Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Ob ein aus frischen Trauben hergestelltes Erzeugnis als Most oder als Wein zu tarifieren ist, richtet sich allein nach der Abgrenzung der beiden Warenbegriffe in den zolltariflichen Vorschriften.

Es kommt nicht darauf an, was das Weingesetz oder die Verkehrsanschauung unter Wein versteht und ob das Erzeugnis in seinem Ursprungsland als Wein angesehen wird.

 

Normenkette

ZG § 21/1; ZTG § 1

 

Tatbestand

Gegenstand des Streites ist die Tarifierung eines von der Revisionsklägerin - im folgenden Abgabepflichtigen - im Mai 1960 eingeführten Getränkes mit der handelsüblichen Bezeichnung "Freisa d' Asti". Es handelte sich dabei um den süßen Typ des "Freisa d' Asti" mit niedrigem Alkoholgehalt 47,70 g/l = 6,04 Vol %) und hohem Zuckergehalt (85,80 g/l).

Die Zollverwaltung sieht die Ware auf Grund eines Gutachtens der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) als teilweise vergorenen Traubenmost der Tarifnr. 22.04 des Zolltarifs (ZT) 1959 an, während die Abgabepflichtige Tarifierung als Wein der Tarifnr. 22.05 ZT 1959 begehrt.

Der Einspruch gegen den Zollbescheid blieb erfolglos, die Berufung führte infolge änderung der Zollwertfeststellung zu einer geringfügigen Ermäßigung des angeforderten Abgabenbetrages, hatte aber bezüglich der Tarifierung ebenfalls keinen Erfolg.

Mit ihrer nunmehr als Revision anzusehenden Rechtsbeschwerde rügt die Abgabepflichtige Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften, nämlich mangelnde Sachaufklärung, und sachlich-rechtlicher Vorschriften, nämlich falsche Auslegung der Tarifnrn. 22.04 und 22.05. Sie beantragt, unter änderung des Urteils des Finanzgerichts (FG) den Steuernachforderungsbescheid des Zollamts vom 4. November 1960 und die Einspruchsentscheidung des Hauptzollamts vom 6. November 1961 ersatzlos aufzuheben, hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Revisionsbeklagte hält an der in seiner Einspruchsentscheidung und in dem Urteil des FG vertretenen Rechtsauffassung fest und beantragt demgemäß Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG ausgesprochen, daß es für die hier zu entscheidende Frage, ob die eingeführte Ware nach ihrer Beschaffenheit im Zeitpunkt des Antrages auf Abfertigung zum freien Verkehr (§§ 58, 59 ZG 1939) der Tarifnr. 2204 oder aber der Tarifnr. 22.05 ZT 1959 zuzuweisen war, nicht darauf ankommt, was das Weingesetz oder die Verkehrsanschauung unter Wein versteht oder ob das Erzeugnis in seinem Ursprungsland als Wein angesehen wird, sondern ausschließlich darauf, was nach dem ZT als Wein oder als Traubenmost anzusehen ist.

Es ist ihm auch darin zuzustimmen, daß die Abgrenzung der Warenbegriffe der Tarifnrn. 22.04 und 22.05 gegeneinander in den zolltariflichen Vorschriften, nämlich den beiden Tarifnummern selbst und den dazu als Rechtsverordnung erlassenen, die Gerichte also bindenden Erläuterungen, hinreichend klar zum Ausdruck gekommen ist. Es hat daher der Antrag der Abgabepflichtigen, die Verkehrsanschauung darüber, was Wein ist, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln, zu Recht abgelehnt. Die Rüge der Abgabepflichtigen, die in dieser Unterlassung einen Verfahrensmangel erblickt, ist daher unbegründet.

Da in die Tarifnr. 22.04 ZT 1959 nach ihrem Wortlaut "Traubenmost, teilweise vergoren, auch ohne Alkohol stummgemacht" gehört und hinsichtlich des Grades der Vergärung von Traubenmost der Tarifnr. 22.04 keine Grenze festgelegt ist, ist auch die Entscheidung des FG rechtlich zutreffend, daß die von Hieronimi (Kommentar zum Weingesetz, 2. Aufl., Anm. 3 b zu § 1 des Weingesetzes - WG -) getroffene Unterscheidung zwischen Traubenmost und Wein, die es auf die Beendigung der Hauptgärung abstellt, für den ZT nicht maßgebend ist. Denn da die Tarifnr. 22.04 teilweise vergorenen Traubensaft schlechthin umfaßt, fällt auch Traubenmost, der sich im Stadium der Nachgärung befindet oder dessen Gärung vor ihrer natürlichen Beendigung - ohne Alkohol - unterbrochen worden ist, unter die Tarifnr. 22.04, wie sich eindeutig für das Letztere aus dem Wortlaut der Tarifnr. 22.04 selbst und im übrigen aus der Erläuterung I zu Tarifnr. 22.04 ZT 1959 ergibt. Die Rüge der Abgabepflichtigen, das FG hätte durch einen Sachverständigen klären lassen müssen, ob die strittige Ware bereits die Hauptgärung durchgemacht hatte, geht daher fehl.

Zu dem Einwand der Abgabepflichtigen, das eingeführte Erzeugnis sei im Zeitpunkt der Abfertigung nicht mehr in Gärung gewesen, sondern lediglich die von der ZPLA untersuchte Flasche sei nachträglich wieder in Gärung geraten, hat das FG ausgesprochen, daß es hierauf für die Entscheidung des Streitfalles nicht ankomme. Denn selbst wenn man unterstelle, daß die strittige Ware möglicherweise nachträglich nur zum Teil wieder in Gärung geraten sei, so müsse doch jedenfalls ihre Gärung noch während der Hauptgärung oder kurz danach künstlich unterbrochen worden sein, da die Zusammensetzung des Erzeugnisses, wie sie sich aus der Analyse der italienischen Untersuchungsanstalt bezüglich des Alkohol- und Zuckergehaltes ergebe, keine andere Möglichkeit zulasse. Da aber ein mit Alkohol stummgemachter Most im Sinne der Tarifnr. 22.05 schon im Hinblick auf den geringen Alkoholgehalt (6,04 Vol. %) nicht hätte vorliegen können, sei das Erzeugnis zumindest als ein ohne Alkohol stummgemachter Traubenmost anzusehen und dementsprechend der Tarifnr. 22.04 zuzuweisen. Diese Feststellungen des FG beruhen auf überlegungen, die in sich schlüssig sind und den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen des Lebens entsprechen; sie können daher mit der Revision nicht mit Erfolg angegriffen werden.

Auch den von der Abgabepflichtigen in der Revision wiederholten Einwand, daß dann zwangsläufig alle süßgehaltenen und perlenden Tischweine, wie süßgehaltener Bordeaux oder portugiesische süße Tischweine, bei denen die Gärung zwecks Haltbarmachung unterbrochen würde, der Tarifnr. 22.04 zugeordnet werden müßten, hat das FG mit der zutreffenden Begründung zurückgewiesen, daß die hier angesprochenen Erzeugnisse mit dem den Gegenstand dieses Streites bildenden Erzeugnis nicht verglichen werden könnten, da sie im Gegensatz zu diesem einen hohen Gehalt an Weingeist und Zucker aufweisen, und weil sie, insoweit es sich um Erzeugnisse handelt, die als Dessertwein oder mit Alkohol stummgemachter Most anzusprechen sind, nach Erläuterung I Abs. 4 zu Tarifnr. 22.05 in diese Tarifnummer gehören.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411978

BStBl III 1966, 338

BFHE 1966, 360

BFHE 85, 360

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