Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Auch eine geringfügige Beteiligung einer landwirtschaftlichen Milchverwertungsgenossenschaft an einer Kapitalgesellschaft oder einem anderen steuerpflichtigen Unternehmen führt zur Versagung der Steuerbefreiung des § 33 KStDV 1953, wenn die Beteiligung im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Genossenschaft und im gesellschaftlichen und vertraglichen Zusammenschluss der Erzeuger, der Genossenschaften und der Kapitalgesellschaft eine ins Gewicht fallende Bedeutung hat.
Normenkette
KStG § 23; KStDV § 33
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin (Bgin) ist eine Genossenschaft, deren Zweck die gemeinschaftliche Verwertung der von den Mitgliedern erzeugten Milch in deren Namen und für deren Rechnung ist und die nur Geschäfte mit Mitgliedern betreibt. Die Mitglieder sind zur Ablieferung der Milch an die Bgin. verpflichtet. Die Bgin. beschränkt sich im wesentlichen auf die Durchführung des mit der Milchverwertung X GmbH - im folgenden GmbH - geschlossenen Milch- und Rahmlieferungsvertrags, auf Grund dessen sie die Milch von ihren Mitgliedern für die GmbH zu sammeln und das Milchgeld im Namen der GmbH an die Erzeuger auszuzahlen hat. An dieser GmbH ist die Bgin. zwar nicht unmittelbar beteiligt. Sie besitzt aber zwei Geschäftsanteile von je 600 DM an der voll steuerpflichtigen Milchverwertungsgenossenschaft Y eGmbH - im folgenden Dachgenossenschaft -, an der außer der Bgin. zahlreiche andere gleichartige örtliche Liefergenossenschaften beteiligt sind. Im Gesellschaftsvertrag der Dachgenossenschaft ist den Mitgliedern die Verpflichtung auferlegt, die gesammelte Milch ausschließlich an die GmbH abzusetzen. An dem Stammkapital der GmbH sind u. a. die Dachgenossenschaft und eine Spar- und Kreditbank eGmbH wesentlich beteiligt. Die Dachgenossenschaft unterhält keinen eigenen Verwertungsbetrieb. Sie hat nur die Beteiligung an der GmbH für ihre Mitglieder, die örtlichen Liefergenossenschaften, und für die Erzeugerbetriebe zu halten und zu verwalten. Die GmbH beschränkt sich nicht auf die Verwertung der abgelieferten Milch, sondern betreibt zur Erzielung einer besseren Rentabilität u. a. auch den Großhandel mit Molkereierzeugnissen und diesen verwandten Waren.
Streitig ist, ob die Beteiligung der Bgin. an der Dachgenossenschaft zur Folge hat, daß sich ihre Tätigkeit nicht mehr auf den Bereich der Landwirtschaft beschränkt und deshalb die Steuerbefreiung des § 33 der Körperschaftsteuer - Durchführungsverordnung (KStDV) 1953 entfällt. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung unter Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs I 88/53 U vom 12. Januar 1954, Slg. Bd. 58 S. 496, Bundessteuerblatt (BStBl) 1954 III S. 101 und I 85/53 U vom 2. Februar 1954, Slg. Bd. 58 S. 501, BStBl 1954 III S. 102. Die Beteiligung der Bgin. an der GmbH, die durch die Dachgenossenschaft vermittelt werde, und ihre Beteiligung an der steuerpflichtigen Dachgenossenschaft selbst seien zwar für sich allein betrachtet geringfügig. Es komme aber nicht auf den Hundertsatz der Beteiligung am Kapital, sondern auf seine wirtschaftliche Bedeutung im Gesamtaufbau der miteinander verbundenen Unternehmen an.
Die Bgin. stimmte in der Sprungberufung dem Finanzamt im wesentlichen darin zu, daß es für ihre Steuerpflicht auf die wirtschaftliche Bedeutung ihrer Beteiligung an der Dachgenossenschaft ankomme. Die Frage, ob diese Beteiligung so erheblich sei, daß sie zur Steuerpflicht führe, könne aber nur nach der Höhe der Beteiligung jeder einzelnen Liefergenossenschaft und nicht danach beurteilt werden, ob noch andere Liefergenossenschaften gleichartige Beteiligungen besäßen. Wesentlich sei dabei insbesondere, ob sich die Genossenschaft durch die Beteiligung den Ertrag der steuerpflichtigen Gesellschaft, an der sie beteiligt sei, anteilig zuführe. Diese Voraussetzungen seien sowohl wegen der Geringfügigkeit ihrer Beteiligung als auch wegen der Beschränkung der Ausschüttungsmöglichkeiten der GmbH und der Dachgenossenschaft nicht gegeben.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es stimmte dem Finanzamt darin zu, daß auch eine geringfügige durch eine Dachgenossenschaft vermittelte Beteiligung einer Liefergenossenschaft an einer Kapitalgesellschaft in der Regel dann zu einer Versagung der Steuerbefreiung führe, wenn die Verwertung der von der Genossenschaft gesammelten Milch gesellschaftsrechtlich sichergestellt werde. Das sei hier in der Weise geschehen, daß der Gesellschaftsvertrag der GmbH den Gesellschaftern, also auch der Dachgenossenschaft, die Verpflichtung auferlege, auf die Erfüllung der Ablieferungspflicht der Liefergenossenschaft gegenüber der GmbH mit allen Mitteln hinzuwirken. In solchen Fällen sei eine an sich geringfügige unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft für den Geschäftsbetrieb der Liefergenossenschaft grundsätzlich nicht mehr unwesentlich. Denn sie gewährleiste die von der Liefergenossenschaft angestrebte weit über den Bereich der Landwirtschaft hinausgehende Verwertung der von den Erzeugern angelieferten Milch. Trotzdem kommt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß die Beteiligung der Bgin. an der Dachgenossenschaft und über die Dachgenossenschaft an der GmbH die Steuerbefreiung deshalb nicht ausschließe, weil sie zu geringfügig sei und sich nicht wesentlich auf die Geschäftstätigkeit der Bgin. auswirke. Entscheidend seien allein die Verhältnisse der Bgin. Die Tatsache, daß die eine wesentliche Beteiligung an der GmbH besitzende Dachgenossenschaft einen Zusammenschluss von zahlreichen Liefergenossenschaften darstelle, deren Interessen gleich gelagert seien und die durch die Dachgenossenschaft ihren Willen gegenüber der GmbH einheitlich zum Ausdruck bringen könnten, habe keine entscheidende Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Eine Genossenschaft ist von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf die Bearbeitung oder die Verwertung der von ihren Mitgliedern selbst gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse beschränkt und die Bearbeitung oder die Verwertung im Bereich der Landwirtschaft liegt (§ 33 Buchst. b KStDV 1953). Der Zweck dieser Befreiungsvorschrift besteht darin, durch die Vermeidung der bei Einschaltung einer Körperschaft entstehenden Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer den genossenschaftlichen Zusammenschluss kleiner landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber landwirtschaftlichen Großbetrieben konkurrenzfähig zu machen und ihnen dadurch die Möglichkeit zu geben, ihre Hilfs- und Nebenbetriebe in gleicher Weise wie landwirtschaftliche Großbetriebe auszubauen (vgl. Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 2/52 S vom 8. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 329, BStBl 1954 III S. 38). Aus diesem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung landwirtschaftlicher Verwertungsgenossenschaften folgert die Bgin., daß die Beteiligung einer solchen Genossenschaft an einer Kapitalgesellschaft, einer Personengesellschaft oder einer sonstigen steuerpflichtigen Gesellschaft dann nicht zur Versagung der Steuerbefreiung führen dürfe, wenn die Beteiligung beim landwirtschaftlichen Großbetrieb zu seinem Betriebsvermögen und die Einkünfte aus der Beteiligung zu den Einkünften aus Landwirtschaft gehören würden. Diese Schlußfolgerung ist, wie sich bereits aus den Urteilen des Senats I 88/53 U und I 85/53 U ergibt, nicht berechtigt. Denn die Beteiligung kann schon dann zum Betriebsvermögen des Landwirts gehören, wenn eine gewisse betriebliche Verbindung oder ein betriebliches Interesse an der Beteiligung besteht, wobei der Willensentscheidung des Landwirts ein gewisser Spielraum eingeräumt wird. Daß indessen eine wesentliche Beteiligung einer landwirtschaftlichen Genossenschaft an einer Kapitalgesellschaft, durch die sich die Genossenschaft mittelbar am allgemeinen Wirtschaftsverkehr beteiligt, zur Versagung der Steuerbefreiung führt, ist mit Rücksicht auf das Urteil des Senats I 85/53 U im gegenwärtigen Verfahren nicht mehr streitig. Aus der steuerlichen Auswirkung einer entsprechenden von einem landwirtschaftlichen Großbetrieb gehaltenen Beteiligung kann deshalb für die Entscheidung der Frage, ob eine Beteiligung einer Genossenschaft an einer Kapitalgesellschaft zur Versagung der Steuerfreiheit führt, keine Schlußfolgerung gezogen werden.
Läßt sich somit durch den Vergleich mit einer entsprechenden Beteiligung eines landwirtschaftlichen Großbetriebs die hier streitige Frage nicht beantworten, so kann nur die Bedeutung der Beteiligung im Rahmen der satzungsmäßigen und tatsächlichen Aufgaben der Genossenschaft entscheidend sein. Ist der Hundertsatz, mit dem die Genossenschaft an dem Kapital der steuerpflichtigen Gesellschaft beteiligt ist, nicht unbedeutend, so ergibt sich die Schädlichkeit dieser Beteiligung in der Regel schon aus dem Urteil des Senats I 85/53 U. In diesem Urteil ist die Frage, ob eine geringfügige Beteiligung der Genossenschaft steuerschädlich sein kann, nicht entschieden. Es kommt in dem Urteil aber zum Ausdruck, daß die geringfügige Beteiligung nur dann steuerlich unerheblich ist, wenn sie sich auf den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft nur unwesentlich auswirkt. übt eine geringfügige Beteiligung der Genossenschaft auf die Art der Verwertung und der Bearbeitung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einen erheblichen Einfluß aus, so kann es auf den Hundertsatz der Beteiligung nicht ankommen.
Entscheidend ist also, ob die Genossenschaft durch die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt und wie sich die Beteiligung im Gesamtaufbau des Zusammenschlusses der Erzeuger, der Genossenschaften und der steuerpflichtigen Unternehmen unter Berücksichtigung der geschlossenen Verträge und der bestehenden Satzungen auswirkt. Bei der Entscheidung dieser Frage, die weitgehend von den Umständen des Einzelfalles abhängt, kann deshalb nicht großzügig verfahren werden, weil der Verordnungsgeber selbst insofern einen strengen Maßstab an die Voraussetzungen der Steuerbefreiung anlegt, als schon ein einziges Nichtmitgliedergeschäft und damit eine ganz geringfügige Beteiligung am Wirtschaftsverkehr zur vollen Steuerpflicht der Genossenschaft führt. Aus diesen Gründen hat auch der Senat im Gutachten I D 3/50 S vom 2. Dezember 1950, Slg. Bd. 55 S. 65, BStBl 1951 III S. 26, eine Genossenschaftszentrale, deren Tätigkeit selbst im Rahmen der zulässigen Verwertung und Bearbeitung bleibt, nur dann für steuerfrei erklärt, wenn alle sie tragenden Genossenschaften ebenfalls steuerfrei sind.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so muß die Steuerpflicht der Bgin. bejaht werden, weil sie die von ihr gesammelte Milch durch eine steuerpflichtige Gesellschaft verwerten läßt, an der sie ihrer Milchlieferung entsprechend über die Dachgenossenschaft beteiligt ist und die sie zusammen mit anderen gleichartigen Liefergenossenschaften beherrscht. Hier dient die Beteiligung im Gesamtaufbau des gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Zusammenschlusses dazu, die Milch durch die von den Genossenschaften beherrschte steuerpflichtige Gesellschaft in einer über den Rahmen der Landwirtschaft hinausgehenden gewerblichen Form zu verwerten. Damit nimmt die Bgin. durch ihre Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Daß durch Satzungen und Verträge sichergestellt ist, daß der aus der gewerblichen Verarbeitung der Milch entstehende Ertrag der GmbH, der Dachgenossenschaft oder deren Mitglieder nur in sehr bescheidenem Umfang in Form des Kapitalertrags zufließen kann, ist nicht entscheidend. Denn einmal kann von der Verteilung des Gewinns der GmbH nicht die Steuerpflicht der Bgin. und der anderen Liefergenossenschaften abhängig gemacht werden. Zudem ist es praktisch nicht feststellbar, inwieweit dieser Gewinn der Bgin. oder den Erzeugern in der Form des Milchgeldes zufließt und die Beteiligung der Bgin. im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Verbindungen zwischen den Erzeugern, den eingeschalteten Genossenschaften und der GmbH auch dem Zweck dient, den Erzeugern mit Hilfe der Liefergenossenschaften den Ertrag der gewerblichen Verwertung der Milch zuzuführen.
Fundstellen
Haufe-Index 408776 |
BStBl III 1957, 251 |
BFHE 1958, 47 |
BFHE 65, 47 |
BB 1957, 777 |
DB 1957, 736 |