommen werden. Sie kann auch nicht durch die vorgelegte Bescheinigung der Stadt Z. gestützt werden. In dieser sind ausdrücklich die Gesellschafter der Bfin. genannt. Für die Gesellschafter, nicht für die GmbH als solche, hat, wie auch von der Bfin. zugegeben wird, der Wandergewerbeschein Bedeutung.
Da nach alledem die Bfin. nicht unter § 35 a GewStG fällt, liegt bei ihr kein Wandergewerbebetrieb, sondern ein stehender Gewerbebetrieb vor. Ihre Gewerbesteuerpflicht hängt daher nach § 2 GewStG von dem Vorhandensein einer Betriebstätte ab. Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß die Bfin. in H. eine Betriebstätte besessen hat, ohne die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hierzu zu treffen. Dies wäre um so mehr veranlaßt gewesen, als sich aus dem bei den Akten befindlichen Antragsschreiben der Stadt H. ergab, daß die Bfin. bereits ihr gegenüber das Bestehen einer dortigen Betriebstätte verneint hatte. In der Rb. hat die Bfin. wiederum das Vorliegen einer Betriebstätte in H. bestritten, wobei sie nähere tatsächliche Angaben hierzu gemacht hat.
Hiernach war die Vorentscheidung wegen nicht genügender Aufklärung des Sachverhalts aufzuheben und die nicht spruchreife Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Dieses hat unter Nachprüfung der Angaben der Bfin. festzustellen, ob diese in den streitigen Zeiträumen in H. eine Betriebstätte besessen hat. Hierfür ist nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung, daß die Bfin. eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsgewalt über Anlagen oder Einrichtungen in dem Hause des Steuerberaters gehabt hat (vgl. die Beschlüsse des Senats I B 156/58 S vom 9. März 1962 und I B 223/61 S vom 16. August 1962, BStBl 1962 III S. 227 und 477). Das Finanzgericht wird für seine Ermittlungen auch die Feststellungen heranzuziehen haben, die etwa bei der Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages der Bfin. für 1954 und 1955 nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital hinsichtlich der Betriebstätte getroffen worden sind. Allerdings sind diese Feststellungen für die Lohnsummensteuer nicht bindend (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 313/59 U vom 23. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 194, Slg. Bd. 72 S. 533). Es kann daher von ihnen, falls sie sich als unzutreffend erweisen, abgewichen werden.
Liegt nach dem Ergebnis der Ermittlungen keine Betriebstätte der Bfin. in H. vor, dann sind die Einspruchsentscheidung und der Lohnsummensteuermeßbescheid ersatzlos aufzuheben. Eine Feststellung darüber, ob und an welchem Ort außerhalb der Stadt H. die Bfin. eine Betriebstätte besessen hat, erübrigt sich in diesem Fall. Denn die Lohnsummensteuer stellt auf die zu einer bestimmten gemeindlichen Betriebstätte in Beziehung stehende Lohnsumme ab. Im vorliegenden Streitverfahren ist daher nur zu entscheiden, ob die Bfin. gegenüber der Stadt H. lohnsummensteuerpflichtig ist (vgl. Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7. Auflage, § 27 An. 1 Abs. 3, wonach für jede der beteiligten Gemeinden auf Antrag ein besonderer Lohnsummensteuermeßbescheid zu erlassen ist).
Ist dagegen eine Betriebstätte der Bfin. in H. zu bejahen, dann wird noch zu prüfen sein, ob Betriebstätten in anderen Orten bestanden haben und ob und inwieweit etwa diesen die Arbeitskräfte der Bfin. zuzurechnen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 410716 |
BStBl III 1963, 148 |
BFHE 1963, 405 |
BFHE 76, 405 |