Leitsatz (amtlich)
1. Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG stand nicht entgegen, daß neben der Kapitalgesellschaft noch eine natürliche Person Komplementär der Kommanditgesellschaft war.
2. Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG stand nicht entgegen, daß die Kapitalgesellschaft der Kommanditgesellschaft keine Kapitaleinlage erbracht hatte.
2. Die tatsächlichen Grundlagen des Besteuerungsmaßstabs müssen vom Finanzgericht festgestellt werden.
Normenkette
KVStG 1959 § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 8 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie ist neben einer natürlichen Person persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft. Die Klägerin hat keine Einlage geleistet; der andere persönlich haftende Gesellschafter ist mit einer Einlage von ... DM an dem Vermögen der Kommanditgesellschaft beteiligt. Die Einlagen der Kommanditisten sind mit ... DM ausgewiesen. Auf diese sind ... DM eingezahlt.
Das beklagte Finanzamt hat gegen die Klägerin unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG ... DM Gesellschaftsteuer festgesetzt. Die Klägerin ist der Ansicht, § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG treffe den vorliegenden Fall nicht, weil sie nur formal Komplementär der Kommanditgesellschaft sei, die beherrschende Stellung aber dem anderen am Kapital der Gesellschaft beteiligten persönlich haftenden Gesellschafter zukomme, der auch die Geschäfte der Kommanditgesellschaft führe. Ihr Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision der Klägerin führt aus anderen als den vorgetragenen Rechtsgründen (§ 118 Abs. 3 Satz 2 FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Die Rüge fehlerhafter Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG (§ 118 Abs. 1 FGO) greift nicht durch. Gemäß dieser Vorschrift gelten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften auch Anteile der Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 KVStG) und persönlich haftende Gesellschafterin der maßgebenden Kommanditgesellschaft. Dieses Tatbestandsmerkmal wird nicht dadurch aufgehoben, daß neben ihr noch eine natürliche Person persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist (vgl. Beschluß des BFH II B 1/71 vom 11. Mai 1971, BFH 102, 133 [135], BStBl II 1971, 494).
Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG gibt keinen Anhalt dafür, daß er nur den Fall treffen solle, daß keine natürliche Person Komplementär der Kommanditgesellschaft ist. Der Wortlaut ist im gegenteiligen Sinne eindeutig. Es genügt, daß "zu den persönlich haftenden Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellschaft gehört".
Das verkennt die Klägerin nicht. Sie sieht jedoch in der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG auf ihren Fall eine "Überbetonung der typisierenden Betrachtungsweise", eine Verstoß gegen Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG und eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG).
Die letztgenannte Frage kann angesichts des gesetzeskräftigen (Art. 94 Abs. 2 GG, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 6 BVerfGG) Beschlusses des BVerfG vom 2. Oktober 1968 - 1 BvF 3/65 - (BVerfGE 24, 174) nicht mehr aufgeworfen werden, soweit sie die Gültigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG in Zweifel ziehen sollte. Das würde zwar eine an Sinn und Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG ausgerichtete einengende Auslegung dieser Vorschrift nicht ausschließen; der BFH wäre insoweit nicht an die Beurteilung des BVerfG gebunden (BFH-Urteil II R 21/70 vom 10. November 1970, BFH 100, 472 [474], BStBl II 1971, 105). Eine Auslegung im Sinne der Klägerin muß aber - ähnlich wie im Falle des Urteils II R 21/70 - daran scheitern, daß es kein begriffliches Ausscheidungsmerkmal gibt (vgl. BFH-Urteil II 112/65 vom 19. November 1968, BFH 94, 156 [159], BStBl II 1969, 92), das nicht alle Fälle träfe, in denen neben der Kapitalgesellschaft eine natürliche Person Komplementär der Kommanditgesellschaft wäre.
Sinn und Zweck der Gesellschaftsteuer ist allerdings in erster Linie, die Kapitalzufuhr an Kapitalgesellschaften zu erfassen (vgl. die amtliche Begründung zum Kapitalverkehrsteuergesetz, RStBl 1934, 1460 [1462]; BFH-Urteil II 176/61 vom 8. November 1967, BFH 91, 172 [176], BStBl II 1968, 213). Dieser Sinn gilt aber nicht für § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG (BFH 100, 472 [475]), da in diesen Fällen der steuerpflichtigen (§ 10 Abs. 1 KVStG) Kapitalgesellschaft (§ 5 KVStG) niemals Kapital zugeführt wird (BFH-Urteil II R 22/70 vom 16. Juni 1970, BFH 99, 423 [424], BStBl II 1970, 668). Sähe man als Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG dagegen die Besteuerung der Kapitalzuführung an solche Kommanditgesellschaften, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, so würden entgegen dem eindeutigen Wortsinn des § 6 Abs. 1 Nr. 4 von dieser Vorschrift alle Fälle ausgenommen, in denen neben der Kapitalgesellschaft ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist. Eine solche Auslegung ist aber - wie bereits erwähnt - durch die Gesetzeskraft der verfassungsgerichtlichen Entscheidung abgeschnitten.
Für eine Unterscheidung danach, ob die Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin eine Kapitaleinlage leistet oder nicht, bieten weder Wortlaut noch Wortsinn des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG noch der Zweck der Gesellschaftsteuer als ganzer einen Anhalt; eine daran anknüpfende Differenzierung wäre willkürlich und zufällig. Das Vermögen der Kommanditgesellschaft ist gemeinschaftliches Vermögen aller Gesellschafter (§§ 161, 105 Abs. 2 HGB, § 718 Abs. 1 BGB), dem Wesen der Gesamthand folgend also auch derer, denen kein Kapitalanteil zugerechnet wird und denen im Falle der Auseinandersetzung kein Anspruch zusteht. Daher kann dem § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG kein Besteuerungszweck entnommen werden, der enger als sein Wortsinn wäre.
Das angefochtene Urteil war jedoch deshalb aufzuheben, weil seine - eingangs wiedergegebenen - tatsächlichen Feststellungen den Besteuerungstatbestand der Nrn. 1 oder 2 des § 2 KVStG 1959 nicht darstellen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Revisionsgericht befugt wäre, gewisse unstreitige Tatsachen als stillschweigend in Bezug genommen den Akten zu entnehmen. Denn selbst wenn dabei die Besteuerung dem Grunde nach als gerechtfertigt erkannt werden könnte, wäre der BFH nicht in der Lage, die Richtigkeit des Steuermaßstabs (§ 8 KVStG) nachzuprüfen.
Zwar ist es für den Besteuerungsgrund des § 2 Nr. 1 und Nr. 2 KVStG 1959 unerheblich, ob die Kommanditisten ihre baren Pflichteinlagen auf die Kommanditanteile bei deren Erwerb (§ 2 Nr. 1 KVStG 1959) oder anläßlich einer Erhöhung der Einlagepflicht (§ 2 Nr. 2 KVStG 1959; vgl. BFH-Urteil II 141/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 320 [324], BStBl II 1970, 99) erbracht haben, oder ob die Klägerin erst nachträglich in eine bereits bestehende Kommanditgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin eingetreten ist (§ 2 Nr. 1 KVStG 1959; vgl. BFH-Urteil II 196/65 vom 11. November 1969, BFH 98, 369, BStBl II 1970, 335). Für den Steuermaßstab gilt aber im ersten Falle § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG, im zweiten § 8 Nr. 2 KVStG, im dritten § 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG.
Bei Bareinlagen, wie hier festgestellt ("eingezahlt"), führen § 8 Nr. 1 Buchst. a KVStG und § 8 Nr. 2 KVStG zum gleichen Ergebnis. Wäre die Klägerin - wie nach einem in den Akten des Finanzamts enthaltenen Prüfungsbericht anzunehmen - dagegen in eine bereits bestehende Kommanditgesellschaft eingetreten, so wäre die Steuer bezüglich der Kommanditisten, welche die Klägerin bei ihrem Eintritt bereits antraf, nicht aus dem Wert der ehedem erbrachten Einlagen, sondern aus dem - möglicherweise niedrigeren - Wert der Kommanditanteile im Zeitpunkt des Eintritts der Klägerin zu errechnen (§ 8 Nr. 1 Buchst. c KVStG). Denn die bereits vorhandenen Kommanditisten hatten beim Eintritt der Klägerin für den Fortbestand ihres Kommanditanteils (gesellschaftsteuerrechtlich: den ersten Erwerb der in § 6 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 4 beschriebenen Gesellschafterstellung) keine Gegenleistung zu erbringen.
Die damit aufgeworfenen Fragen werden durch den bei den Akten befindlichen Handelsregisterauszug nicht zwingend beantwortet. Denn der Eintragung oder Nichteintragung in das Handelsregister kommen zwar die in §§ 15, 172, 174, 176 HGB beschriebenen Wirkungen zu. Das Handelsregister gibt aber keine abschließende Auskunft über Zeitpunkt und Inhalt eingetretener Rechtsänderungen.
Fundstellen
Haufe-Index 413075 |
BStBl II 1972, 384 |
BFHE 1972, 482 |