Entscheidungsstichwort (Thema)
Damnum; Werbungskosten bei Einfamilienhaus
Leitsatz (NV)
Zur Abziehbarkeit eines Damnums, das vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21a EStG durch Teilabrechnung geleistet wird.
Normenkette
EStG § 21a; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine mit ihm zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehefrau errichteten im Streitjahr 1979 ein Einfamilienhaus, das sie seit dem 28. Dezember 1979 bewohnen. Zur Baufinanzierung nahmen sie bei der X-Hypothekenbank Aktiengesellschaft (Hypothekenbank) ein erststelliges Darlehen von 150 000 DM und ein zweitstelliges Darlehen von 94 000 DM auf. Der Auszahlungskurs betrug 93 v.H. Am 10. Dezember 1979 rechnete die Hypothekenbank das erststellige Darlehen über 150 000 DM in einem als Darlehensteilabrechnung bezeichneten Schreiben zu einem Teilbetrag von 17 650 DM ab. Diesen Teilbetrag verrechnete die Hypothekenbank mit dem Damnum für das erststellige Darlehen abzüglich des teilabgerechneten Betrages (9 264,50 DM) und mit dem Damnum für das zweitstellige Darlehen (6 580 DM). In dem Schreiben, mit dem die Hypothekenbank die Teilabrechnung übersandte, weist sie darauf hin, daß die Auszahlung des Darlehensrestbetrages von 132 350 DM des erststelligen Darlehens und die Auszahlung des zweitstelligen Darlehens von 94 000 DM zu gegebener Zeit zum Kurs von 100 v.H. erfolgen werde. Die Teilvalutierung erfolge unter der Bedingung, daß der Hypothekenbank die noch fehlenden Unterlagen baldmöglichst eingesandt würden. Für den teilabgerechneten Darlehensbetrag von 17 650 DM berechnete die Hypothekenbank vom Tag der Teilabrechnung an bis zum 30. Dezember 1979 Zinsen. Am 8. Januar 1980 zahlte sie das erststellige Darlehen mit 132 350 DM (150 000 DM ./. 17 650 DM) und am 8. Februar 1980 das zweitstellige Darlehen mit 94 000 DM aus.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1979 machten der Kläger und seine Ehefrau das in der Teilabrechnung verrechnete Damnum von insgesamt 15 844,50 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Einfamilienhauses geltend. Der Beklagte und Revisionsbegklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte nur ein Damnum in Höhe von 1 236 DM als Werbungskosten an, nämlich den Teil des Damnums, der auf den teilabgerechneten Betrag von 17 650 DM entfällt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Vorverfahren mit folgender Begründung ab: Grundsätzlich seien Finanzierungskosten, die anläßlich der Errichtung von Baulichkeiten anfallen, im Jahr der Zahlung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar. Bei Selbstnutzung eines Einfamilienhauses seien nur die Schuldzinsen abziehbar, die wirtschaftlich auf die Zeit vor Ansatz des Grundbetrags nach § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG) entfielen. Das gelte entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch für ein Damnum. Denn es sei ein neben der laufenden Verzinsung für die Kapitalnutzung gezahlter Vorauszins. Zwischen der Höhe des Zinssatzes und der Höhe des Damnums bestehe eine unmittelbare Wechselbeziehung. Da die Hypothekenbank dem Kläger und seiner Ehefrau die beiden Darlehen erst nach dem Beginn der Selbstnutzung des Einfamilienhauses ausgezahlt habe, entfalle die Kapitalnutzung ausschließlich auf einen Zeitraum, der nach Beginn der Selbstnutzung liege. Deshalb sei das Damnum nach § 21a Abs. 3 Nr. 1 EStG nur in eingeschränktem Umfang abziehbar.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision, mit der er Verletzung der §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 11 Abs. 2, § 21a EStG und § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) rügt. Der Werbungskostenbegriff sei materiell-rechtlich pagatorisch zu verstehen. Der Zeitpunkt des Zahlungsvorganges bewirke dessen steuerliche Zuordnung. Auch die Aufrechnung mit einer fälligen Gegenforderung stelle eine Leistung i.S. des § 11 Abs. 2 EStG dar. Der Auffassung des FG, daß Werbungskosten final zu sehen seien und deshalb das Damnum auf die Laufzeit des Darlehens verteilt werden müsse, sei nicht zu folgen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des FG müsse zwangsläufig zu einem System von Abgrenzungsposten führen, das einer Gewinnermittlung der §§ 4 bis 7 EStG entsprechen würde.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 1979 in Gestalt der Einspruchsentscheidung zu ändern und unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung von 15 844,50 DM die Einkommensteuer anderweitig festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung verletzt § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG.
1. Nach dieser Vorschrift sind Ausgaben in dem Kalenderjahr als Werbungskosten abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Beschluß des Großen Senats vom 6. Dezember 1965 GrS 2/64 S, BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144; Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 173/83, BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, und Urteil des erkennenden Senats vom 3. Feburar 1987 IX R 85/85, BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492) kommt es für den Zeitpunkt der Leistung des Damnums auf die bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten an, sofern sie tatsächlich durchgeführt worden sind. Ein vom Darlehensschuldner vereinbarungsgemäß vor Auszahlung des Darlehens an den Darlehensgläubiger geleistetes Damnum ist danach im Zeitpunkt der Zahlung als Werbungskosten abziehbar.
Erfolgt die Zahlung vor Ansatz des Grundbetrages nach § 21a Abs. 1 EStG, greift die Beschränkung der Abziehbarkeit nach § 21a Abs. 3 EStG grundsätzlich nicht ein. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zwischen der Zahlung des Damnums und der Auszahlung des Darlehens kein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und deshalb die Vorauszahlung des Damnums rechtsmißbräuchlich ist. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist gegeben, wenn das Darlehen innerhalb eines Monats nach Zahlung des Damnums ausgezahlt wird (Urteile in BFHE 140, 440, BStBl II 1984, 428, und vom 13. Dezember 1983 VIII R 64/83, BFHE 140, 437, BStBl II 1984, 426; vgl. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 14. Januar 1986 IX R 188/84, BFH/NV 1986, 280).
Der Senat hält an der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die zur vollen Abziehbarkeit eines vereinbarungsgemäß vor dem Ansatz des Grundbetrages nach § 21a Abs. 1 EStG gezahlten Damnums führt, fest. Wegen der dafür maßgebenden Gesichtspunkte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil vom 8. November 1988 IX R 142/84 Bezug genommen, von dem ein retuschierter Abdruck beigefügt ist.
2. a) Nach diesen Grundsätzen kommt ein Abzug des Damnums für das zweitstellige Darlehen (6 580 DM) nicht in Betracht, weil die Auszahlung dieses Darlehens nicht innerhalb eines Monats nach der Teilabrechnung erfolgte (§ 42 AO 1977).
b) Dagegen kann das Damnum für das erststellige Darlehen in Höhe von 9 264,50 DM ohne die Begrenzung des § 21a Abs. 3 EStG als Werbungskosten abziehbar sein, wenn die Teilabrechnung eine Leistung des Damnums i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG darstellt und dieser Leistung vertragliche Vereinbarungen der Parteien des Darlehensvertrages zugrunde liegen. § 42 AO 1977 steht dem Abzug nicht entgegen, weil das erststellige Darlehen innerhalb eines Monats nach der Teilabrechnung ausgezahlt wurde.
aa) Die Teilabrechnung bewirkt eine Leistung des Damnums i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG. Wie der Große Senat in BFHE 84, 399, BStBl III 1966, 144 entschieden hat, führt die vertragsgemäße Verrechnung eines Damnums mit dem Darlehen bei Auszahlung zum Abfluß des Damnums. Der erkennende Senat hat darüber hinaus in seinem Urteil in BFHE 149, 213, BStBl II 1987, 492 entschieden, daß auch die von dem Darlehensgläubiger vorgenommene Belastungsbuchung zu einem Abfluß des Damnums führen kann, weil damit das Vermögen des Schuldners wirtschaftlich vermindert sei. Entsprechendes gilt, wenn vor der Auszahlung des Darlehens eine Teilabrechnung zwischen Gläubiger und Schuldner in der Weise stattfindet, daß ein Teil des zur Auszahlung bereitgestellten Darlehens vorweg mit dem Damnum verrechnet wird. Mit der Teilabrechnung stellt der Gläubiger dem Schuldner einen Teil des Darlehens zur Verfügung und verrechnet diesen Teil mit dem Damnum. Der Schuldner bezahlt mit dem zur Verfügung gestellten Teil des Darlehens gewissermaßen das Damnum, das er dem Gläubiger neben den Zinsen als Entgelt für die Kapitalnutzung schuldet. Wirtschaftlich macht es keinen Unterschied, ob der Gläubiger das Damnum mit dem Darlehen erst bei Auszahlung verrechnet oder bereits vorher eine Teilabrechnung stattfindet.
bb) Voraussetzung für die Abziehbarkeit des Damnums ist, daß die Parteien des Darlehensvertrages vereinbart haben, mit der Teilabrechnung solle das Damnum vorweg getilgt werden. Das FG hat dazu - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - bisher keine Feststellungen getroffen. Es fehlen auch Feststellungen dazu, welche Bedeutung die Bedingung hat, die die Hypothekenbank mit der Teilabrechnung verbunden hat. Sollte die Bedingung, die Teilvalutierung werde von der rechtzeitigen Vorlage von Unterlagen abhängig gemacht, als aufschiebende Bedingung auszulegen sein, würde die Verrechnungsabrede erst mit dem Eintritt der Bedingung wirksam werden (§ 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). In diesem Fall wäre das Damnum erst im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Verrechnungsabrede abgeflossen.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG muß die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zum Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Hypothekenbank nachholen. Sollte sich ergeben, daß die Teilabrechnung der Vereinbarung der Vertragsparteien entspricht und noch vor dem Ansatz des Grundbetrages wirksam geworden ist, ist das Damnum für das erststellige Darlehen im Streitjahr in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar.
Fundstellen
Haufe-Index 416095 |
BFH/NV 1989, 345 |