Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Entscheidung, ob ein Gebäude nach § 7b EStG zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient, ist der nicht ausgebaute Dachboden mit der nach der "Berechnungsverordnung" berechneten Grundfläche zu berücksichtigen (II. BVO vom 17. Oktober 1957, BStBl I 1957, 508).
2. Der nicht ausgebaute Dachboden des Wohnhauses eines Landwirtes dient nicht mehr Wohnzwecken, wenn er flächenmäßig und zeitlich überwiegend für betriebliche Zwecke genutzt wird.
Normenkette
EStG 1960/1961 § 7b
Tatbestand
Streitig ist, ob die Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) in den Veranlagungszeiträumen 1961 und 1962 erhöhte Absetzungen für Wohngebäude gemäß § 7b EStG vornehmen konnten.
Die steuerpflichtigen Eheleute sind Landwirte. Sie haben in den Jahren 1959 und 1960 auf dem Grund und Boden ihres landwirtschaftlichen Anwesens ein Gebäude errichtet. Der Bauaufwand betrug 34 526 DM. Das Haus hat ein Erdgeschoß und ein erstes Stockwerk mit insgesamt 222,37 qm Fläche. Diese beiden Stockwerke dienen ausschließlich Wohnzwecken. Der Dachboden, der nicht ausgebaut ist, hat eine Fläche von 84 qm. Das Haus ist voll unterkellert. Im Keller befinden sich sechs Räume; sie haben eine Gesamtfläche von 99,40 qm.
Aufgrund einer Hausbesichtigung im September 1961 wurde vom FA festgestellt, daß in drei Kellerräumen die zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Futterkartoffeln und Rüben gelagert seien und 2/3 des Dachbodens für die Lagerung von Getreide verwendet werde. Das FA sah es damit als erwiesen an, daß diese Nutzflächen überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken dienten. Es rechnete deshalb den Dachboden mit 84 qm und drei Kellerräume mit 69,24 qm zu den nicht Wohnzwecken dienenden Räumen. Nach der sich dadurch ergebenden Aufteilung der Gesamtfläche des Gebäudes betrug der Wohnzwecken dienende Teil nur noch 62,23 v. H. Das führte zur Versagung der erhöhten Absetzungen für Wohngebäude nach § 7b EStG 1961/1962.
Der Einspruch der Steuerpflichtigen wurde als unbegründet zurückgewiesen. In der Berufung trugen die Steuerpflichtigen vor, auch bei Mitbenutzung für wohnfremde Zwecke seien Keller und Bodenräume überwiegend für Wohnzwecke bestimmt. Denn alle diese Räume wären auch ohne landwirtschaftliche Nutzung in gleichem Umfang vorhanden. Außerdem seien sowohl in den Kellerräumen als auch auf dem Dachboden während des laufenden Jahres nur zeitweise landwirtschaftliche Produkte gelagert worden. Jedenfalls werde durch diese Nutzung der private Zweck der Räume nicht beeinträchtigt. Die Lagerung des Getreides lasse es durchaus zu, daß der Speicher als Raum für Wäsche und Lagerstelle für Möbel verwendet werde. Die betriebliche Nutzung des Speichers betrage außerdem nur ein Drittel. Zu berücksichtigen sei auch, daß keine mechanische Fördereinrichung zum Dachboden bestehe, dieser vielmehr nur durch eine Treppe erreichbar sei, so daß größere Getreidemengen schon deshalb nicht auf den Speicher hinaufgeschafft werden könnten. Im Keller dienten zwei Räume der Kartoffellagerung sowohl für private Haushalts- als auch für Futter- und Saatzwecke. Die anderen Kellerräume dienten als Lagerräume für Gemüse, Obstkonserven und Kohlen.
Die Berufung hatte im Streitpunkt Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, daß ungeachtet der Feststellungen des FA mehr als 66 2/3 v. H. des Gebäudes Wohnzwecken dienten und damit die Voraussetzungen des § 7b EStG erfüllt seien. Dieses Ergebnis stützt sich auf zwei verschiedene von der des FA abweichende Berechnungen des Verhältnisses zwischen dem Gebäudeteil, der Wohnzwecken diente, und dem Gesamtgebäude.
Das FG führte aus, im vorliegenden Fall sei dieses Verhältnis nicht nach der sonst üblichen Nutzflächenberechnung, sondern nach dem umbauten Raum zu ermitteln. Die Nutzflächenberechnung eigne sich weniger in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das zahlenmäßige Verhältnis der einzelnen Flächen wegen baulicher Abweichungen nicht auf ein dementsprechendes richtiges Verhältnis der für die jeweiligen Räume entstandenen Bauaufwendungen schließen lasse. Gerade beim Dachboden, der hier bei der Verhältnisberechnung besonders ins Gewicht falle, sei ein von den übrigen Räumen ganz wesentlich abweichender Bauaufwand gegeben. Setze man nun bei dieser Verhältnisberechnung entsprechend der allgemein angewandten Faustregel den Dachboden nur mit einem Drittel des vollen Kubikmeterraumes an, so komme man für den Wohnungsteil des Gebäudes über die 66 2/3 v. H.-Grenze, nämlich auf 72,40 v. H. Aber auch nach der Nutzflächenberechnung übersteige der Wohnzwecken dienende Teil des Gebäudes die Mindestgrenze des § 7b EStG, wenn man die Dachbodenfläche überhaupt nicht in die Berechnung einbeziehe. Das aber sei bei einem nicht ausgebauten Dachboden geboten. Die Finanzverwaltung habe zunächst Dachbodenräume ebenso wie Kellerräume - entsprechend § 25 Abs. 3 Nr. 1 der Ersten Berechnungsverordnung (I. BVO) vom 20. November 1950 (BGBl 1950, 753) - bei der Berechnung des Verhältnisses der Wohnraumfläche zur beruflich genutzten Raumfläche nicht berücksichtigt. Davon abweichend habe dann der BdF und ihm folgend der BFH - Urteil IV 353/53 U vom 18. November 1954, (BFH 60, 99), BStBl III 1955, 39 - sich dahin ausgesprochen, daß auch Dachböden, Kellerräume und dgl. der gesamten Nutzfläche zuzurechnen seien. Denn sie gehörten als Nebenräume zur Wohnung im weiteren Sinne und dienten mindestens mittelbar Wohnzwecken. Eine Aufteilung von Nebenräumen in Räume, die zu Wohnzwecken und solche, die nicht zu Wohnzwecken genutzt würden, verlange die letztgenannte Entscheidung des BFH nur für Kellerräume, Waschküchen und Vorratsräume. Für einen nicht ausgebauten Dachboden könne das aber nicht gelten. Der Dachboden wäre auch ohne die landwirtschaftliche Nutzung in derselben Ausgestaltung und Größe vorhanden. Ein besonderer Bauaufwand sei für ihn als beruflich genutzten Bauteil nicht entstanden. Auf letzteren Gesichtspunkt habe auch das BFH-Urteil VI 85/56 U vom 19. Dezember 1956 (BFH 64, 173, BStBl III 1957, 66) hingewiesen. Lasse man die Dachbodenfläche außer Ansatz, so betrage die Wohnfläche des Gebäudes 78,5 v. H. der gesamten Nutzfläche.
Das FA rügt mit der Rechtsbeschwerde (jetzt Revision) die Zulassung der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG. Es führt aus, nur bei wesentlichen Abweichungen in der Geschoßhöhe sei für die Berechnung der 66 2/3 v. H.-Grenze nicht von der Nutzfläche, sondern vom umbauten Raum auszugehen. Nach Abschn. 54 Abs. 1 EStR sei eine wesentliche Abweichung in der Geschoßhöhe anzunehmen, wenn sie mindestens etwa 50 v. H. betrage. Eine solche Abweichung in der Geschoßhöhe liege jedoch im vorliegenden Fall nicht vor. Dies sei auch anläßlich der vom FA vorgenommenen Hausbesichtigung festgestellt worden. Im übrigen müsse das Dachgeschoß beim Vergleich der Geschoßhöhe außer Betracht bleiben. Denn sonst müßten Nutzungsverhältnisse in der Regel räumlich festgestellt werden und nicht, wie in den EStR vorgesehen, lediglich ausnahmsweise. Der Wohnzwecken dienende Raum des Gebäudes könne somit nur nach der Nutzung der Flächen berechnet werden. Bei der Verhältnisberechnung nach der Nutzfläche habe das FG zu Unrecht den Dachboden nicht in die Flächenberechnung einbezogen. Für nicht ausgebaute Dachräume gelte dasselbe, was der BFH im Urteil IV 353/53 U (a. a. O.) für Waschküchen und Vorratsräume ausgeführt habe. Sie seien wie alle anderen Räume aufzuteilen in solche, die Wohnzwecken dienten, und solche, die nicht Wohnzwecken dienten. Dabei entscheide der überwiegende Nutzungszweck. Nach den Feststellungen der Hausbesichtigung müsse daher der Dachboden in vollem Umfang der nicht Wohnzwecken dienenden Nutzfläche zugerechnet werden.
Die Steuerpflichtigen wenden dagegen ein, die Feststellung des FA, daß der Dachboden zu 2/3 betrieblichen Zwecken gedient habe, sei eine nicht bewiesene Behauptung. Die Nutzung des Speichers als Getreidelagerraum sei sehr wechselhaft gewesen. In der Regel habe sich eine betriebliche Nutzung nur für einen kurzen Zeitraum nach der Ernte ergeben. Im übrigen sei das FG hinsichtlich der Flächenberechnung eines Gebäudes an die Verwaltungsanweisungen der EStR nicht gebunden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil IV 353/53 U, a. a. O., und VI 169/63 vom 26. Juli 1963, StRK, Einkommensteuergesetz, § 7 b, Rechtsspruch 77) sind Nebenräume, z. B. Dielen, Abstellräume, Wasch- und Duschräume, und die üblicherweise zur räumlichen Ausstattung der Wohnung gehörenden Räume, wie Boden- und Speicherräume, Kellerräume und Waschküchen, bei der Berechnung der 66 2/3 v. H.-Grenze im Rahmen des § 7b EStG zu den Wohnräumen zu rechnen, da sie im allgemeinen mittelbar Wohnzwecken dienen.
Bei der Berechnung der Größe solcher Räume ist wie bei den unmittelbar Wohnzwecken dienenden Räumen grundsätzlich von der BVO (I. BVO vom 20. November 1950, BGBl 1950, 753; II. BVO vom 17. Oktober 1957, BGBl I 1957, 1719) auszugehen, d. h. also, daß die Grundflächenberechnung maßgebend ist. Beim Dachboden ist dabei vor allem § 27 der I. BVO bzw. § 44 der II. BVO zu beachten. Die Anwendung der BVOen darf aber bei Dachböden, Kellern, Trockenräumen und Waschküchen nicht dazu führen, daß - entsprechend der Vorschrift des § 25 Abs. 3 Ziff. 1 der I. BVO bzw. § 42 Abs. 4 Ziff. 1 der II. BVO - die Grundflächen dieser Räume bei der Wohnflächenberechnung überhaupt außer Betracht bleiben. Die BVO will aufgrund ihres eigentlichen vom Verordnungsgeber beabsichtigten Zweckes im Rahmen der Wohnungsbaugesetze nur die unmittelbaren Wohnflächen erfassen. Hingegen geht es im Rahmen des § 7b EStG um die Aufteilung des Gesamtgebäudes in den Wohnzwecken dienenden Teil und den nicht Wohnzwecken dienenden Teil. Hier wäre es im Interesse der Steuerpflichtigen nicht vertretbar, wenn man Räume, die allgemein als Nebenräume zu den eigentlichen Wohnräumen gehören und üblicherweise zusammen mit den Wohnräumen errichtet werden, bei dem Wohnzwecken dienenden Teil nicht ansetzen würde und dadurch häufig nur deshalb die Sonderabsetzung nach § 7b EStG versagen müßte.
Andererseits kann aber der Ansatz der Grundflächen der Dachböden, Trockenräume etc. bei der Berechnung der 66 2/3 v. H.-Grenze nicht dazu führen, daß diese Flächen in jedem Falle als Wohnzwecken dienend berücksichtigt werden. Es kann für sie nichts anderes gelten als für die unmittelbaren Wohnräume selbst, die dann nicht als Wohnflächen behandelt werden, wenn sie ihrem vorgesehenen Zweck entfremdet und zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken verwendet werden.
Nach der Behauptung der Steuerpflichtigen war die Nutzung des Dachbodens in den Streitjahren sowohl flächenmäßig als auch zeitlich sehr unterschiedlich. In derartigen Fällen hat der BFH wiederholt entschieden, daß der betreffende Raum nicht nach dem meist Veränderungen unterworfenen prozentualen Nutzungsverhältnis aufzuteilen ist, sondern darauf abzustellen ist, welchen Zwecken der Raum sowohl räumlich als auch zeitlich im jeweiligen Veranlagungszeitraum überwiegend gedient hat. Die überwiegende Nutzung soll also für die Zurechnung der gesamten Fläche des Raumes im Veranlagungszeitraum entscheiden (vgl. u. a. BFH-Entscheidungen VI 85/56 U, a. a. O.; VI 186/63 vom 14. August 1964, StRK, Einkommensteuergesetz, § 7 b, Rechtsspruch 89, HFR 1965, 19). Das muß grundsätzlich auch für den nicht unterteilten Dachboden gelten. Danach kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob der Dachboden in den Streitjahren überwiegend für Wohnzwecke oder für landwirtschaftliche Zwecke genutzt worden ist. Nur wenn der Dachboden flächenmäßig überwiegend landwirtschaftlich genutzt wurde und diese Nutzung auch zeitlich überwogen hat, diente er nicht Wohnzwecken.
2. Das FG hat die Frage, ob das Gebäude der Revisionsbeklagten zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient, in erster Linie nicht nach dem Verhältnis der Grundflächen, sondern nach dem Verhältnis des umbauten Raums entschieden. Zwar enthalten weder das EStG noch die Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Bestimmungen, nach welcher Methode der Wohnzwecken dienende Teil des Gebäudes zu berechnen ist. Außerdem kann die Vorinstanz mit einem gewissen Recht Abschn. 54 Abs. 1 EStR anführen, die anordnen, daß bei wesentlichen Abweichungen in der Geschoßhöhe für die Berechnung der 66 2/3 v. H.-Grenze nicht von der Nutzfläche, sondern vom umbauten Raum auszugehen sei. Aber auch wenn man mit dem FG der Auffassung ist, daß die Flächenberechnung nicht in jedem Fall angewandt werden könne und Abschn. 54 Abs. 1 EStR für die angeführten Sonderfälle eine zutreffende Auslegung des Gesetzes darstelle, kommt im Streitfall die Berechnung der 66 2/3 v. H.-Grenze nach dem umbauten Raum nicht in Betracht. Denn ein Abweichen von den allgemein anerkannten Grundsätzen der Flächenberechnung kann nur bei besonderen Bauweisen, z. B. bei extremen Höhen von Vollgeschossen gerechtfertigt sein, nicht hingegen bei einem normalen spitzgiebeligen, nicht ausgebauten Dachboden, bei dem nur die halbe Höhe der Berechnung des umbauten Raumes zugrunde zu legen ist und dessen nutzbarer Raum wegen der beschränkten Verwendungsfähigkeit der Raumhöhe darüber hinaus nur einen Bruchteil des tatsächlichen Rauminhaltes ausmacht (vgl. hierzu Berechnung des umbauten Raums bei Hochbauten nach DIN 277, Anlage 2 der II. BVO). Mit Recht weist das FA darauf hin, daß nach dem Standpunkt der Vorinstanz der Maßstab des umbauten Raums keine Ausnahme mehr darstellen, sondern neben dem Flächenmaßstab zum Regelfall würde. Das würde zahlreiche weitere Streitfragen aufwerfen. Gerade weil das Gesetz selbst für derartige Berechnungen keinen Maßstab an die Hand gibt, ist es im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung besonders wichtig, daß in allen Fällen grundsätzlich dieselben anerkannten Berechnungsgrundsätze angewendet werden und auch die Gerichte im Einzelfall danach entscheiden.
3. Da die Vorinstanz in ihren beiden Berechnungen der 66 2/3 v. H.-Grenze nach § 7b EStG die dargelegten Grundsätze der Rechtsprechung des BFH, von denen abzuweichen der Senat im vorliegenden Fall nicht für vertretbar hält, nicht beachtet hat, und die Möglichkeit besteht, daß die Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze das Gericht zu einem anderen Ergebnis führt, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht Spruchreif, da ungeklärt ist, welche Nutzung des Dachbodens in den Streitjahren überwogen hat. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Nutzung der einzelnen Kellerräume. Das FG ließ diese Fragen dahingestellt. Die Streitsache muß daher zur Sachaufklärung und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden. Gemäß § 143 Abs. 2 FGO wird dem Gericht auch die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 69554 |
BStBl II 1971, 707 |
BFHE 1971, 519 |