Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg in Liquidationsfällen; Voraussetzungen einer Kürzung gem. § 9 Nr. 2a GewStG und einer Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Kürzungsbeträgen i.S. des § 9 Nr. 2 a GewStG gehört auch die Liquidationsrate, mit der das nach Abschluss der Liquidation verbliebene Reinvermögen an die Anteilseigner ausgekehrt wird, soweit nicht Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 (EK 04) als verwendet gilt (Anschluss an das BFH-Urteil vom 2. April 1997 X R 6/95, BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25). Soweit im Rahmen der Gewinnermittlung die Anteile an der Untergesellschaft infolge des Untergangs des Wirtschaftsguts "Beteiligung" aus der Bilanz eines Anteilseigners auszubuchen sind, mindert dies nicht den Kürzungsbetrag i.S. des § 9 Nr. 2 a GewStG.
2. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ist nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG zu erhöhen, soweit aufgrund der ausgekehrten Liquidationsrate, die zu einer Kürzung nach § 9 Nr. 2 a GewStG geführt hat, der Buchwert der Anteile an der Untergesellschaft beim Anteilseigner auszubuchen ist. Die Hinzurechnung ist nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der auf den Anteil entfallende Liquidationserlös geringer ist als der auszubuchende Buchwert des Anteils.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 2a, § 8 Nr. 10 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG, die 100 % der Anteile an der V-GmbH hielt. Im Streitjahr (1992) wurde die V-GmbH liquidiert. Der vor der Liquidation in der Bilanz der Klägerin ausgewiesene Buchwert der Beteiligung an der V-GmbH betrug 3 371 992 DM. Er setzte sich zusammen aus dem Nominalwert der Anteile in Höhe von 1 000 000 DM und "nachträglichen" Anschaffungskosten in Höhe von 2 371 992 DM. In Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter waren zusätzliche Buchwerte in Höhe von 337 704 DM ausgewiesen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die "nachträglichen" Anschaffungskosten von insgesamt 2 709 696 DM beim Übertragenden der V-GmbH seinerzeit der Gewerbesteuer unterlegen haben, hat das Finanzgericht (FG) nicht mehr feststellen können.
Die Klägerin setzte bei der Ermittlung ihres Gewinns aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr einen von der V-GmbH an sie ausgekehrten Liquidationsgewinn in Höhe von 10 658 491 DM an. Diesen Betrag ermittelte sie wie folgt:
Liquidationsauskehrung |
14 368 187 DM |
./. Rückzahlung des Stammkapitals |
1 000 000 DM |
verbleibende Liquidationsrate |
13 368 187 DM |
./. Buchwerte für nachträgliche Anschaffungskosten: |
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a) in KG-Bilanz |
2 371 992 DM |
b) in Ergänzungsbilanzen |
337 704 DM |
ausgekehrter Liquidationsgewinn |
10 658 491 DM |
(einschließlich anrechenbarer Körperschaftsteuer) |
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Ausweislich der Steuerbescheinigung der V-GmbH galten für die Auskehrung Eigenkapitalanteile i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 (EK 04) nicht als verwendet.
Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags setzte die Klägerin u.a. den an sie ausgekehrten Liquidationsgewinn in Höhe von 10 658 491 DM an und kürzte den Betrag nach § 9 Nr. 2 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) um 13 368 187 DM (Liquidationsauskehrung abzüglich Stammkapital). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) folgte dem zunächst, setzte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung den Steuermessbetrag nach dem Gewerbeertrag auf 0 DM fest und erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1992, der einen vortragsfähigen Verlust in Höhe von 6 819 039 DM auswies.
Demgegenüber gelangte das zuständige Betriebsprüfungsfinanzamt anlässlich einer für die Jahre 1992 bis 1995 durchgeführten Außenprüfung zu der Ansicht, der Gewinn aus Gewerbebetrieb dürfe im Rahmen der Feststellung des Gewerbeertrags nicht zusätzlich in Höhe des (wegen des Wegfalls der aktivierten nachträglichen Anschaffungskosten) abzuschreibenden Buchwerts der Beteiligung nach § 9 Nr. 2 a GewStG gekürzt werden, da die Ausbuchung der Beteiligung schon bei der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung zu einer Minderung des Gewinns geführt habe.
Das FA schloss sich der Meinung des Betriebsprüfungsfinanzamts an und änderte den Gewerbesteuermessbescheid 1992 u.a. dahin gehend ab, dass es den Gewinn lediglich in Höhe von 10 658 491 DM nach § 9 Nr. 2 a GewStG kürzte. Unter Berücksichtigung des neu ermittelten Gewerbeertrags und des für das Vorjahr festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes erließ das FA dementsprechend einen nach § 35b Abs. 2 GewStG geänderten Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1992 und stellte einen vortragsfähigen Verlust in Höhe von 4 072 433 DM fest.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1062 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen aus, das FA habe im Ergebnis den Gewerbeertrag für das Streitjahr in zutreffender Höhe ermittelt und dementsprechend den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1992 auf 4 072 433 DM festgestellt. Zwar sei der Gewinn im Rahmen der Festsetzung des Gewerbeertrags in Höhe der vollen Liquidationsrate von 13 368 187 DM nach § 9 Nr. 2 a GewStG zu kürzen. Jedoch müsse dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Betrag in Höhe von 2 709 696 DM (nachträgliche Anschaffungskosten) nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG wieder hinzugerechnet werden.
Mit der Revision macht die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht geltend und trägt u.a. vor, das FG habe § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG unzutreffend ausgelegt. Die Ausbuchung der Anschaffungskosten für die Beteiligung an der V-GmbH in Höhe von 2 709 696 DM sei nicht als Folgewirkung einer nach § 9 Nr. 2 a GewStG zu kürzenden Liquidationsauskehrung dem Gewinn nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG wieder hinzuzurechnen. Eine Hinzurechnung hätte eine echte Doppelbesteuerung zur Folge und entspräche nicht dem Sinn und Zweck der §§ 9 Nr. 2 a und 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 1992 vom 8. April 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. September 1998 dahin gehend zu ändern, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust auf 6 782 129 DM festgestellt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat den Gewerbeertrag und dementsprechend den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1992 in zutreffender Höhe ermittelt.
1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge.
2. Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird nach § 9 Nr. 2 a Satz 1 GewStG u.a. gekürzt um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 2 GewStG, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sind (sog. gewerbesteuerrechtliches Schachtelprivileg). Durch die Vorschrift soll eine gewerbesteuerrechtliche Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne zum einen beim Anteilseigner, zum anderen bei der Kapitalgesellschaft vermieden werden (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 2. April 1997 X R 6/95, BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25 und vom 1. Juli 1992 I R 5/92, BFHE 169, 224, BStBl II 1993, 131).
a) Der Gewinn aus Anteilen i.S. des § 9 Nr. 2 a GewStG umfasst auch die Liquidationsrate, mit der das übrige nach Abschluss der Liquidation verbliebene Reinvermögen an die Anteilseigner ausgekehrt wird. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren nach §§ 27 ff. KStG 1977 noch anzuwenden ist, insoweit, als bei den Abwicklungszahlungen verwendbares Eigenkapital (vEK) i.S. des § 29 Abs. 2 KStG 1977 als verwendet gilt und nicht Eigenkapital i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 4 KStG 1977 (EK 04) ausgekehrt wird (BFH-Urteil in BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25; vgl. auch Gewerbesteuer-Richtlinien ―GewStR― 1998 Abschn. 61 Abs. 1 Satz 5 und herrschende Ansicht im Schrifttum: z.B. Blümich/Gosch, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 9 GewStG Rz. 181; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2002, § 9 Nr. 2 a Anm. 6).
Zu den Gewinnen aus Anteilen i.S. von § 9 Nr. 2 a GewStG rechnen alle wirtschaftlichen Vorteile, die aus dem Besitz der Anteile gezogen werden und die beim Anteilseigner zu steuerbaren Bezügen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG) führen. In erster Linie sind dies die aus den Anteilen fließenden Dividenden. Aber der Gesetzeszweck des § 9 Nr. 2 a GewStG rechtfertigt es auch, die Liquidationsrate ―soweit sie das Nennkapital und das EK 04 übersteigt― in den Kürzungsbetrag mit einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25). Die Auskehrung der Liquidationsrate setzt die Verwertung des Liquidationsanfangsvermögens voraus. Die Rate unterlag daher einerseits insoweit bei der Kapitalgesellschaft der Gewerbeertragsteuer, andererseits hat sie der Anteilseigner zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu rechnen; sie wäre damit doppelt erfasst. Anders verhält es sich beim EK 04. Das EK 04 wurde aus Einlagen des Anteilseigners gebildet, die das Eigenkapital der Kapitalgesellschaft in nach dem 31. Dezember 1976 abgelaufenen Wirtschaftsjahren erhöht haben. Werden solche bei der Kapitalgesellschaft nicht belasteten Teilbeträge ausgekehrt, handelt es sich nicht um Gewinnausschüttungen, sondern ―ähnlich wie beim Nennkapital― um die Rückzahlung der Einlagen, die deshalb auch nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen.
Schließlich gehört die nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG anrechenbare Körperschaftsteuer zu dem Gewinn aus Anteilen i.S. von § 9 Nr. 2 a GewStG, da sie beim Anteilseigner nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu einer Erhöhung des gewerblichen Gewinns führt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 208, BStBl II 1998, 25, m.w.N.).
b) Der Kürzungsbetrag i.S. von § 9 Nr. 2 a GewStG wird entgegen der Auffassung des FA nicht gemindert um den Buchwert der Beteiligung, der in Höhe der ursprünglichen oder nachträglichen Anschaffungskosten nach der Auskehrung der Liquidationsrate auszubuchen ist. Ähnlich wie im Fall einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung steht die Ausbuchung der Beteiligung, die aufgrund der Auskehrung des Reinvermögens durch den Untergang des Wirtschaftsguts "Beteiligung" beim Anteilseigner vorzunehmen ist, nicht im Zusammenhang mit dem Gewinnanteil. Vielmehr betrifft die Ausbuchung die Beteiligung als solche. Diese Folgerung ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 9 Nr. 2 a GewStG, wonach allein der "Gewinn aus Anteilen" aufgeführt wird (so auch Blümich/Gosch, a.a.O., § 9 GewStG Rz. 181; Glanegger/ Güroff, a.a.O., § 9 Nr. 2 a Anm. 9; Odenthal in Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Kommentar zum Außensteuerrecht, 6. Aufl., § 9 Nr. 7 GewStG Anm. 13, zu dem deckungsgleichen Begriff "Gewinn aus Anteilen" des § 9 Nr. 7 GewStG; vgl. auch Senatsurteil vom 26. April 2001 IV R 75/99, BFHE 194, 421, unter 2., zu dem Fall eines Gewinns aus der Veräußerung einer Beteiligung).
c) Das gewerbesteuerrechtliche Schachtelprivileg steht der Klägerin im Streitjahr zu. Sie ist als Obergesellschaft zu 100 % an der V-GmbH (Untergesellschaft) beteiligt und setzte die von der V-GmbH ausgekehrte Liquidationsrate bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) an. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kehrte die V-GmbH ein Reinvermögen in Höhe von insgesamt 14 368 187 DM an die Klägerin aus. Darin enthalten war die Rückzahlung des Stammkapitals in Höhe von 1 000 000 DM, so dass sich die ausgekehrte Liquidationsrate und demzufolge der Kürzungsbetrag auf 13 368 187 DM beläuft. Dieser Betrag ist grundsätzlich nicht um die Anschaffungskosten für die Beteiligung, die aufgrund der Auskehrung der Liquidationsrate auszubuchen war, in Höhe von insgesamt 2 709 696 DM zu mindern.
d) Der Kürzungsbetrag wäre nur dann um 2 709 696 DM zu mindern, wenn die V-GmbH mit Auskehrung der Liquidationsrate auch (verdeckte) Einlagen (EK 04) der Klägerin an diese zurück gezahlt hätte. Diese Annahme ist ―wie auch die Klägerin in ihrer Stellungnahme zur Revisionserwiderung meint― nicht völlig auszuschließen; das FG hat nicht festgestellt, welcher Sachverhalt der Aktivierung der "nachträglichen" Anschaffungskosten in Höhe von 2 371 992 DM in der Bilanz der Klägerin und in Höhe von insgesamt 337 704 DM in den Ergänzungsbilanzen ihrer Gesellschafter zu Grunde lag. Der Kürzungsbetrag i.S. des § 9 Nr. 2 a GewStG beliefe sich dann auf 10 658 491 DM.
Die Frage, ob die Liquidationsrate tatsächlich in Höhe von 2 709 696 DM aus EK 04 bestand, braucht im Streitfall aber nicht geklärt zu werden. Geht man davon aus, die V-GmbH habe mit Auskehrung der Liquidationsrate keine Einlagen an die Klägerin zurückgezahlt, beliefe sich zwar der Kürzungsbetrag i.S. des § 9 Nr. 2 a GewStG ―wie auch die Klägerin meint― auf 13 368 187 DM. Es wäre jedoch ―wie das FG zutreffend erkannt hat― eine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG in Höhe von 2 709 696 DM vorzunehmen, so dass sich per Saldo der streitige vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 1992 nicht ändern würde (s. unten 3.). Sollten die nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von 2 709 696 DM auf verdeckte Einlagen zurückzuführen sein, beliefe sich der Kürzungsbetrag zwar nur auf 10 658 491 DM. Es entfiele jedoch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG (s. unten 4.).
3. Soweit die Summe des Gewinns um einen Betrag in Höhe von 13 368 187 DM nach § 9 Nr. 2 a GewStG zu kürzen ist, ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) ein Betrag in Höhe von 2 709 696 DM nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG wieder hinzuzurechnen. Insoweit bestätigt der Senat die Auffassung des FG.
a) Nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG ist dem Gewinn aus Gewerbebetrieb eine Gewinnminderung hinzuzurechnen, die bei Auflösung der Körperschaft entstanden ist, soweit die Gewinnminderung auf Gewinnausschüttungen der Körperschaft zurückzuführen ist, um die der Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2 a GewStG zu kürzen ist.
b) In Liquidationsfällen tritt eine Gewinnminderung ein, wenn aufgrund der ausgekehrten Liquidationsrate der Buchwert der Beteiligung an der Untergesellschaft beim Anteilseigner auszubuchen ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es nicht erst dann zu einer Gewinnminderung i.S. des § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG, wenn der auf den Anteil entfallende Liquidationserlös geringer ist als der abzuschreibende Buchwert des Anteils (vgl. Blümich/Gosch, a.a.O., § 9 GewStG Rz. 181; wohl auch Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 10 Anm. 3; a.A.: Blümich/Hofmeister, a.a.O., § 8 GewStG Rz. 213; Glanegger/ Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 10 Anm. 5). Diese Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift.
aa) § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG spricht (wörtlich) von Gewinnminderungen, die bei der Auflösung der Körperschaft entstanden sind, soweit die Gewinnminderung auf Gewinnausschüttungen i.S. des § 9 Nr. 2 a GewStG zurückzuführen ist. Die Gewinnminderung wird also einerseits eng an die Gewinnausschüttung geknüpft, andererseits wird aber nicht verlangt, dass der Vergleich von Gewinnausschüttung und Ausbuchung der Beteiligung zu einem "Verlust" führt. Zutreffend weist das FG auf den Unterschied zwischen den Begriffen Gewinnminderung und Verlust hin.
bb) Nach dem systematischen Aufbau des § 8 Nr. 10 GewStG gilt die enge Verknüpfung der Gewinnminderung mit der Gewinnausschüttung sowohl in den Fällen des Buchst. a (Teilwertabschreibung des Anteils) als auch des Buchst. b (u.a. Liquidation der Körperschaft). Dies lässt den Schluss zu, dass der Begriff der Gewinnminderung einheitlich auszulegen ist. Im Falle einer Teilwertabschreibung ist eine Gewinnminderung gegeben, wenn durch eine Ausschüttung der Untergesellschaft der Teilwert der Anteile beim Anteilseigner unter den Buchwert fällt und demnach ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden kann. Selbiges Ergebnis gilt bei Auflösung der Untergesellschaft, wenn aufgrund der Auskehrung der Liquidationsrate die Anteile des Anteilseigners an der Untergesellschaft nicht mehr werthaltig und deshalb auszubuchen sind.
cc) Schließlich spricht die teleologische Auslegung der Norm dafür, eine Gewinnminderung in Höhe der ausgebuchten Anteile unabhängig von der Höhe der ausgekehrten Liquidationsrate anzunehmen. In den Gesetzesmaterialien heißt es dazu (vgl. BTDrucks. 11/2157, 175 f.):
"Jede Gewinnausschüttung einer Körperschaft vermindert den Wert der an ihr bestehenden Anteile. Sinkt beim Anteilseigner der Wert solcher Anteile unter den Buchwert, tritt bei ihm neben der Gewinnerhöhung auch eine Gewinnminderung durch eine Teilwertabschreibung oder ―im Fall der Veräußerung der Anteile oder bei Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals der Gesellschaft nach der Ausschüttung― ein Buchverlust ein. Weil die Gewinnausschüttung den Gewerbeertrag nicht erhöht, erscheint es sachgerecht, die durch die Gewinnausschüttung verursachte Wertminderung der Anteile ebenfalls erfolgsneutral zu behandeln."
Sinn und Zweck des § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG ist also die Vermeidung einer ungerechtfertigten gewerbesteuerrechtlichen Doppelentlastung (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768 zu § 8 Nr. 10 Buchst. a GewStG; so auch Blümich/Hofmeister, a.a.O., § 8 GewStG Rz. 210; Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 10 Anm. 1; Lenski/Steinberg, a.a.O., § 8 Nr. 10 Anm. 2; Bittner, Gewerbesteuer, Kommentar, § 8 Rz. 351). Die Regelung soll in Liquidationsfällen im Ergebnis zur Folge haben, dass die Liquidation einer Untergesellschaft beim Anteilseigner ―sofern die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2 a GewStG vorliegen― weder zu einem positiven noch zu einem negativen Gewerbeertrag führt. Auf der Ebene der Klägerin als Obergesellschaft wird dieses Ziel im Streitfall nur erreicht, wenn in Höhe der das Nennkapital übersteigenden ausgebuchten Anschaffungskosten für die Beteiligung an der V-GmbH eine Hinzurechnung erfolgt, auch wenn die von der V-GmbH ausgekehrte Liquidationsrate höher war als der das Nennkapital übersteigende Buchwert der Beteiligung. Nur so lässt sich der Liquidationsvorgang bei der Klägerin gewerbesteuerrechtlich vollständig neutralisieren.
c) Ob darüber hinaus die Anwendung des § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG in den Fällen ―und auch im Streitfall― zu einem systemwidrigen Ergebnis in Form einer gewerbesteuerrechtlichen Doppelbelastung führt, wenn die von dem Anteilseigner erworbenen Anteile an der Untergesellschaft nicht aus dem Privatvermögen des früheren Veräußerers stammten (s. dazu Herzig/Hötzel, Der Betrieb ―DB― 1988, 2265, 2272; Schnädter, Finanz-Rundschau ―FR― 1989, 576; Hönle, Betriebs-Berater ―BB― 1993, 252, 259), kann der Senat aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Aber selbst wenn man unterstellt, die Klägerin habe die Anteile an der V-GmbH nicht von einer Privatperson erworben, hält der Senat die Vorschrift nicht in einem so hohen Maße für systemwidrig, dass dies zur Verfassungswidrigkeit des § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG führte. Anders als beim KStG 1977 ist bei der Gewerbesteuer eine Doppelbelastung steuersystematisch nicht ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 48/99, BFHE 198, 124, BStBl II 2002, 875, unter II.3.). Dies gilt umso mehr, wenn es sich um zwei verschiedene Steuersubjekte handelt, wie es dann hier der Fall wäre.
4. Sollte der Kürzungsbetrag auf 10 658 491 DM zu beschränken sein, weil die Liquidationsrate EK 04 enthielt (s. oben 2.d), würde sich am Ergebnis nichts ändern. Denn es entfiele die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG in Höhe von 2 709 696 DM. Eine Hinzurechnung nach dieser Vorschrift findet nur insoweit statt, als die Gewinnminderung (hier die Ausbuchung der nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von 2 709 696 DM) auf Gewinnausschüttungen zurückzuführen ist, um die der Gewerbeertrag ―beispielsweise nach § 9 Nr. 2 a GewStG― zu kürzen ist. Eine solche Kürzung unterbleibt jedoch, soweit die Liquidationsrate EK 04 enthält (s. oben 2.a). Es ist auch systemgerecht, dass in derartigen Fällen die Ausbuchung der nachträglichen Anschaffungskosten steuerlich nicht durch eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 Buchst. b GewStG neutralisiert wird. Denn nur so ist gewährleistet, dass die in der Liquidationsrate enthaltene Rückzahlung von Einlagen den Gewinn des Mutterunternehmens nicht erhöht.
Fundstellen
Haufe-Index 962772 |
BFH/NV 2003, 1270 |
BStBl II 2004, 460 |
BFHE 1974, 360 |
BFHE 2004, 360 |
BFHE 202, 360 |
BB 2003, 2552 |
DB 2003, 1881 |
DStR 2003, 1437 |
DStRE 2003, 1072 |
HFR 2003, 984 |