Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek - Nachholung der Bekanntgabe
Leitsatz (NV)
Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach die fehlende Bekanntgabe des Antrags des FA an das Grundbuchamt auf Eintragung einer Sicherungshypothek an den Betroffenen noch während des Klageverfahrens nachgeholt werden kann. Die gegen die Wirksamkeit des Eintragungsersuchens gerichtete Anfechtungs- oder Feststellungsklage ist dann als unbegründet abzuweisen.
Normenkette
AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1 S. 1, § 322 Abs. 3; FGO § 41 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beantragte bei dem zuständigen Amtsgericht (Grundbuchamt) wegen Steuerschulden des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) die Eintragung einer Zwangshypothek auf dem Miteigentumsanteil des Klägers an einem Grundstück. Das Eintragungsersuchen enthielt die Bestätigung gemäß § 322 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977), daß die gesetzlichen Voraussetzungen der Vollstreckung vorlägen. Die Eintragung der beantragten Zwangshypothek erfolgte am . . . Auf die Rüge des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das Eintragungsersuchen sei dem Kläger gegenüber nicht bekanntgegeben worden, übersandte das FA mit Verfügung vom . . . dem Kläger eine Abschrift des Eintragungsantrags und teilte dies dem Prozeßbevollmächtigten mit. Der Kläger erhob daraufhin Klage, mit der er beantragte, festzustellen, daß die durch das FA getroffene Entscheidung, daß die Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 322 Abs. 3 AO 1977 vorlägen, nicht wirksam geworden sei.
Das Finanzgericht (FG) sah die vom Kläger erhobene Feststellungsklage, mit der die Unwirksamkeit des Eintragungsersuchens mit dem Vollstreckbarkeitsvermerk festgestellt werden sollte, als zulässig und begründet an und entschied im Sinne des Klageantrags.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 322 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 i. V. m. § 867 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 365 Abs. 3 AO 1977). Es vertritt die Auffassung, die nachgeholte Bekanntgabe des Eintragungsantrags hätte bei der Entscheidung des FG gemäß § 365 Abs. 3 AO 1977 nicht außer Betracht bleiben dürfen. Das gelte um so mehr, als die Bekanntgabe vor der Klageerhebung erfolgt sei. Die Rechtsauffassung des FG, das seine Beurteilung allein auf das Eintragungsersuchen beschränkt habe, entspreche nicht den Grundsätzen der Prozeßökonomie. Denn die Feststellung der Nichtigkeit dieser Verfahrenshandlung des FA habe nicht zur Folge, daß die Löschung der Sicherungshypothek zu bewilligen wäre. Die Zwangshypothek sei mit der Eintragung im Grundbuch entstanden (§ 322 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 i. V. m. § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der ursprünglich vorhanden gewesene Bekanntgabemangel des Eintragungsantrags führe entgegen der Auffassung des FG nicht zur Nichtigkeit der eingetragenen Zwangshypothek. Selbst ein Mangel wie die unterbliebene Zustellung des Vollstreckungstitels gemäß § 750 ZPO könne nach Eintragung der Zwangshypothek noch behoben werden mit der Folge, daß die Hypothek rückwirkend zum Zeitpunkt der Eintragung mit rangwahrender Wirkung entstehe. Wenn aber die Zustellung des Vollstreckungstitels als echte materiell-rechtliche Voraussetzung nachholbar sei, so müsse dies auch für die bloße Bekanntgabe des Antrags auf Eintragung der Sicherungshypothek gelten. Durch die Bekanntgabe des Eintragungsersuchens sei somit die Zwangshypothek rückwirkend zum Zeitpunkt ihrer Eintragung mit rangwahrender Wirkung entstanden, so daß der Kläger trotz des ergangenen Feststellungsurteils nicht ihre Löschung erlangen könne.
Der Kläger meint, die nachgeholte Bekanntgabe des Eintragungsersuchens könne keine heilende Wirkung haben, da das FA ursprünglich keinen Verwaltungsakt habe erlassen wollen. Im übrigen sei die Forderung des FA verjährt, so daß auch deshalb das Eintragungsersuchen nicht mehr wirksam habe bekanntgegeben werden können.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG ist mit Recht davon ausgegangen, daß es sich bei dem streitbefangenen Antrag des FA an das Grundbuchamt auf Eintragung einer Sicherungshypothek auf dem Grundstücksmiteigentumsanteil des Klägers diesem gegenüber um einen Verwaltungsakt handelt, der ihm gemäß §§ 122 Abs. 1, 124 Abs. 1 AO 1977 bekanntzugeben war. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen erforderlichen Anträge des FA als Vollstreckungsgläubiger zumindest dann Verwaltungsakte, wenn sie - wie im Streitfall vom FG festgestellt - die nach § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 erforderliche Bestätigung enthalten, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen, weil nämlich das Vollstreckungsgericht oder das Grundbuchamt nach § 322 Abs. 3 Satz 3 AO 1977 an diese Feststellung gebunden sind (Beschlüsse vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236; vom 25. Januar 1988 VII B 85/87, BFHE 152, 53, BStBl II 1988, 566; vom 31. Januar 1989 VII B 98/88, BFH/NV 1989, 620; Urteil vom 17. Oktober 1989 VII R 77/88, BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44). Der Senat ist in den genannten Entscheidungen davon ausgegangen, daß der Vollstreckungsschuldner gegen das mit dem Vollstreckbarkeitsvermerk (§ 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977) versehene Eintragungsersuchen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) und vorläufigen Rechtsschutz mit dem Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO) erlangen kann, wenn ihm der Antrag des FA an das Grundbuchamt nicht bekanntgegeben und er deshalb ihm gegenüber nicht wirksam geworden ist.
Das FG hat demgegenüber die vom Kläger erhobene Feststellungsklage, mit der die Unwirksamkeit der mit dem Eintragungsersuchen vom . . . verbundenen Vollstreckbarkeitsbestätigung (§ 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977) festgestellt werden sollte, als das zulässige Rechtsmittel angesehen. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Kläger im Streitfall im Hinblick auf die Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 41 Abs. 2 FGO) die Unwirksamkeit des Eintragungsersuchens nebst Vollstreckbarkeitsvermerk nur im Wege der Anfechtungsklage - hier erst nach erfolgloser Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 349 AO 1977, § 44 FGO) - hätte geltend machen können oder ob er - wie das FG meint - gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO auch ohne Vorverfahren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vollstreckbarkeitsbestätigung als Verwaltungsakt klagen konnte. Denn selbst wenn die Feststellungsklage zulässig sein sollte, so ist sie jedenfalls - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht begründet.
2. Das FA hat bei der Antragstellung an das Grundbuchamt die Bekanntgabe des Grundbucheintragungsantrags, der die Bestätigung gemäß § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 enthielt, gegenüber dem Kläger unterlassen. Damit ist das Eintragungsersuchen mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung dem Kläger gegenüber als Verwaltungsakt zunächst nicht wirksam geworden (§ 122 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Nach den Feststellungen des FG hat aber das FA auf die Rüge des Bevollmächtigten hin die Bekanntgabe des Eintragungsersuchens gegenüber dem Kläger mit Verfügung vom . . . nachgeholt. Diese Nachholung der Bekanntgabe des Verwaltungsakts gegenüber dem betroffenen Vollstreckungsschuldner durfte bei der Entscheidung des FG nach der Rechtsprechung des Senats nicht außer Betracht gelassen werden (vgl. Beschluß in BFH/NV 1989, 620, 622 und Urteil in BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).
a) Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44 entschieden hat, macht die Unwirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Vollstreckungsschuldner (hier Kläger) das Eintragungsersuchen nicht auch unwirksam gegenüber dem Grundbuchamt, da es sich diesem gegenüber lediglich um eine Verfahrenshandlung (§ 38 der Grundbuchordnung - GBO -) handelt. Die auf dem Grundstücksanteil des Klägers eingetragene Sicherungshypothek ist somit mit ihrer Eintragung wirksam entstanden (§ 322 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 i. V. m. § 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO), obwohl dem Kläger das Eintragungsersuchen - jedenfalls zunächst - nicht bekanntgegeben worden ist. Die mangelnde Bekanntgabe des Eintragungsersuchens gegenüber dem Kläger hatte lediglich zur Folge, daß dieser dem FA gegenüber das Eintragungsersuchen mit dem Bestätigungsvermerk als ihm gegenüber unwirksamen Verwaltungsakt hätte anfechten können. Bei einem Erfolg der Anfechtungsklage (Aufhebung des Eintragungsersuchens) wäre das FA verpflichtet gewesen, die eingetretenen Folgen des Eintragungsantrags im Wege der Erteilung einer Löschungsbewilligung von sich aus zu beseitigen (vgl. Beschluß des Senats in BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236, 239, und Urteil des Senats in BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).
b) Der Senat hat in BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44 weiter ausgeführt, daß der Mangel der Bekanntgabe eines Eintragungsersuchens an den Vollstreckungsschuldner noch während des Klageverfahrens gegen den Eintragungsantrag behoben werden kann. Das hat zur Folge, daß das Eintragungsersuchen nunmehr als Verwaltungsakt wirksam wird und vom FG nicht mehr augehoben werden darf. Die eingetragene Sicherungshypothek behält den Rang entsprechend dem Zeitpunkt ihrer Eintragung. Wegen der näheren Begründung der dargelegten Rechtsauffassung verweist der Senat auf seine vorstehend zitierte Entscheidung.
Die Rechtsauffassung des Senats steht nicht im Gegensatz zur Vorentscheidung und zur Auffassung des Klägers, wonach eine spätere Bekanntgabe des Eintragungsersuchens mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung des FA an den Vollstreckungsschuldner nicht die Wirkung haben kann, daß eine unwirksame Verfügung gemäß § 322 Abs. 3 Sätze 1 und 2 AO 1977 als Verwaltungsakt rückwirkend geheilt wird. Der Senat geht nicht von einer Heilung mit Rückwirkung, sondern von der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes (ex nunc) ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe an den betroffenen Vollstreckungsschuldner aus (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Vor diesem Zeitpunkt war das Eintragungsersuchen lediglich als Verfahrenshandlung i. S. des § 38 GBO gegenüber dem Grundbuchamt wirksam. Als solche konnte es aber - im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Vorentscheidung - die oben angeführten grundbuchrechtlichen Wirkungen auslösen. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein Fall der Ersetzung eines Verwaltungsakts i. S. der § 365 Abs. 3 AO 1977, § 68 FGO vor.
Die Tatsache, daß das FA zunächst davon ausging, es bedürfe mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts keiner Bekanntgabe des Eintragungsantrags mit dem Bestätigungsvermerk gemäß § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 an den Kläger, schließt nicht aus, daß es später - nachdem es Kenntnis von der hierzu ergangenen neueren Rechtsprechung des Senats erlangt hatte - bei der Bekanntgabe des Eintragungsersuchens an den Kläger mit dem Bewußtsein und dem Willen handelte, einen Verwaltungsakt wirksam bekanntgeben zu wollen. Nach den Feststellungen des FG ist der hier maßgebliche Verwaltungsakt dem Kläger noch vor der Klageerhebung mit Verfügung vom . . . bekanntgegeben worden. Damit lag im Zeitpunkt des Ergehens der Vorentscheidung dem Kläger gegenüber eine wirksame Vollstreckbarkeitsbestätigung i. S. des § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 vor, die das FG bei seiner Entscheidung nicht unberücksichtigt lassen durfte. Das FG hat demnach zu Unrecht festgestellt, daß die Entscheidung des FA gemäß § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 dem Kläger gegenüber nicht wirksam geworden sei. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.
c) Hinsichtlich des nicht näher substantiierten Vorbringens des Klägers, im Zeitpunkt der nachträglichen Bekanntgabe des Eintragungsersuchens sei die Forderung des FA bereits verjährt gewesen, verweist der Senat ebenfalls auf seine Entscheidung in BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44, wonach zur Unterbrechung der Zahlungsverjährung nach § 231 Abs. 1 AO 1977 das mit dem Bestätigungsvermerk gemäß § 322 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 verbundene Eintragungsersuchen des FA an das Grundbuchamt ausreicht und es hierfür nicht der Bekanntgabe an den Vollstreckungsschuldner bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 417540 |
BFH/NV 1992, 4 |