Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 64 Ziff. 2 a BewG ist nur anwendbar, wenn das dem Betriebsvermögen entnommene Wirtschaftsgut oder ein Ersatz dafür am Veranlagungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen vorhanden ist. Das ist nicht der Fall, wenn das dem Betriebsvermögen entnommene Geld bis zu diesem Zeitpunkt zur Bezahlung von Schulden verwendet worden ist.

 

Normenkette

BewG § 64/2/a, § 107/2/a, § 63 Abs. 3, § 106/3

 

Tatbestand

Der Bg. zu 1) ist Inhaber einer Einzelfirma, die ihre Jahresabschlüsse regelmäßig auf den 30. September erstellt. Antragsgemäß wurde vom Finanzamt für das Betriebsvermögen dieser Firma nach § 63 Abs. 3 BewG der 30. September als Bewertungsstichtag zugrunde gelegt, so daß der auf diesen Stichtag festgestellte Einheitswert des Betriebsvermögens nach § 63 Abs. 4 BewG als Einheitswert vom Feststellungszeitpunkt gilt.

Bei einer im Jahre 1959 durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß in den einzelnen Jahren zwischen Abschluß- und Feststellungszeitpunkt folgende Beträge aus dem Betriebsvermögen entnommen wurden:

1. Oktober 1952 bis 31. Dezember 1952 ------ 84.642 DM 1. Oktober 1953 bis 31. Dezember 1953 ------ 85.777 DM 1. Oktober 1954 bis 31. Dezember 1954 ----- 287.930 DM 1. Oktober 1955 bis 31. Dezember 1955 ----- 180.394 DM 1. Oktober 1956 bis 31. Dezember 1956 ----- 155.896 DM 1. Oktober 1957 bis 31. Dezember 1957 ----- 117.892 DM.Nach Angabe des Bg. zu 1) wurden diese Beträge wie folgt verwendet:

------------------------- Für die Zahlung Zur Einzahlung -------------------------- von Personen= --- auf ein privates In der Zeit vom ----------- steuern -------- Bankkonto ---------------------------- DM --------------- DM 1. Oktober 1952 bis 31. Dezember 1952 ---------- 77.217 ------------- 7.425 1. Oktober 1953 bis 31. Dezember 1953 ---------- 85.777 --------------- - 1. Oktober 1954 bis 31. Dezember 1954 ----------- 97.930 ----------- 190.000 1. Oktober 1955 bis 31. Dezember 1955 ---------- 80.394 ----------- 100.000 1. Oktober 1956 bis 31. Dezember 1956 ---------- 49.057 ----------- 106.839 1. Oktober 1957 bis 31. Dezember 1957 ---------- 17.892 ----------- 100.000Der Bg. zu 1) beantragte, die Beträge von seinem sonstigen Vermögen nach § 64 Ziff. 2 a BewG abzuziehen. Das Finanzamt ließ jedoch bei den Vermögensteuerveranlagungen der Bg. auf den 1. Januar 1953, 1. Januar 1954, 1. Januar 1955, 1. Januar 1956, 1. Januar 1957 und 1. Januar 1958 diese Beträge nicht zum Abzug zu.

Der Einspruch, mit dem die Bg. den Abzug der Entnahmen in voller Höhe anstrebten, hatte teilweise Erfolg. In der Einspruchsentscheidung ließ der Steuerausschuß den Abzug der Entnahmen insoweit nach § 64 Ziff. 2 a BewG zu, als diese auf ein privates Bankkonto der Bg. eingezahlt worden waren, und ermäßigte die für die einzelnen Jahre veranlagte Vermögensteuer entsprechend. Die Anwendung des § 64 Ziff. 2 a BewG auf die entnommenen Beträge, die zur Bezahlung von Personensteuern verwendet worden waren, wurde dagegen abgelehnt.

Mit der Berufung beantragten die Bg., auch diese Beträge zum Abzug zuzulassen. Aus besonderen Gründen nahmen sie später die Berufung gegen die Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1954 zurück. Für die übrigen streitigen Vermögensteuerveranlagungen hatte die Berufung Erfolg. Das Finanzgericht ließ auch die zur Zahlung von Personensteuern verwendeten Beträge nach § 64 Ziff. 2 a BewG zum Abzug zu und ermäßigte die Vermögensteuer für die noch streitigen Jahre entsprechend. Es ist der Auffassung, das Urteil des Reichsfinanzhofs III 121/42 vom 6. Mai 1943 (RStBl 1943 S. 606), auf das sich das Finanzamt berufe, könne nicht ohne weiteres auf den Sachverhalt im Streitfall angewandt werden. Es bedürfe der wirtschaftlichen Wertung des in diesem Urteil verwendeten Begriffes "Ersatzgut", da eine nichtwirtschaftliche Betrachtungsweise immer dann zu einem unbilligen Ergebnis führen müsse, wenn - wie im Streitfall - für das aus dem Betriebsvermögen entnommene Geld das geforderte, gleichwertige und sofort greifbare Ersatzgut am Stichtag der Vermögensteuerveranlagung zwar nicht mehr mit den entnommenen Werten identisch, aber in anderer Weise, z. B. in Bargeld oder Wertpapieren mit Steuerkurswert vorhanden sei. Es sei nicht einzusehen, daß der Ausgleich nach § 64 Ziff. 2 a BewG nur dann gegeben sein solle, wenn das entnommene Geld mit der gleichen Münze oder den gleichen Banknoten, in denen die Entnahme erfolgt sei, wieder dem übrigen Vermögen zugeführt sei. Eine solche, dem wirtschaftlichen Handeln in der Zeit des bargeldlosen Verkehrs widersprechende Auffassung würde zu dem unbilligen Ergebnis führen, daß demjenigen Steuerpflichtigen, der zwischen dem Abschluß- und dem Feststellungszeitpunkt Geld aus dem Betriebsvermögen entnehme und unmittelbar an das Finanzamt überweisen lasse, obwohl er das Geld ebensogut aus dem vorhandenen Privatvermögen hätte entnehmen können, der Ausgleich verwehrt wäre, während ihn im anderen Falle, wenn er die Steuern unmittelbar aus dem vorhandenen Privatkonto bezahlt hätte, der Nachteil der doppelten Besteuerung nicht treffe. Der Reichsfinanzhof habe in dem Urteil vom 6. Mai 1943 ausdrücklich hervorgehoben, daß entscheidend für die Gewährung des Ausgleichs nach § 64 Ziff. 2 a BewG jene Tatsache sei, daß das Geld oder ein Ersatz dafür am Feststellungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen vorhanden sei. Diese Voraussetzung sei aber wirtschaftlich gesehen im Streitfall erfüllt, da der Bg. zu 1) an den streitigen Stichtagen gleichwertige und sofort greifbare Geld- bzw. Wertpapierbestände bei der Bank liegen gehabt hätte, die zum Teil weit über die entnommenen und dem gleichen Konto nicht mehr zugeführten Beträge hinausgingen.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 64 Ziff. 2 a BewG. Die Auslegung dieser Vorschrift durch das Finanzgericht stehe im Widerspruch zu dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 6. Mai 1943. Sie sei im übrigen unlogisch und nicht durch den Wortlaut des § 64 Ziff. 2 a BewG gedeckt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Nach § 63 Abs. 3 BewG kann für Betriebe, die regelmäßig jährliche Abschlüsse auf einen anderen Tag als auf den Schluß des Kalenderjahres machen, auf Antrag zugelassen werden, daß bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Schluß des Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt wird, das dem Feststellungszeitpunkt vorangeht. Wird diesem Antrag entsprochen, so bedeutet dies, daß - abgesehen von den im § 63 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 BewG bestimmten Ausnahmen - für den Bestand und die Bewertung des Betriebsvermögens abweichend vom § 63 Abs. 1 Satz 1 BewG die Verhältnisse im Abschlußzeitpunkt maßgebend sind. Der auf diesen Abschlußzeitpunkt ermittelte Einheitswert gilt nach § 63 Abs. 4 BewG als Einheitswert vom Feststellungszeitpunkt. Diese gesetzliche Regelung hat zur Folge, daß Vermögensveränderungen, die nach dem Abschlußzeitpunkt im Betriebsvermögen eintreten, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Das kann sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wenn sich das Betriebsvermögen nach dem Abschlußzeitpunkt erhöht. Es kann sich aber auch zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wenn sich das Betriebsvermögen nach dem Abschlußzeitpunkt vermindert. Die Regelung enthält also für den Steuerpflichtigen ein gewisses Wagnis, das er mit seiner Antragstellung auf sich nimmt, zumal er nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BewG an den Antrag auch für künftige Feststellungen des Einheitswerts regelmäßig gebunden bleibt.

Nun sieht allerdings § 64 BewG doch für bestimmte Fälle einen Ausgleich von Vermögensänderungen in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt vor. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen wegen der unterschiedlichen maßgebenden Stichtage für das Betriebsvermögen und das übrige Vermögen (einschließlich der Betriebsgrundstücke) eine doppelte Steuerbelastung oder ein Steuerausfall eintreten können. Im Streitfall liegt der Sachverhalt so, daß in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt aus Mitteln des Betriebes persönliche Steuerschulden des Betriebsinhabers bezahlt wurden. Das Finanzgericht wendet auf diesen Sachverhalt § 64 Ziff. 2 a BewG an. Diese Vorschrift behandelt Vermögensänderungen bei Wirtschaftsgütern, die nicht Betriebsgrundstücke sind. Sie bestimmt, daß ein derartiges Wirtschaftsgut, wenn es aus einem gewerblichen Betrieb ausgeschieden und dem übrigen Vermögen zugeführt worden ist, so zu behandeln ist, als wenn es im Feststellungszeitpunkt noch zum gewerblichen Betriebe gehörte. Im Streitfall ist der Tatbestand des § 64 Ziff. 2 a BewG unbestritten insoweit erfüllt, als ein Wirtschaftsgut (Bargeld, Bankguthaben) aus dem Betriebsvermögen des Bg. zu 1) ausgeschieden ist. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß auch die weiter in § 64 Ziff. 2 a BewG geforderte Voraussetzung, daß das Wirtschaftsgut dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers zugeführt worden ist, im Streitfall deswegen erfüllt sei, weil sich das übrige Vermögen durch den Wegfall der das Gesamtvermögen belastenden Steuerschulden vermehrt habe. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen.

Nach dem reinen Wortsinn des § 64 Ziff. 2 a BewG könnte diese Vorschrift eigentlich nur in den Fällen angewendet werden, in denen das gleiche Wirtschaftsgut, das aus dem gewerblichen Betrieb ausgeschieden wird, dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers zugeführt wird. Schon der Reichsfinanzhof hat es jedoch für zulässig angesehen, den § 64 Ziff. 2 a BewG auch in den Fällen anzuwenden, in denen aus dem Betriebsvermögen Geldbeträge entnommen und damit Wirtschaftsgüter angeschafft werden, die dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers zugeführt werden. Dagegen bestehen nach Auffassung des Senats auch keine Bedenken. Denn aus § 64 Ziff. 2 c BewG ergibt sich klar, daß der Gesetzgeber auch auf die Fälle der Anschaffung eines Wirtschaftsguts mit entnommenen Betriebsmitteln die Vorschriften des § 64 Ziff. 2 a und b BewG angewandt wissen will. Diese Auslegung wird auch dem Sinn und Zweck des § 64 Ziff. 2 a BewG gerecht. Dieser besteht, wie der Reichsfinanzhof in den Urteilen III 61, 62/39 vom 27. Juni 1940 (RStBl 1940 S. 824), III 4/41 vom 13. März 1941 (RStBl 1941 S. 318) und III 121/42 vom 6. Mai 1943 (a. a. O.) hervorgehoben hat, darin, zu verhindern, daß ein in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt aus dem Betriebsvermögen in das übrige Vermögen überführtes Wirtschaftsgut zweimal, nämlich sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens als auch als Bestandteil des übrigen Vermögens, von der Vermögensteuer erfaßt wird. Es soll nur einmal, und zwar als Bestandteil des Betriebsvermögens, der Steuer unterliegen und bei der Ermittlung des Gesamtvermögens aus dem übrigen Vermögen ausgeschieden werden. Zu einer doppelten steuerlichen Erfassung würde es aber auch dann kommen, wenn man auf ein Wirtschaftsgut, das mit Geldbeträgen angeschafft ist, die aus dem Betriebsvermögen entnommen sind, und das dem übrigen Vermögen zugeführt ist, § 64 Ziff. 2 a BewG nicht anwenden wollte.

Wie der Reichsfinanzhof in den oben angegebenen Urteilen insoweit übereinstimmend ausgeführt hat, folgt aus dieser Zweckbestimmung des § 64 Ziff. 2 a BewG als weitere Voraussetzung für die Gewährung des Ausgleichs, daß sich das Wirtschaftsgut oder sein Gegenwert im Veranlagungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen des Betriebsinhabers befindet. Hat der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut inzwischen verschenkt oder sonst ersatzlos verloren, so kommt keine doppelte Besteuerung desselben Wirtschaftsgutes und damit keine Ausscheidung aus dem übrigen Vermögen in Betracht. Aus diesem Grunde hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil III 4/41 vom 13. März 1941 (a. a. O.) die Anwendung des § 64 Ziff. 2 a BewG in den Fällen abgelehnt, in denen der Steuerpflichtige das aus dem Betriebsvermögen entnommene Geld bis zum Veranlagungszeitpunkt zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verbraucht hat. Auch dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Sie entspricht seiner im Urteil III 433/58 S vom 6. September 1963 (BStBl 1963 III S. 554, Slg. Bd. 77 S. 636) getroffenen Entscheidung, daß abweichend von dem Urteil III 115/55 S vom 7. Oktober 1955 (BStBl 1955 III S. 360, Slg. Bd. 61 S. 421) der Einnahmeüberschuß im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG am Veranlagungszeitpunkt noch vorhanden sein muß, damit er vom Rohvermögen abgezogen werden kann.

Der im Streitfall gegebene Sachverhalt unterscheidet sich von den Fällen, in denen das aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedene Wirtschaftsgut oder das an seine Stelle getretene Ersatzwirtschaftsgut am Veranlagungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen vorhanden ist, ganz entscheidend dadurch, daß dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers gar nicht "zugeführt" wurde, sondern daß sich sein Wert durch den Wegfall der persönlichen Steuerschulden vermehrt hat. Es liegt hier keine doppelte steuerliche Erfassung desselben Wirtschaftsgutes oder eines an seine Stelle getretenen Ersatzwirtschaftsgutes vor, sondern es wird nur ein Wirtschaftsgut, nämlich der entnommene Geldbetrag, versteuert, obwohl er am Veranlagungszeitpunkt nicht mehr vorhanden ist. Dieser Fall ist in § 64 Ziff. 2 a BewG nicht geregelt. Es liegt hier nicht etwa eine Gesetzeslücke vor, denn diese Besteuerung eines am Veranlagungszeitpunkt nicht mehr vorhandenen Vermögenswertes ist eine Folge der gesetzlichen Regelung in § 63 Abs. 3 BewG, die der Bg. mit der Antragstellung - wie oben dargelegt wurde - in Kauf genommen hat. Es geht nicht an, diese Folge dadurch zu beseitigen, daß man § 64 Ziff. 2 a BewG entgegen seinem Wortlaut so auslegt, wie es das Finanzgericht getan hat. Der Reichsfinanzhof hat mit Recht seine frühere Auffassung im Urteil III 61, 62/39 vom 27. Juni 1940 (a. a. O.) nach nochmaliger überprüfung im Urteil III 121/42 vom 6. Mai 1943 (a. a. O.) aufgegeben.

Die Bg. können sich auch nicht darauf berufen, daß sie die Besteuerung hätten vermeiden können, wenn sie die Personensteuern aus dem auch ohne die Entnahmen dazu ausreichenden sonstigen Vermögen bezahlt hätten. Der Besteuerung kann nur der Sachverhalt zugrunde gelegt werden, der tatsächlich vorliegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411493

BStBl III 1965, 190

BFHE 1965, 524

BFHE 81, 524

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