Leitsatz (amtlich)
Die allgemeinen Buchführungspflichten nach handelsrechtlichen Grundsätzen, deren Erfüllung bei einem Vollkaufmann nach § 5 EStG allein zur Bejahung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führen kann, bleiben auch während des Konkursverfahrens bestehen und obliegen dem Konkursverwalter.
Normenkette
EStG §§ 5, 10d; AO § 160 Abs. 1 S. 1, § 161 Abs. 1, §§ 103-104; HGB §§ 38-44
Tatbestand
Für die Jahre des Konkursverfahrens der Revisionsklägerin (KG) - 1954 bis 1961 - war in den einheitlichen Gewinnfeststellungs-Verfahren 1954 bis 1961 streitig
a) die Höhe der Verluste in den einzelnen Streitjahren;
b) ob die Verluste aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wurden.
Über das Vermögen der KG wurde 1954 das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter erstellte für diesen Zeitpunkt eine Inventur und übernahm als Konkurseröffnungsbilanz ohne Wertänderungen die von der KG erstellte Schlußbilanz (Tag der Zahlungseinstellung). Im Verlaufe des Konkursverfahrens wurden die angefangenen Geräte fertiggestellt und veräußert sowie die Forderungen soweit wie möglich eingezogen. Zur Aufzeichnung dieser Vorgänge wurde vom Konkursverwalter die frühere Buchhalterin der KG angestellt, die die Buchführung auch während der Konkurszeit fortführte. Am 13. Dezember 1957 wurde ein Zwangsvergleich mit einer Vergleichsquote von 23,75 % abgeschlossen. Am 18. Oktober 1961 wurde nach Vorlage der Schlußrechnung des Konkursverwalters das Konkursverfahren aufgehoben.
Für das Jahr 1954 schätzte der Revisionsbeklagte (FA) den Verlust der KG zunächst auf 20 000 DM, da eine einheitliche Gewinn- und Gewerbesteuer-Erklärung nicht abgegeben wurde. Für die Veranlagungszeiträume ab 1955 wurden vom Konkursverwalter keine einheitlichen Gewinn- und Gewerbesteuer-Erklärungen mehr abgegeben. Das FA erließ zunächst auch keine Bescheide. Von dem abgeschlossenen Zwangsvergleich erlangte das FA keine Kenntnis. Noch während des Konkursverfahrens wurde von der Ehefrau des Komplementärs der KG in R ein kleines Fabrikunternehmen in der Form einer GmbH gegründet. Im Jahre 1959 wurde diese Firma in eine KG umgewandelt. Nach Löschung des Konkursvermerks im Handelsregister wurde die KG nach R verlagert und die dortige Firma von der KG übernommen. Da die Firma in R ab 1960 Gewinne erzielte, machten die Gesellschafter der KG für die Jahre 1960 und 1961 den Verlustabzug für die bis 1958 erzielten Verluste nach § 10d EStG geltend. Hierzu legten sie dem FA nachträglich erstellte Übersichten über die Betriebsergebnisse für die Jahre 1954 bis 1959 vor.
Zur Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führte das FA eine Betriebsprüfung durch. Hierbei wurde festgestellt, daß die Kassen- und Warenbestände nicht stimmen konnten und nach der Konkurseröffnung bei den Jahresabschlüssen keine Inventuren erstellt wurden. Daraufhin erließ das FA 1963 einheitliche Gewinnfeststellungsbescheide für die Jahre 1954 bis einschließlich 1961. Wegen Fehlens von Inventuren wurde die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verneint.
Der Einspruch der KG hatte keinen Erfolg.
Mit der Berufung beantragte die KG, den ihr während des Konkursverfahrens erwachsenen Verlust zum Abzug bei den Einkünften der Gesellschafter für 1960 und 1961 zuzulassen. Außerdem wandte sich die KG gegen die vom FA vorgenommene, von der eigenen Erklärung abweichende Verteilung des Verlustes auf die einzelnen Streitjahre.
Die Berufung wurde vom FG als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung für die Gewinnermittlung nach § 5 EStG verneinte das FG für die Zeit des Konkursverfahrens mit Recht, weil die Buchführung dieser Jahre den unheilbaren Mangel der fehlenden körperlichen Bestandsaufnahmen (Inventuren) aufweist; darüber hinaus ist die Buchführung für die Jahre 1954 bis 1959 auch deshalb nicht ordnungsmäßig, weil die von der KG im Jahre 1963 nachträglich erstellten und vorgelegten Übersichten über die Betriebsergebnisse nach dem eigenen Vortrag der KG keine Bilanzen darstellen (vgl. BFH-Entscheidung VI 154/63 U vom 5. März 1965, BFH 82, 104, BStBl III 1965, 285). Die Meinung der KG, mit der Konkurseröffnung entfalle die allgemeine Buchführungspflicht nach den §§ 38 ff. HGB in Verbindung mit § 160 Abs. 1 AO oder nach § 161 AO und an ihre Stelle trete über § 160 Abs. 1 AO die Rechnungslegung nach der KO (§§ 86, 162 KO), die während des Konkursverfahrens als ordnungsmäßige Buchführung anzusehen sei, ist nicht zutreffend. Das FG wies mit Recht darauf hin, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens auf die Stellung des Gemeinschuldners als Steuerschuldner keinen Einfluß hat (vgl. BFH-Urteil IV 210/62 S vom 7. November 1963, BFH 78, 172, BStBl III 1964, 70; und RFH-Urteil VI 687/37 vom 22. Juni 1938, RStBl 1938, 669). Ein Teil seiner steuerlichen Pflichten, wozu auch die Buchführungspflichten gehören, geht zwar mit der Eröffnung des Konkursverfahrens gemäß §§ 103, 104 AO vom Gemeinschuldner auf den Konkursverwalter über; die Buchführungspflicht geht aber weder unter, noch wird sie durch die Rechnungslegungs- und Aufzeichnungspflichten des Konkursverwalters nach der KO ersetzt. Die allgemeinen Buchführungspflichten nach handelsrechtlichen Grundsätzen, deren Erfüllung bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG allein zur Bejahung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung führen kann, bleiben auch während des Konkursverfahrens bestehen und obliegen dem Konkursverwalter. Sie werden lediglich durch die Rechnungslegungs- und Aufzeichnungspflichten des Konkursverwalters nach der KO, die in erster Linie dem Interesse der Konkursgläubiger dienen, ergänzt. Es ist nach den Steuergesetzen nicht möglich, den gesamten Konkurszeitraum - etwa in Angleichung an die Schlußrechnung und das Schlußverzeichnis des Konkursverwalters nach §§ 86, 162 KO - durch Erstellung von Bestandsaufnahmen und Bilanzen nur zu Beginn und am Ende des Konkursverfahrens durch einen Gesamtvermögensvergleich zusammenzufassen. Das widerspräche den Regeln und Vorschriften der Abschnittsbesteuerung, der jährliche Bestandsaufnahmen und jährliche Abschlüsse zugrunde liegen. Von dieser Abschnittsbesteuerung geht auch die Begünstigungsvorschrift des § 10d EStG (und auch § 10a GewStG) aus. Sie gewinnt dort sogar besondere Bedeutung, weil die Bestimmung des Beginns der Fünfjahresfrist unerläßlich, aber nur möglich ist, wenn jährliche Abschlüsse gemacht werden. Alle Mängel einer Buchführung, die sonst bei einem Vollkaufmann mit steuerlicher Wirkung zur Verneinung der Ordnungsmäßigkeit führen, sind daher auch während des Konkursverfahrens, während dem der Gewerbebetrieb fortbesteht, zu beachten. Ob der Gemeinschuldner oder der Konkursverwalter die Mängel der Buchführung verschuldet hat, ist steuerlich ohne Bedeutung.
Die KG kann sich auch nicht auf Treu und Glauben berufen, weil das FA nach Konkurseröffnung die Steuerakten abgelegt und keine Erklärungen zur einheitlichen Gewinnfeststellung angefordert habe. Das FA sah davon ab, die Abgabe von Steuererklärungen mit Nachdruck zu betreiben, da es die Verluste innerhalb des Konkursverfahrens steuerlich für bedeutungslos hielt. Das Wissen um die Möglichkeit künftiger Gewinne im noch während des Konkursverfahrens begründeten neuen Unternehmen in R. derentwegen die Verluste im Wege des Verlustabzuges Bedeutung bekommen könnten, und das Interesse an der Feststellung dieser Verluste lagen ausschließlich bei den Gesellschaftern der KG. Sie hätten deshalb beim Konkursverwalter auf Fortführung der Buchführung, auf jährliche Abschlüsse und auf die Abgabe von Steuererklärungen zur einheitlichen Feststellung dringen müssen. Der Verlustabzug nach § 10d EStG für Gewerbetreibende hat zur Voraussetzung, daß der Verlust nach § 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt wurde. (Dasselbe gilt für den Abzug von Gewerbeverlusten nach 10a GewStG.) Da nun einerseits feststeht, daß die KG die Verluste während des Konkursverfahrens nicht nach § 5 EStG aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte, andererseits das FG unwidersprochen feststellte, daß sich das steuerliche Interesse an der gerichtlichen Feststellung dieser Verluste ausschließlich auf ihren Abzug bei den Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter für 1960 und 1961 beschränkte, hatte das FG zu prüfen, ob an der Ermittlung der vom FA festgestellten Höhe der Verluste noch ein rechtliches Interesse bestand. Durch die Verneinung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung für die Streitjahre fiel hier wenigstens im Ergebnis schon im einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Verlustabzuges. Damit fiel das einzige steuerliche Interesse an der Feststellung der Höhe dieser Verluste weg. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das FG mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses die gerichtliche Feststellung der Verluste ablehnte (vgl. BFH-Entscheidung VI 138/63 vom 31. Juli 1964, HFR 1965, 35).
Fundstellen
Haufe-Index 413270 |
BStBl II 1972, 784 |
BFHE 1972, 305 |