Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn des Begünstigungszeitraums gemäß § 7 b EStG
Leitsatz (NV)
Der achtjährige Begünstigungszeitraum gemäß § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG beginnt jedenfalls dann nicht bereits in dem Jahr vor der Fertigstellung des begünstigten Objekts, wenn das FA für dieses Jahr zu Unrecht erhöhte Absetzungen gewährt hat, ohne daß der Steuerpflichtige dies beantragt hatte, und ohne daß die Vergünstigung für ihn erkennbar war.
Normenkette
EStG § 7b Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb zusammen mit seiner Ehefrau im September 1983 eine Eigentumswohnung und begann anschließend -- überwiegend in Eigenleistung -- mit deren Innenausbau.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1983 machten der Kläger und seine Ehefrau bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit der Eigentumswohnung Schuldzinsen in Höhe von 12 051 DM sowie andere Werbungskosten in Höhe von 26 DM geltend. Erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantragten sie nicht.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) legte der Festsetzung der Einkommensteuer 1983 einen Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 14 530 DM zugrunde, indem er neben einem Disagio in Höhe von 5 400 DM sowie weiteren Zinsen in Höhe von 43 DM erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b EStG in Höhe von 9 088 DM berücksichtigte. Die Abweichung gegenüber der Einkommensteuererklärung erläuterte das FA nicht.
Ab 1984 beantragten der Kläger und seine Ehefrau mit ihren Einkommensteuererklärungen regelmäßig erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG, die vom FA auch gewährt wurden. In seinen Anträgen auf Lohnsteuerermäßigung ab dem Kalenderjahr 1984 gab der Kläger die Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnung stets mit "Januar 1984" an.
Auch mit seinem Lohnsteuerermäßigungsantrag für das Jahr 1991 beanspruchte der Kläger wiederum erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b EStG. Diesen Antrag lehnte das FA mit der Begründung ab, der Begünstigungszeitraum sei zum 31. Januar 1990 ausgelaufen. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA unter Hinweis darauf als unbegründet zurück, daß bereits für das Jahr 1983 erhöhte Absetzungen berücksichtigt worden seien.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Nachdem zum einen der Kläger stets vorgetragen habe, die Wohnung sei erst im Jahre 1984 bezugsfertig geworden, ohne daß das FA hieran jemals Zweifel geäußert habe, und da zum anderen angesichts der Eigenleistungen des Klägers der genaue Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit nicht mehr festgestellt werden könne, sei von einer Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnung im Jahre 1984 auszugehen. Mithin habe das FA die erhöhten Absetzungen für das Jahr 1983 zu Unrecht gewährt. Diese irrtümliche Gewährung führe nicht dazu, daß das Streitjahr 1991 aus dem achtjährigen Begünstigungszeitraum des § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG auszunehmen sei. Unter Berücksichtigung des Prinzips der Ab schnittsbesteuerung sei für das Streitjahr selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Gewährung der erhöhten Absetzungen vorlägen; dies sei im Hinblick darauf, daß das Streitjahr das siebte auf das Jahr der Bezugsfertigkeit folgende Kalenderjahr sei, zu bejahen. Etwas anderers ergebe sich im Streitfall auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben; denn der Kläger habe weder die fehlerhafte Behandlung durch das FA veranlaßt noch erkennen müssen, daß die Berücksichtigung eines höheren als des erklärten Werbungskostenüberschusses bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 1983 auf einer Gewährung erhöhter Absetzungen beruhte.
Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung des § 7 b EStG. Das FG habe bei seiner Beurteilung die Zielsetzung des § 7 b EStG, den Steuerpflichtigen nach dem Erwerb des begünstigten Objektes für die Dauer des Begünstigungszeitraumes von acht Jahren steuerlich zu entlasten, außer Betracht gelassen. Die gesetzliche Fest legung von Beginn und Ende des Begünstigungszeitraumes solle einer willkürlichen Inanspruchnahme der Begünstigung durch den Steuerpflichtigen entgegenwirken, rechtfertige es jedoch nicht, bei einem Irrtum über den Zeitpunkt der Fertigstellung den Zeitraum der steuerlichen Begünstigung auf neun Jahre auszudehnen. Im übrigen sei das FG zu Unrecht von einer Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnung im Jahre 1984 ausgegangen; aus dem Verhältnis der in den Jahren 1983 und 1984 von dem Kläger und seiner Ehefrau geltend gemachten Herstellungskosten ergebe sich, daß die Wohnung bereits im Jahre 1983 bezugsfertig geworden sei. Schließlich habe das FG auch fehlerhaft angenommen, der Kläger habe eine unrichtige Behandlung bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 1983 nicht veranlaßt. Vielmehr habe der Sachbearbeiter aufgrund der der Steuererklärung beigefügten Baukostenaufstellung sowie wegen der in der Anlage V enthaltenen Erklärung der Steuerpflichtigen, bislang keine erhöhten Absetzungen für andere Objekte beansprucht zu haben, von einem Antrag nach § 7 b EStG für das Jahr 1983 ausgehen müssen. Auch hätte sich dem Kläger angesichts der Höhe des bei der Steuerfestsetzung berücksichtigten Werbungskostenüberschusses aufdrängen müssen, daß das FA den Erklärungsinhalt 1983 zum Anlaß genommen habe, die erhöhten Absetzungen gemäß § 7 b EStG zu gewähren.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Zwar kann sich eine Entscheidung des Senats nicht mehr im Lohnsteuerabzugsverfahren auswirken, weil sich die Ein tragungen auf der Lohnsteuerkarte des Klägers nach Ablauf des Zeitraums, bis zu dessen Ende der Arbeitgeber den Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen durfte -- März 1992 --, nicht mehr auswirken können (§ 42 b Abs. 3 Satz 1 EStG). Das Rechtsschutzbedürfnis des FA für die Revision ist jedoch schon deswegen zu bejahen, weil das FG die Verwaltungsakte des FA für rechtswidrig erachtet hat (vgl. Senats urteil vom 13. Januar 1987 IX R 90/83, BFH/NV 1987, 445).
2. Die Revision ist jedoch unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Die Beurteilung des FG, wonach dem Kläger die erhöhten Absetzungen auch für das Streitjahr noch zustehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Nach § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger u. a. bei im Inland belegenen Eigentumswohnungen, die zu mehr als 66 2/3 v. H. zu Wohnzwecken dienen und die vor dem 1. Januar 1987 hergestellt oder angeschafft worden sind, abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 5 v. H. der Herstellungs- oder Anschaffungskosten absetzen. Erhöhte Absetzungen können mithin für einen Zeitraum von insgesamt acht Jahren gewährt werden. Dieser Begünstigungszeitraum ist gesetzlich festgelegt. Er beginnt mit dem Jahr der Fertigstellung oder der Anschaffung und endet zwangsläufig mit Ablauf des siebenten, hierauf folgenden Jahres.
b) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung dazu, ob es grundsätzlich Auswirkungen auf den Begünstigungszeitraum hat, wenn der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen schon für einen früheren als den gesetzlich vorgesehenen Veranlagungszeitraum in Anspruch nimmt (vgl. Niedersächsisches FG in Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1992, 392). Vielmehr ist allein zu entscheiden, ob der achtjährige Begünstigungszeitraum entgegen der gesetzlichen Anordnung in § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG dann bereits im Jahr vor der Fertigstellung des begünstigten Objekts beginnt, wenn das FA für dieses Jahr zu Unrecht erhöhte Absetzungen gewährt hat, ohne daß der Steuerpflichtige diese beantragt hatte, und ohne daß die Vergünstigung für ihn erkennbar war.
Das FG ist davon ausgegangen, daß die im Jahre 1983 erworbene Eigentumswohnung erst im Jahre 1984 bezugsfertig geworden ist und dem Kläger sowie seiner Ehefrau daher die erhöhten Absetzungen bei der Veranlagung für das Jahr 1983 zu Unrecht gewährt worden sind. Diese fehlerhafte Behandlung sei nicht vom Kläger veranlaßt worden; ihm habe sich mangels einer Erläuterung der von der Steuererklärung abweichenden Steuerfestsetzung auch nicht aufdrängen müssen, daß das FA erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG berücksichtigt habe.
Diese Würdigung des FG zum Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit, die vom Senat nur daraufhin zu überprüfen ist, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht auf einem Verstoß gegen die Denkgesetze oder einer Verletzung von Erfahrungssätzen beruht (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Anm. 39 ff. mit Nachweisen der ständigen Rechtsprechung), hält den Revisionsangriffen stand. Das FG konnte unter Berücksichtigung aller Umstände in tatsächlicher Hinsicht davon ausgehen, daß die Eigentumswohnung erst im Jahre 1984 bezugsfertig geworden war. Entgegen der Ansicht des FA spricht hiergegen nicht das Verhältnis der in den Jahren 1983 und 1984 geltend gemachten Herstellungskosten; denn angesichts der Tatsache, daß der Kläger den Ausbau überwiegend in Eigenleistung vorgenommen hat, kann aus dem Zeitraum der Anschaffung der Baumaterialien nicht zwingend auf den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnung geschlossen werden. Auch die Würdigung des FG, der Kläger und seine Ehefrau hätten die fehlerhafte Behandlung bei der Steuerfestsetzung für das Jahr 1983 weder veranlaßt noch erkennen müssen, erscheint möglich; denn zum einen hatten die Steuerpflichtigen in der Anlage V zu ihrer Einkommensteuererklärung 1983 im Gegensatz zu den späteren Jahren die Berücksichtigung erhöhter Absetzungen gerade nicht beantragt. Zum anderen war für sie mangels einer Erläuterung der Steuerfestsetzung durch das FA nicht erkennbar, daß die betragsmäßige Erhöhung des Werbungskostenüberschusses um 2 453 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf einer Gewährung erhöhter Absetzungen gemäß § 7 b EStG in Höhe von 9 088 DM beruhte; insoweit bestand für die Steuerpflichtigen auch keine Erkundigungspflicht.
c) Da der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die Feststellungen des FG gebunden ist, ist im Streitfall davon auszugehen, daß das FA für das Jahr 1983 zu Unrecht erhöhte Absetzungen berücksichtigt hat, ohne daß der Kläger diese beantragt hatte, und ohne daß die gewährte Vergünstigung für ihn erkennbar war.
In einem solchen Fall ist es nicht möglich, entgegen der gesetzlichen Regelung in § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG den Begünstigungszeitraum bereits in dem Jahr vor der Fertigstellung des begünstigten Objektes beginnen und entsprechend vorzeitig enden zu lassen. Die gesetzliche Regelung ist insoweit eindeutig. Weder dem Steuerpflichtigen noch dem FA steht damit in bezug auf den Zeitpunkt, zu dem erstmals erhöhte Absetzungen in Anspruch genommen werden können, ein Gestaltungsrecht zu. So hat jener beispielsweise kein Wahlrecht, anstelle des Jahres der Fertigstellung, die seit dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. April 1954 IV 393/53 U (BFHE 58, 692, BStBl III 1954, 175) als Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit verstanden wird, ein Folgejahr, in dem noch kleinere Arbeiten nachgeholt werden, als das Jahr der Fertigstellung zu bestimmen (vgl. BFH- Urteil vom 8. Februar 1957 VI 132/55 U, BFHE 64, 352, BStBl III 1957, 133; Blümich/Erhard, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, 14. Aufl., § 7 b EStG, Rz. 271; Handzik in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 7 b Rn. 75; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 7 b EStG, Anm. 125). In gleicher Weise hat auch das FA nicht die Möglichkeit, seinerseits durch eine rechtsfehlerhafte Gewährung erhöhter Absetzungen den Begünstigungszeitraum abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bestimmen. Diese Auslegung stellt zudem sicher, daß die dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der Nachholung erhöhter Absetzungen (§ 7 b Abs. 3 EStG) und mit der Möglichkeit der Erstrekung auf ein Folgeobjekt (§ 7 b Abs. 5 Sätze 4 und 5 EStG) eingeräumten Gestaltungsrechte bei der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nicht beeinträchtigt werden. Dies wäre aber der Fall, wenn ohne seinen Willen und ohne seine Kenntnis der Beginn des Begünstigungszeitraums durch eine fehlerhafte Behandlung seitens des FA vorverlagert würde.
Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung zur Frage des sog. Objektverbrauchs (vgl. BFH-Urteile vom 5. Juni 1991 XI R 11/90, BFH/NV 1991, 742; vom 8. Dezember 1992 IX R 137/88, BFH/NV 1993, 361; vom 8. März 1994 IX R 12/90, BFH/NV 1994, 785). Abgesehen davon, daß in jenem Zusammenhang noch keine mit dem Streitfall vergleichbare Fallgestaltung entschieden worden ist, war insoweit nach dem Zweck des § 7 b Abs. 5 EStG jeweils entscheidend allein darauf abzustellen, ob der Steuerpflichtige bereits einmal die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG in Anspruch genommen und diese sich bei ihm steuerlich ausgewirkt hatte (BFH- Urteil in BFH/NV 1991, 742); die Frage nach der zeitlichen Bemessung des Begünstigungszeitraums hingegen war nicht entscheidungserheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 420362 |
BFH/NV 1995, 590 |