Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Fehlerberichtigung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO.
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nr. 4; EStG § 7b
Tatbestand
Das Finanzgericht hat die Beschwerdeentscheidung des Senators für Finanzen gebilligt, die die Berichtigung eines Veranlagungsfehlers abgelehnt hat.
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat sein teilzerstörtes Einfamilienhaus im Jahre 1951 wieder aufgebaut und dafür 20.281 DM aufgewandt. Er brachte nach seiner Angabe 10.281 DM aus eigenen Mitteln auf. 10.000 DM erhielt er aus ERP-Mitteln, für die eine mit 3 % verzinsliche Hypothek auf dem Grundstück eingetragen wurde. In der Steuererklärung für 1951 füllte er bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Berechnung der erhöhten Absetzung für Abnutzung nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Vordruck wie folgt aus:
"Herstellungskosten" ------------- 20.281 DM "ab: Baukostenzuschüsse" --------- 10.000 DM ---------------------------------- 10.281 DM 10 % ------------------------------ 1.028 DM.Die Absetzung für Abnutzung nach § 7 b EStG wurde bei der Veranlagung, wie der Bf. angegeben hatte, mit 1.028 DM - statt richtig mit 10 % von 20.281 DM = 2.028 DM - angesetzt.
Aus den Akten ergibt sich, daß der Bf. in einer mündlichen Besprechung seine Steuererklärung für 1951 dahin richtiggestellt hat, daß mit dem "Baukostenzuschuß von 10.000 DM" nichts anderes als seine verzinsliche Hypothekenschuld von 10.000 DM gemeint sei.
Entscheidungsgründe
Es ist zwar richtig, daß § 222 Abs. 1 Ziff. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf Fehleraufdeckung durch die Aufsichtsbehörde gibt, und daß an der Rechtskraft der Veranlagung grundsätzlich festzuhalten ist. Kommt der Steuerpflichtige jedoch seiner Mitwirkungs- und Aufklärungspflicht in einer mündlichen Besprechung unter Richtigstellung seiner Steuererklärung nach und ist ein offensichtlicher Veranlagungsfehler nach der Aktenlage ausschließlich auf das Verschulden (Versagen) des Veranlagungsbeamten bzw. der Verwaltung zurückzuführen, so können es Recht und Billigkeit fordern, über den Weg des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO dem Steuerpflichtigen entgegenzukommen und ihn nicht auf den Weg des Billigkeitserlasses zu verweisen (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 196/54 U vom 27. April 1955 - Bundessteuerblatt (BStBl) 1955 III S. 201, Slg. Bd. 62 S. 9 -, III 112/56 U vom 17. August 1956 - BStBl 1956 III S. 290, Slg. Bd. 63 S. 243 -, III 188/56 U vom 1. Februar 1957 - BStBl 1957 III S. 98, Slg. Bd. 64 S. 253 -, III 314/56 U vom 22. Februar 1957 - BStBl 1957 III S. 128, Slg. Bd. 64 S. 336 -). Die aus den Akten feststellbaren Ergebnisse einer mündlichen Besprechung sind auch zugunsten der Steuerpflichtigen zu würdigen (ß 204 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Steuerpflichtige muß sich darauf verlassen können, daß ein mündlich klargelegter, rechtlich nicht zweifelhafter Sachverhalt richtig von dem Veranlagungsbeamten gewürdigt wird, zumal dann, wenn nur eine rechtliche Würdigung überhaupt möglich ist (Hypothek kein Bauzuschuß) und die richtige rechtliche Würdigung ohne weiteres von jedem Veranlagungsbeamten erwartet werden muß. In einem solchen Falle kann einem Steuerpflichtigen in der Regel nicht vorgeworfen werden, daß er versäumt habe, ein Rechtsmittel einzulegen, da er auf Grund der ihm gegebenen Aufklärung durch den Veranlagungsbeamten darauf vertrauen durfte, daß der gegen ihn ergangene Steuerbescheid dem Gesetz entspreche. Die Steuerbehörde würde sich ihrer Verantwortung für eine dem Gesetz entsprechende Formulierung der Steuererklärungsvordrucke und für die im Gesetz ausdrücklich vorgeschriebene Würdigung des Sachverhalts zugunsten eines Steuerpflichtigen ohne zureichenden Grund entledigen, wenn sie ihr zuzurechnende Rechtsverletzungen nicht über den Weg des § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO beheben würde, um das gestörte Vertrauensverhältnis zwischen Behörde und Steuerpflichtigem wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409158 |
BStBl III 1958, 409 |
BFHE 1959, 353 |
BFHE 67, 353 |