Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Kürzung des Sonderausgabenabzugs der Kirchensteuer
Leitsatz (NV)
Die als Sonderausgaben berücksichtigte Kirchensteuer ist über § 175 AO 1977 nachträglich zu kürzen, soweit sie in einem späteren Veranlagungszeitraum erstattet wird und im Jahr der Erstattung nicht mit gezahlter Kirchensteuer verrechnet werden kann (Bestätigung des Senatsurteils vom 7. Juli 2004 XI R 10/04, BFH/NV 2004, 1687).
Normenkette
AO 1977 § 175
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, sind kirchensteuerpflichtig. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei den Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1996 und 1997 zunächst die jeweils gezahlten Kirchensteuern --im Jahr 1997 nach Abzug einer Erstattung-- als Sonderausgaben. Nachdem sich aufgrund der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1998 bei der Kirchensteuer ein Erstattungsüberhang von 1 059 DM ergeben hatte, der rechnerisch in Höhe von 615 DM auf das Jahr 1996 und in Höhe von 444 DM auf das Jahr 1997 entfiel, änderte das FA die Bescheide für 1996 und 1997 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Es kürzte die bisher als Sonderausgaben berücksichtigten gezahlten Kirchensteuern um die jeweiligen Erstattungsüberhänge aus 1998.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen die angefochtenen Änderungsbescheide u.a. in diesem Streitpunkt statt. Es sah in der Erstattung von Kirchensteuern kein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, das das FA zur Änderung der Bescheide für die Streitjahre berechtigt hätte.
Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Zur Begründung beruft es sich auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der in vergleichbaren Fällen ein rückwirkendes Ereignis bejaht worden sei (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1996 X R 73/94, BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646; vom 28. Mai 1998 X R 7/96, BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95; vom 24. April 2002 XI R 40/01, BFHE 199, 167, BStBl II 2002, 569).
Das FA beantragt, das Urteil des FG hinsichtlich der Berücksichtigung von Kirchensteuer als Sonderausgabe bei der Einkommensteuer 1996 in Höhe von 615 DM und bei der Einkommensteuer 1997 in Höhe von 444 DM aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Bescheiden vom 24. September 2003 hat das FA die Einkommensteuer-Festsetzungen für die Streitjahre geändert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen teilweise zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils; denn Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens waren die Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 vom 17. Dezember 2002. Da diese nicht mehr existieren, kann das Urteil des FG für diese Streitjahre keinen Bestand haben. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Änderungsbescheide vom 24. September 2003 (§ 68 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Einer Zurückverweisung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, da die Sache spruchreif ist.
Das FA war aufgrund des Erstattungsüberhangs von Kirchensteuer im Jahr 1998 berechtigt, die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre zu ändern und den bisherigen Sonderausgabenabzug um die rechnerisch auf die Jahre 1996 und 1997 entfallenden Kirchensteuererstattungsüberhänge zu kürzen.
Die Erstattung von Kirchensteuer ist ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Der Begriff "Aufwendungen" in § 10 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes bedeutet, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646; in BFHE 186, 521, BStBl II 1999, 95; in BFHE 199, 167, BStBl II 2002, 569). Daran fehlt es, wenn Sonderausgaben nachträglich erstattet werden.
Der BFH hat zwar bei der Kirchensteuer als einer jährlich wiederkehrenden Sonderausgabe aus Gründen der Praktikabilität eine Verrechnung erstatteter Kirchensteuer mit im Jahr der Erstattung gezahlter Kirchensteuer zugelassen. Sind im Erstattungsjahr die gezahlten Kirchensteuern aber niedriger als die erstatteten und ergibt sich ein Erstattungsüberhang, ist nachträglich die Einkommensteuerveranlagung des Zeitraums der Zahlung der erstatteten Kirchensteuer durch eine entsprechende Kürzung des Sonderausgabenabzugs zu ändern. Andernfalls würde dem Steuerpflichtigen ein Steuervorteil verbleiben, obwohl er insoweit nicht endgültig belastet ist (vgl. dazu im Einzelnen das Senatsurteil vom gleichen Tage XI R 28/04, BFH/NV 2005, 321, und vom 7. Juli 2004 XI R 10/04, BFH/NV 2004, 1687).
Da das Begehren der Kläger keinen Erfolg haben kann, ist ihre Klage abzuweisen.
Fundstellen