Leitsatz (amtlich)
Zur Voraussetzung der hinreichend klaren Bezeichnung der betreffenden Grundstücke für einen wirksamen Antrag auf Feststellung eines höheren Teilwertes nach § 55 Abs. 5 EStG 1971, durch den die Ausschlußfrist dieser Vorschrift gewahrt wird (Anschluß an Urteil vom 11. Oktober 1979 IV R 65/78, BFHE 129, 34, BStBl II 1980, 63).
Normenkette
EStG 1971 § 55 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Bauernhofes mit landwirtschaftlichen Nutzflächen von ca. 100 ha, den er zum 1. Juli 1973 an seinen Sohn verpachtet hat.
Mit Schreiben vom 24. Dezember 1975 beantragte der Kläger durch seinen steuerlichen Vertreter die Feststellung eines höheren Teilwertes gemäß § 55 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
"Im Auftrage unseres o. g. Mandanten bitten wir für alle nach dem 1. 7. 1970 veräußerten Flächen um Feststellung des höheren Teilwertes."
Mit Bescheid vom 21. Mai 1976 wies der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diesen Antrag mit der Begründung zurück, in ihm sei die ortsmäßige Lage oder die katastermäßige Bezeichnung der Grundstücke nicht angegeben worden; der Antrag entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen und sei demnach nicht wirksam gestellt worden.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger Klage, in der er ausführte, der Antrag vom 24. Dezember 1975 sei wirksam gestellt worden; denn aus ihm gehe deutlich hervor, daß die Feststellung des höheren Teilwertes für alle von ihm in der Zeit vom 1. Juli 1970 bis 24. Dezember 1975 veräußerten Grundstücksflächen begehrt werde. Es habe sich dabei um insgesamt 18 Kaufverträge gehandelt. Diese seien urschriftsgemäß von den betreffenden Notaren dem FA, dem Katasteramt, dem Grundbuchamt sowie den Käufern und Verkäufern zugestellt worden. Mithin sei der Inhalt der Kaufverträge dem FA vor Ablauf der Ausschlußfrist des § 55 Abs. 5 EStG bekannt gewesen.
In Ergänzung der Klagebegründung legte der Kläger mit Schriftsatz vom 6. August 1979 eine Aufstellung der 18 zwischen dem 1. Juli 1970 und dem 24. Dezember 1975 veräußerten Grundstücke vor und beantragte, dem Feststellungsantrag vom 24. Dezember 1975 nach Maßgabe der höheren Teilwerte in der Aufstellung vom 6. August 1979 stattzugeben.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Oktober 1979 IV R 65/78 (BFHE 129, 34, BStBl II 1980, 63) müsse der Antrag nach § 55 Abs. 5 EStG so gehalten sein, daß die in Betracht kommenden Grundstücke ohne großen Aufwand und ohne Rückfragen identifiziert werden könnten. Nicht ausreichend sei es, lediglich zu beantragen, für den gesamten Grundbesitz einen höheren Teilwert festzustellen. Lege man diese Auffassung des BFH dem Streitfall zugrunde, so habe der Kläger hinreichend konkrete Angaben über die unter seinen Antrag fallenden 18 Grundstücke gemacht. Für die vom BFH geforderte konkrete Bezeichnung der Grundstücke reiche es aus, sie als veräußerte Grundstücke zu kennzeichnen. Denn damit sei ihre Identität zweifelsfrei nachprüfbar, und diese Nachprüfung sei für das FA durch den Rückgriff auf die bei der Grunderwerbsteuerstelle liegenden Veräußerungsmitteilungen ohne großen Aufwand möglich gewesen. Die Steuerakten zeigten auch, daß dem FA tatsächlich die bei der Grunderwerbsteuerstelle eingegangenen Veräußerungsmitteilungen der Notare bei den betreffenden Akten bereits vorlagen.
Das FG hob den ablehnenden Bescheid des FA vom 21. Mai 1976 und die dazugehörige Einspruchsentscheidung vom 5. August 1977 auf und verpflichtete das FA, den Antrag vom 24. Dezember 1975 als wirksam gestellt zu behandeln und über ihn sachlich zu entscheiden.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß der Antrag des Klägers vom 24. Dezember 1975 den Mindestanforderungen eines Antrages nach § 55 Abs. 5 EStG genügt und daher wirksam gestellt worden ist.
Wie in dem grundlegenden Urteil in BFHE 129, 34, BStBl II 1980, 63 ausgeführt ist, müssen Anträge, die ein bestimmtes Festsetzungs- oder Feststellungsverfahren des FA in Gang setzen sollen, einen Mindestinhalt an konkreten Angaben aufweisen, der es dem FA ermöglicht, das betreffende Verfahren einzuleiten. Nach dem Sinn und Zweck des Antrages nach § 55 Abs. 5 EStG, als Verfahrenshandlung des Steuerpflichtigen das Feststellungsverfahren für bestimmte einzelne Grundstücke mit dem Ziele der Feststellung eines gegenüber den Pauschalwerten des § 55 Abs. 1 EStG höheren Teilwertes einzuleiten, können für ihn hinsichtlich seines Inhalts keine anderen Grundsätze gelten. Auch dieser Antrag muß also ein Mindestmaß an konkretisierenden Angaben im Hinblick auf seinen dargelegten Zweck enthalten.
Von diesem Sinn und Zweck her gesehen muß der innerhalb der Ausschlußfrist gestellte Antrag nach § 55 Abs. 5 EstG zumindest die einzelnen Grundstücke oder Grundstücksparzellen benennen, für die das Verfahren auf Feststellung eines höheren Teilwertes begehrt wird. Das erfordert eine hinreichend klare Bezeichnung der betreffenden Grundstücke oder Grundstücksparzellen, die es dem FA ohne großen Aufwand und ohne Rückfragen ermöglicht, anhand der amtlichen Unterlagen für Liegenschaften das Grundstück oder die Grundstücksparzelle zu identifizieren, für die die Feststellung des höheren Teilwertes begehrt wird.
Im Streitfall erfüllt der Antrag des Klägers diese Voraussetzungen, weil es nach ihm dem FA möglich war, ohne großen Aufwand und ohne weitere Rückfragen die zwischen dem 1. Juli 1970 und dem 24. Dezember 1975 veräußerten 18 Grundstücke des Klägers zu identifizieren und auf Grund der bei ihrem Verkauf erzielten Veräußerungspreise das Teilwertfeststellungsverfahren einzuleiten. Auf Grund der eigenen amtlichen Unterlagen sämtlicher Veräußerungsmitteilungen mit der Bezeichnung des Grundbuches, der Gemarkung, Flur und Flurstücks-Nummer, der Flächengröße und des Kaufpreises waren die erforderlichen Daten ziemlich vollständig und leicht nachprüfbar.
Der Senat bejaht mit dem FG auch die im Urteil IV R 65/78 offengelassene Frage, ob die noch fehlenden Tatsachen und Umstände, aus denen der Steuerpflichtige folgert, daß der Teilwert der betreffenden Grundstücke oder Grundstücksparzellen höher ist als das Zweifache des Ausgangsbetrages nach § 55 Abs. 1-4 EStG, bis zum Ende der Tatsacheninstanz nachgetragen werden können, ohne daß dies die Wirksamkeit des innerhalb der Ausschlußfrist gestellten Antrages berühren würde.
Der Senat teilt auch die Meinung des FG, daß die Klage eine Verpflichtungsklage, verbunden mit einer unselbständigen Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Bescheid des FA, darstellt. Dementsprechend hatte das FG den ablehnenden Bescheid zusammen mit der Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA gemäß § 101 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG zu bescheiden. Das FG ist nicht verpflichtet, in einem solchen Fall die Feststellung der höheren Teilwerte nach § 55 Abs. 5 EStG durch eigene Ermittlungen zur Spruchreife zu bringen. Es ist nicht Sache der Gerichte, grundsätzlich der Verwaltung zustehende Funktionen, hier also die Ermittlung und Feststellung des höheren Teilwertes im Rahmen eines gesonderten Feststellungsverfahrens, auszuüben. Aufgabe der Gerichte ist es, das bisher Geschehene bzw. das Unterlassene auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Insbesondere darf also das Gericht nicht von der Finanzverwaltung bisher noch nicht geprüfte Sachverhalte aufgreifen und durch eigene Ermittlungen klären. Es hat nur die Pflicht, den Sachverhalt bis zur Entscheidungsreife für den Erlaß eines Bescheidungsurteils aufzuklären (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, Rdnr. 7 zu § 101 FGO).
Das Bescheidungsurteil enthält keine Entscheidung über die Begründetheit der Anträge auf Feststellung des höheren Teilwertes für die 18 in Betracht kommenden Grundstücke. Soweit der doppelte Ausgangsbetrag nach § 55 Abs. 1-4 EStG für ein Grundstück höher ist als der beantragte Teilwert, ist der Antrag unbegründet.
Die Revision des FA war nach alldem als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 74891 |
BStBl II 1984, 200 |
BFHE 1984, 553 |