Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Rentenzahlungen in Verbindung mit der Betriebsübergabe von Eltern an Kinder, wenn das Rentenstammrecht den Wert des Betriebs übersteigt.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Klempner- und Installateurmeister. Sein Vater betrieb seit 1912 eine Bauklempnerei. Als dieser im Februar 1950 starb, übernahm seine schon früher in dem Geschäft tätige Ehefrau, die Mutter des Stpfl., als Alleinerbin den Betrieb. Nach dem gemeinschaftlichen Testament sollte der Nachlaß des zuletzt Verstorbenen an die beiden Söhne Richard und Walter (Stpfl.) fallen.

Durch Vertrag vom 30. April 1950 übertrug die Mutter das Geschäft mit Wirkung vom 1. Mai 1950 auf den Stpfl., der Ende 1949 aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war. Er verpflichtete sich dafür, seiner Mutter auf Lebenszeit eine monatliche Rente von mindestens 95 DM zu zahlen. Eine Erhöhung der Rente blieb bei steigendem Umsatz vorbehalten. § 3 des Vertrages lautet: "Die Rente wird auf Lebenszeit gezahlt und ist der Gegenwert für das rund 40 Jahre bestehende Geschäft."

Die Rente von 100 DM monatlich, mithin 1.200 DM jährlich, machte der Stpfl. im Jahre 1951 als Betriebsausgabe geltend. Das Finanzamt erkannte diese Ausgabe nicht an und erhöhte den erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb von 3.229 DM auf. 4.429 DM. Seine Auffassung begründete es wie folgt:

Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen seien grundsätzlich nicht abzugsfähig (ß 12 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Eine Ausnahme, die nur gegeben sei, wenn der Unterhalt als Gegenleistung für eine Leistung des Empfängers gewährt werde, liege nicht vor, denn die Zuwendung beruhe auf familienrechtlichen Beziehungen. Leistung und Gegenleistung stünden nicht in einem angemessenen Verhältnis. Hierfür sei der Wert des Betriebsvermögens von 1.500 DM nach dem Stande vom 26. Juni 1948 zu gering. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß für die überlassung eines Geschäfts mit einem so geringen Betriebsvermögen eine Rente von 1.200 DM jährlich gezahlt werde. Für ihre Gewährung sei der Versorgungsgedanke vorherrschend gewesen. Die überlassung des Geschäftes habe eine untergeordnete Rolle gespielt.

Der Stpfl. war der Ansicht, die Voraussetzungen des § 12 Ziff. 2 EStG seien nicht gegeben. Seine Mutter habe den Betrieb nur gegen die Verpflichtung des Unterhalts bis zum Lebensende abgegeben. Wäre er nicht im Jahre 1949 aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekommen, so wäre ein Fremder Betriebsinhaber geworden. Seiner Leistung stehe eine angemessene Gegenleistung in der überlassung des fast 40jährigen Betriebes mit umfangreichen Geschäftsverbindungen gegenüber. Eine Rente in Höhe von 5 bis 10 % des Umsatzes sei durchaus üblich. Nach seiner Auffassung handle es sich bei den Rentenleistungen um Pachtzahlungen und damit um Betriebsausgaben.

Das FG sah die Berufung als begründet an und führte folgendes aus:

Dem Vorbringen des Stpfl., daß ihm seine Mutter das Geschäft lediglich gegen die Zahlung einer Entschädigung "überlassen" habe, und daß es sich dabei gewissermaßen um einen Pachtvertrag handle, die als Rente bezeichneten Zahlungen also Pachtleistungen seien, vermöge das Gericht nicht zu folgen. Der Vertrag des Stpfl. mit seiner Mutter vom 30. April 1950 lasse nicht erkennen, daß die Mutter Eigentümerin des Geschäftes geblieben sei, und ihrem Sohn, dem Stpfl., nur die befristete Nutzung gegen Entgelt überlassen habe, was für die Annahme eines Pachtverhältnisses Voraussetzung wäre. Es erkenne jedoch die Rentenzahlungen als betriebliche Veräußerungsrente und damit als Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG an. Bei Abschluß des Vertrages seien beide Vertragspartner von dem Gedanken der Leistung und Gegenleistung ausgegangen. Dafür spreche die Fassung des § 3 des Vertrages, in dem die Rente als Gegenwert für das Geschäft bezeichnet werde. Bei einer nur wirtschaftlichen Sicherung der alternden Mutter wäre diese Bestimmung überflüssig gewesen. Leistung und Gegenleistung stünden sich auch tatsächlich gleichwertig gegenüber. Der Betrieb sei seit 38 Jahren in Familienbesitz. Es seien hierdurch langjährige Geschäftsverbindungen angeknüpft worden. Der Umstand, daß aus dem Geschäft bisher keine größeren Gewinne erzielt worden seien, sei nicht entscheidend. Der Betrieb habe bis zum Tode des Vaters vier Personen ernährt. Mutter und Sohn hätten den Wert des Betriebes genau gekannt. Es handle sich um einen alteingesessenen Betrieb mit einem festen Kundenstamm.

Das FG ging auf Grund dieser Begründung bei der Festsetzung der Steuer von dem erklärten Gewinn von 3.229 DM aus, kürzte also den vom Finanzamt errechneten Gewinn von 4.429 DM um den umstrittenen Betrag von 1.200 DM.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamts ist der Ansicht, daß das FG bei seiner Annahme einer Veräußerungsrente das Einkommen nicht richtig errechnet habe. Es habe den vom Finanzamt errechneten Gewinn von 4.429 DM um die vollen 1.200 DM gekürzt. Bei Annahme einer Veräußerungsrente hätte es das Stammrecht passivieren und den in der Rente enthaltenen Tilgungsbetrag des Stammrechts erfolgsneutral behandeln müssen. Im übrigen ist das Finanzamt im Rechtsbeschwerdeverfahren nunmehr der Ansicht, daß es sich um eine gemischte Rente handele, die zum Teil eine Unterhalts- und zum Teil eine Veräußerungsrente darstelle. Nach seiner Auffassung hätte jedoch der Betrag von 1.200 DM in vollem Umfange mit den 1.500 DM (Wert des Betriebsvermögens) verrechnet werden müssen. Im Ergebnis sei die Einspruchsentscheidung zutreffend gewesen.

Der Stpfl. vertritt im Rechtsbeschwerdeverfahren wie bei den Vorbehörden die Auffassung, es habe sich um keine Betriebsveräußerung, sondern lediglich um eine Verpachtung gehandelt. Die 1.200 DM seien deshalb als Betriebsausgaben anzuerkennen. Es sei somit die Rb. des Finanzamts im Ergebnis unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung ergibt folgendes:

Dem Finanzamt ist darin beizupflichten, daß das FG die rechtlichen Folgerungen aus seiner tatbestandsmäßigen Würdigung (Veräußerungsrente) nicht ordnungsgemäß bezogen hat. Hinsichtlich der Behandlung einer Rente bei Betriebsveräußerung siehe Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I A 241/32 vom 13. Februar 1934, Reichssteuerblatt (RStBl) 1934 S. 837, und IV 456/39 vom 26. Juli 1939, RStBl 1939 S. 1120. Im Ergebnis hat es die Rente wie eine Versorgungsrente nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG behandelt. Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden.

Es erscheint zweckmäßig, die Sache nochmals an das FG zurückzuverweisen.

Das Finanzamt nimmt nunmehr im Rechtsbeschwerdeverfahren bei seiner Würdigung des Tatbestandes eine gemischte Rente an. Zu derartigen Fällen hat bereits die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 384/52 U vom 10. April 1953, Slg. Bd. 57 S. 400, Bundessteuerblatt (BStBl) 1953 III S. 157, Stellung genommen. Nach dem Rechtssatz 2 dieser Entscheidung liegen Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen im Sinne des § 12 Ziff. 2 EStG insoweit vor, als die Zuwendungen über den Rahmen dessen hinausgehen, was der Empfänger für seine Leistung nach bürgerlichem Recht zu beanspruchen hat. Bei der Entscheidung IV 384/52 U handelt es sich um Zinsen auf eine Forderung, die der Tochter als Ausstattung in Anrechnung auf ihren Erbteil gegeben worden ist. Gleichartige Grundsätze spricht auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 391/52 U vom 3. Juni 1953, Slg. Bd. 57 S. 694, BStBl 1953 III S. 265, für eine Rente aus, die in Verbindung mit der Abtretung einer Kommanditbeteiligung der Mutter an den Sohn vereinbart worden ist.

Die Frage, ob es sich um eine Veräußerungsrente oder um eine Versorgungsrente nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG bei dem Teil der Rente handelt, für den eine Gegenleistung getätigt worden ist, liegt in erheblichem Umfang auf tatsächlichem Gebiet. Wie bereits die Vorbehörden ausgeführt haben, ist zu entscheiden, ob durch die Rente lediglich die Versorgung des Rentenberechtigten beabsichtigt war, oder ob in ihr der Kaufpreis für die übergabe des Betriebes zu erblicken ist. Im allgemeinen wird man in den Fällen, in denen der Rentenverpflichtete zusätzliche freiwillige Rentenleistungen tätigt, um die Versorgung des Rentenberechtigten sicherzustellen, in der gesamten Rente einheitlich eine Versorgungsrente annehmen können, die teilweise unter § 10 Abs. 1 Ziff. 1 und teilweise unter § 12 Ziff. 2 EStG fällt. Mit Rücksicht darauf, daß bei der Frage, ob eine Veräußerungsrente oder eine Versorgungsrente vorliegt, gegensätzliche steuerliche Interessen des Rentenberechtigten und des Rentenverpflichteten bestehen können, empfiehlt es sich zur Feststellung des Tatbestandes sowohl den Berechtigten wie den Verpflichteten zu hören. Im allgemeinen wird für die Steuerpflichtigen (Eltern und Kinder zusammenbetrachtet) die Versorgungsrente steuerlich günstiger sein.

Bei der Frage, ob Leistung und Gegenleistung sich angemessen gegenüberstehen, wird man innerhalb des natürlich gegebenen Schätzungsrahmens der Auffassung der Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zumessen müssen. Dies wird insbesondere für handwerkliche Betriebe zu gelten haben, bei denen der Wert des Betriebes nicht durch ein vielleicht verhältnismäßig geringes Anlagevermögen bestimmt wird. Das Verwaltungsgericht hat im Streitfall auf diesen Gesichtspunkt bereits hingewiesen. Der Betrieb kann für den Handwerksmeister eine sichere Arbeitsstätte darstellen, ähnlich wie es auch bei kleineren landwirtschaftlichen Betrieben häufig der Fall sein wird.

Der Auffassung des Finanzamts, daß bei einer mit einer Veräußerungsrente verbundenen freiwilligen Rentenzahlung nach § 12 Ziff. 2 EStG die Rentenleistungen zunächst in ihrer Gesamtheit mit dem Kapital (im vorliegenden Falle 1.500 DM) verrechnet werden müßten, kann nicht gefolgt werden. Die Rente muß entsprechend aufgeteilt werden. Soweit es sich um eine Veräußerungsrente handelt, sind die hierfür geltenden Grundsätze anzuwenden. Soweit die Rente eine freiwillige Zuwendung darstellt, ist nach § 12 Ziff. 2 EStG zu verfahren.

Bei der erneuten Würdigung der Sache durch das Verwaltungsgericht kann gegebenenfalls auch das Vorbringen des Stpfl. in der Rb., es handle sich um Pachtzahlungen, nochmals gewürdigt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408440

BStBl III 1956, 126

BFHE 1956, 339

BFHE 62, 339

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