Entscheidungsstichwort (Thema)

Freibetrag für freie Berufe bei Verlusten?

 

Leitsatz (NV)

Der Freibetrag für freie Berufe gem. § 18 Abs. 4 EStG in der bis 1989 geltenden Fassung kann nicht gewährt werden, wenn Verlusten aus der freiberuflichen Tätigkeit Einnahmen aus Kapitalvermögen gegenüberstehen, mögen diese sich wegen des Werbungskostenpauschbetrages und des Sparerfreibetrages auch nicht auswirken.

 

Normenkette

EStG 1983 § 18 Abs. 4, § 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wird, betreibt ein . . .; die hieraus resultierenden Einkünfte beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als solche aus selbständiger Tätigkeit. Für das Streitjahr (1985) ergab sich ein Verlust in Höhe von 5 540 DM. Daneben erzielte die Klägerin geringfügige Einnahmen aus Kapitalvermögen, die jedoch nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrages und des Sparerfreibetrages nicht in die Steuerbemessungsgrundlage eingingen. Der Ehemann der Klägerin bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 64 084 DM. Bei der Einkommensteuerveranlagung der Ehegatten verrechnete das FA zwar die Verluste der Klägerin mit den positiven Einkünften ihres Ehemannes, bezog in die Verrechnung aber den Freibetrag für freie Berufe i.S. des § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis 1989 geltenden Fassung nicht mit ein.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt die fehlerhafte Anwendung der §§ 18 Abs. 4 und 20 Abs. 4 EStG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einkommensteuerbescheid 1985 in der Weise zu ändern, daß der Freibetrag des § 18 Abs. 4 EStG berücksichtigt wird.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin ein Freibetrag nach § 18 Abs. 4 EStG nicht abzusetzen ist. Die Gewährung des Freibetrages hängt davon ab, daß die Einkünfte aus der freien Berufstätigkeit die anderen Einkünfte überwiegen. Das kann nach allgemeiner Auffassung auch dann der Fall sein, wenn die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit negativ sind (vgl. z. B. Abschn. 148 Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1987).

Es kann dahinstehen, ob diese Auffassung zutrifft (a.A.: Buciek, Finanz-Rundschau 1987, 3). Unterstellt man ihre Richtigkeit, so sind die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 EStG dann nicht erfüllt. wenn die übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen positiv oder aber in geringerem Umfang negativ (näher zu Null) sind (vgl. FG Münster, Urteil vom 25. November 1965 I a 456/65, Entscheidungen der Finanzgerichte 1966, 225; Schmidt / Seeger, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 18 Anm.32; Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 18 EStG Anm.174).

1. Der Senat vertritt nicht die Auffassung, daß bei der Beantwortung der Frage, ob die freiberuflichen Einkünfte die anderen überwiegen, die anderen Einkünfte als nicht bezogen anzusehen sind, wenn sie 0 DM betragen oder negativ sind. Sie sind vielmehr in die Vergleichsrechnung einzubeziehen, sofern überhaupt Einnahmen vorliegen. Sind nämlich Einnahmen aus einer der in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkunftsarten vorhanden, so liegen auch Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift vor, mögen sie positiv oder negativ sein, oder auf 0 DM lauten (zu einer möglichen Einschränkung s. unten unter 3.). Eine andere Lösung würde zudem dazu führen, daß beispielsweise ein Steuerpflichtiger, der Verluste aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 10 001 DM erlitten hat und dessen übrige Einkünfte sich nach Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten auf ./. 1 DM belaufen, den Freibetrag in Anspruch nehmen könnte, während diese Möglichkeit einem Steuerpflichtigen, der freiberufliche Einkünfte von 0 DM erzielt hat, während seine anderen Einkünfte 1 DM betrugen, versagt wäre, obwohl im ersten Fall die sonstigen Einkünfte die aus freiberuflicher Tätigkeit um 10 000 DM, im zweiten Fall nur um 1 DM übersteigen.

2. Der Senat vermag der Klägerin auch nicht darin zu folgen, daß Einkünfte aus der Nutzung von Kapitalvermögen als nicht existent anzusehen sind, sofern sie unter dem in § 20 Abs. 4 EStG normierten Freibetrag liegen. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. Dezember 1975 VIII R 147/71 (BFHE 117, 557, BStBl II 1976, 360) berufen. In diesem Urteil wurde entschieden, daß der steuerfreie Teil eines Veräußerungsgewinns nicht mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten zu verrechnen sei, weil es sich nicht um eine tarifliche Begünstigung , sondern um eine sachliche Steuerbefreiung handle. Bei Anwendung dieses Grundsatzes mag es sein, daß der Freibetrag nach § 20 Abs. 3 EStG bei der in § 18 Abs. 4 EStG geforderten Vergleichsrechnung außer Betracht zu bleiben hat. Das bedeutet jedoch nur, daß aus Kapitalnutzung herrührende Überschüsse bis zur Höhe von 300 DM wie Einkünfte in Höhe von 0 DM behandelt werden. Es bedeutet dagegen nicht, daß sie als ,,nicht bezogen" gelten. Es wäre nämlich nicht einzusehen, warum Kapitaleinkünfte in Höhe von 200 DM nicht existent sein sollen, während Verluste aus Kapitalnutzung mit anderen Einkünften verrechnet werden können und somit steuerlich durchaus von Bedeutung sind.

3. Es kann dahinstehen, ob in der in § 18 Abs. 4 EStG vorgesehenden Vergleichsrechnung Einnahmen, die schlechthin steuerfrei sind, als nicht bezogen anzusehen sind. Solche Einnahmen können nach § 3c EStG nicht zu Verlusten führen. Das gilt für Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus der Nutzung von Kapitalvermögen jedoch nicht.

4. Diese Lösung mag als formal erscheinen; das hängt aber unmittelbar mit der vom Gesetzgeber gewählten Gestaltung zusammen. In dem Bestreben, nicht jeden Steuerpflichtigen, der u.a. auch Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit bezieht, in den Genuß des Freibetrages kommen zu lassen, hat er zulässigerweise eine generalisierende Regelung gewählt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417002

BFH/NV 1990, 566

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