Leitsatz (amtlich)
Die Beteiligung einer Molkereigenossenschaft an einer in den Veräußerungsvorgang eingeschalteten steuerpflichtigen Butterabsatzzentrale führt in der Regel zur Steuerpflicht der Genossenschaft.
Normenkette
KStDV § 31
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ist eine Molkereigenossenschaft, die die von ihren Mitgliedern angelieferte Milch zu Butter und Käse verarbeitet, soweit sie sie nicht als Trinkmilch veräußert. Die Butter, die sie in ihrer näheren Umgebung nicht absetzen kann, überläßt sie der Butterabsatzzentrale X. eGmbH (Butterabsatzzentrale), die die Butter für Rechnung und im Namen der Bfin. verkauft. An der Butterabsatzzentrale, die mehr als 1.700 Geschäftsanteile und eine 1,7 Millionen DM übersteigende Summe der Geschäftsguthaben der Mitglieder aufweist, sind neben Privatmolkereien überwiegend Molkereigenossenschaften beteiligt, zu denen auch die Bfin. gehört. Die Butterabsatzzentrale ist voll körperschaftsteuerpflichtig, weil sie zur Sicherung ihres Absatzes landwirtschaftlicher Erzeugnisse gleichartige Waren wir Speisefette, Käse, Eier und Geflügel zukauft und verkauft, um das Sortiment der ihren Abnehmern angebotenen Waren zu vervollständigen. Die Beteiligung der Bfin. beschränkt sich auf 4 Geschäftsanteile (4.000 DM), deren Wert rund 2,5 v. H. ihrer Bilanzsumme ausmacht. Streitig ist, ob sich der Geschäftsbetrieb der Bfin. wegen dieser Beteiligung nicht mehr auf die Be- und Verarbeitung der von ihren Mitgliedern gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse beschränkt und der Bfin. deshalb die Steuerbefreiung des § 31 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes (KStDV) 1955 versagt werden muß. Die Vorbehörden haben diese Frage bejaht, weil die Bfin. durch die im Rahmen ihres Betriebs bedeutsame Beteiligung an der Butterabsatzzentrale in steuerschädlicher Weise am allgemeinen Geschäftsverkehr teilnehme.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Der Senat sah im Urteil I 228/56 S vom 21. Mai 1957 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 251) in einer geringfügigen, durch eine Dachgenossenschaft vermittelten Beteiligung einer Molkereigenossenschaft an einer die Milch in gewerblicher Form verarbeitenden steuerpflichtigen Gesellschaft eine steuerschädliche Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr, weil die Beteiligung im Gesamtaufbau des gesellschaftlichen und vertraglichen Zusammenschlusses dazu diente, die Milch durch die von den Genossenschaften beherrschte steuerpflichtige Gesellschaft in einer über den Rahmen der Landwirtschaft hinausgehenden gewerblichen Form zu verwerten. Von diesem Fall unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt insofern, als die Butterabsatzzentrale in ihrer Eigenschaft als Dachgenossenschaft vieler Genossenschaftsmolkereien nicht in einen über den Rahmen der Landwirtschaft hinausgehenden und deshalb steuer schädlichen Verarbeitungsvorgang eingeschaltet wird. Weder die Bfin. noch die Butterabsatzzentrale verarbeitet die von den Genossen angelieferte Milch in steuerschädlicher Form. Trotzdem muß der Auffassung der Vorbehörden beigetreten werden.
Die Bfin. ist nur dann steuerfrei, wenn sich ihr Betrieb auf die nach § 31 KStDV 1955 zulässige Bearbeitung und Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse der Mitglieder beschränkt. Zur Durchführung der notwendigen Gegengeschäfte, nämlich der Veräußerung der hergestellten Erzeugnisse, darf sich die Bfin. ohne Gefährdung ihrer Steuerfreiheit einer dritten Person bedienen, die die Erzeugnisse im Namen und für Rechnung der Bfin. absetzt. Die Beteiligung an einer in den Absatzvorgang eingeschalteten Genossenschaft ist dann unschädlich, wenn diese Genossenschaft keine geschäftliche Tätigkeit ausübt, die die Bearbeitung und Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Rahmen des § 31 KStDV überschreitet.
Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 228/56 S führt auch eine geringfügige Beteiligung einer landwirtschaftlichen Milchverwertungsgenossenschaft an einer Kapitalgesellschaft oder an einem anderen steuerpflichtigen Unternehmen zur Versagung der Steuerbefreiung des § 31 KStDV 1955, wenn die Beteiligung im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Genossenschaft und im gesellschaftlichen und vertraglichen Zusammenschluß der Erzeuger, der Genossen und der Kapitalgesellschaft eine ins Gewicht fallende Bedeutung hat. Entsprechende Grundsätze kommen bereits in den Urteilen des Bundesfinanzhofs I 88/53 U vom 12. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 496, BStBl 1954 III S. 101) und I 226/55 U vom 25. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 443, BStBl 1956 III S. 367) zum Ausdruck. Daß in Fällen dieser Art die steuerpflichtige Tätigkeit des Unternehmens, an dem die Milchverwertungsgenossenschaften beteiligt sind, den Genossenschaften zugerechnet wird, beruht auf der Erwägung, daß sich die wegen der gleichartigen Beteiligungen und der gleichgerichteten Interessen in ihrer Gesamtheit zu betrachtenden Genossenschaften dadurch, daß sie das von ihnen beherrschte Unternehmen ihren Zwecken dienstbar machen können, am allgemeinen Wirtschaftsverkehr in einer Form beteiligen, die mit dem Sinn und Zweck des § 31 KStDV nicht vereinbar ist. Bei dieser Betrachtung kommt es nicht entscheidend darauf an, welcher Art die von dem steuerpflichtigen Unternehmen entfaltete Tätigkeit ist, ob das Unternehmen insbesondere den Bearbeitungs- und Verwertungsvorgang der den Genossenschaften angelieferten landwirtschaftlichen Erzeugnisse in einer steuerpflichtigen Weise fortsetzt oder auf einem anderen im Rahmen des Zusammenschlusses der Genossenschaften bedeutsamen Gebiet tätig wird. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Beteiligung an dem steuerpflichtigen Unternehmen nicht dem eigentlichen Geschäftsbetrieb der Genossenschaften, sondern in zulässigem Umfang der Vermögensanlage dienen soll.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so muß die Beteiligung der Bfin. an der Butterabsatzzentrale als Dachgenossenschaft zahlreicher gleichartiger Genossenschaften als steuerschädlich angesehen werden. Denn die Dachgenossenschaft beschränkt sich nicht auf die Vermittlung des Absatzes der von ihren Gesellschaftergenossenschaften hergestellten Erzeugnisse, sondern entfaltet darüber hinaus eine mit dem Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ihrer Gesellschafter zusammenhängende steuerpflichtige Tätigkeit, die für den Betrieb jedes einzelnen Genossen im Rahmen des genossenschaftlichen Zusammenschlusses eine ins Gewicht fallende Bedeutung hat.
Bei dieser Sachlage muß die steuerschädliche Tätigkeit der Dachgenossenschaft, auf die die Bfin. und die ihr gleichartigen Genossenschaften einen Einfluß ausüben können, den beteiligten Genossenschaften zugerechnet werden. Durch den Besitz einer so gearteten Beteiligung nimmt die Bfin. durch die Dachgenossenschaft am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teil und betätigt sich damit in einer Weise, die über die nach § 31 KStDV 1955 zulässige Bearbeitung und Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse hinausgeht.
Fundstellen
Haufe-Index 408888 |
BStBl III 1958, 95 |
BFHE 1958, 244 |
BFHE 66, 244 |
BB 1958, 223 |