Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Bestellung als Steuerberater im Beitrittsgebiet
Leitsatz (NV)
1. Die prüfungsfreie (vorläufige) Bestellung als Steuerberater durch den Leiter der Abteilung Besitz- und Verkehrsteuern im Ministerium der Finanzen der DDR ist i. d. R. zurückzunehmen, wenn der Bewerber keine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens in den in § 15 Abs. 2 der StBerO genannten Berufen in der DDR ausgeübt hat.
2. Zur Verfassungsmäßigkeit von § 40 a und § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG.
Normenkette
StBerG §§ 40a, 46 Abs. 1 S. 2; StBerO §§ 14, 15 Abs. 2, § 17; Einigungsvertrag Art. 19; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum Jahr 1990 nach Ablegung der Prüfung als Steuerfachgehilfe und später als Betriebswirt (graduiert) seit über 15 Jahren auf dem Gebiet des Steuerwesens in den alten Bundesländern tätig. Nachdem er im September 1990 die Staatsbürgerschaft der DDR erlangt hatte, wurde er auf seinen Antrag mit Urkunde vom September 1990 durch den Leiter der Abteilung Besitz- und Verkehrsteuern des Ministeriums der Finanzen der DDR prüfungsfrei als Steuerberater bestellt. Im August 1991 wurde der Kläger vom Bundesministerium der Finanzen (BMF), Außenstelle Berlin, zu der beabsichtigten Rücknahme seiner Bestellung gehört. Die beabsichtigte Rücknahme wurde aus Zuständigkeitsgründen vom BMF nicht weiter verfolgt. Mit Schreiben vom Mai 1993 des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzministerium -- FinMin --) wurde ein neues Anhörungsverfahren zur Rücknahme der Bestellung als Steuerberater eingeleitet. Nach erfolgter Stellungnahme durch den Kläger nahm das FinMin mit Schreiben vom Dezember 1993 dessen Bestellung als Steuerberater zurück.
Die Klage des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Die Rücknahme der gemäß § 40 a des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) vorläufigen Bestellung des Klägers als Steuerberater sei nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG rechtmäßig. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine prüfungsfreie Bestellung nach § 15 Abs. 2 der Verordnung über die Hilfeleistung in Steuersachen (StBerO) vom 27. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR -- GBl DDR -- vom 27. Juli 1990, Sonderdruck Nr. 1455) -- bestimmte hauptberufliche Tätigkeit in der DDR -- nicht erfüllt. Seine Bestellung habe zürückgenommen werden können, da der Kläger die Umstände, die die Rechtswidrigkeit begründeten, gekannt habe bzw. zumindest hätte kennen müssen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG). Die Rücknahmevorschrift verstoße weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot von Gesetzen noch gegen Art. 19 des Einigungsvertrages noch gegen Art. 3 und Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Daß die Rücknahme erst etwa zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG erfolgt sei, sei unschädlich, da der Kläger spätestens seit seiner Anhörung durch das BMF mit der Rücknahme seiner Bestellung habe rechnen müssen. Aus dem BMF-Merkblatt über die Bestellung von Steuerberatern in der DDR vom 1. August 1990 lasse sich kein Vertrauenstatbestand des Klägers hinsichtlich der Anerkennung seiner insgesamt in den alten Bundesländern abgeleisteten praktischen Berufstätigkeit als Zulassungsvoraussetzung herleiten.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Auslegung des FG hinsichtlich der Voraussetzungen für die prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater nach § 15 StBerO könne nicht gefolgt werden. Mit der Vorschrift habe wegen des Mangels an Fachkräften mit Steuerrechtskenntnissen auch ein Anreiz für westdeutsche Steuerfachleute geschaffen werden sollen, in die DDR überzusiedeln und dort bei der Umstellung auf das künftig anzuwendende Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu helfen. Dies hätten auch die Verantwortlichen im Ministerium der Finanzen der DDR so gesehen. Zwar habe er (der Kläger) nicht zu dem in § 15 Abs. 2 StBerO aufgeführten Personenkreis gehört; doch sei seine Bestellung als Helfer in Steuersachen möglich gewesen, die hier nur als überflüssiger Formalakt vor der Bestellung als Steuerberater unterblieben sei.
Entgegen der Auffassung des FG habe er auch die Rechtswidrigkeit seiner Bestellung nicht kennen müssen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG), wenn diese sogar dem Minister der Finanzen der DDR nicht erkennbar gewesen sei. Das FG habe unter Verletzung des Rechts auf Gehör und der ihm obliegenden Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts die im Klageverfahren vorgetragenen Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht berücksichtigt: Ihm (dem Kläger) sei es behördlicherseits nahegelegt worden, sich um die Bestellung als Steuerberater zu bemühen, nachdem seine Absicht, ohne eigene Bestellung im Rahmen einer neu gegründeten Steuerberatungsgesellschaft steuerberatend tätig zu werden, fehlgeschlagen sei. Dabei hätten sich schließlich der Minister der Finanzen der DDR und der Staatssekretär persönlich seines Falles angenommen und keine Bedenken gegen seine Bestellung gesehen. Bei dieser Sachlage könnten auch bei ihm die subjektiven Voraussetzungen für die Rücknahme der Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht angenommen werden.
Die Vorschriften der §§ 40 a und 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG seien verfassungswidrig. Die "unechte" Rückwirkung des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG sei unzulässig, weil die Betroffenen im Hinblick auf die bisherige Rücknahmeregelung (§ 164 a StBerG i. V. m. § 130 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) mit der nunmehr eingeführten zwingenden und ohne Ermessensspielraum durchzuführenden Rücknahme ihrer Bestellung als Steuerberater nicht hätten rechnen müssen (Vertrauensschutz).
Ferner verstießen die §§ 40 a, 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil die nach DDR-Recht endgültigen Bestellungen zu vorläufigen und zeitlich befristeten umgewandelt würden, die endgültige Bestellung von einer Nachqualifikation mit unverhältnismäßigen Anforderungen abhängig gemacht würde und unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nunmehr zwingend die Rücknahme der Bestellung vorgeschrieben sei.
Um solche Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl zu rechtfertigen, müsse die Abwägung der widerstreitenden Interessen des einzelnen Grundrechtsträgers und der der Allgemeinheit ergeben, daß die Einschränkung der Freiheit der Berufswahl zum Schutze überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter zwingend erforderlich sei. Die vorstehenden Regelungen seien aber zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung einer sach- und rechtskundigen Steuerberatung nicht zwingend geboten, sondern zur Erreichung des angestrebten Ziels unverhältnismäßig. Wenn das Ziel der Gesamtregelung der §§ 40 a, 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG der Schutz der Ratsuchenden vor unqualifizierten Steuerberatern sei, so gehe jedenfalls § 40 a Abs. 1 Satz 5 StBerG weit über dieses Ziel hinaus, da auch solche vorläufig Zugelassenen, die -- wie der Kläger -- die Prüfung i. S. von § 40 a Abs. 4 StBerG erfolgreich abgeschlossen, ihre Qualifikation also nachgewiesen hätten, betroffen würden. Indem § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG zwingend die Rücknahme verlange, ohne eine den Einzelfällen gerecht werdende Abwägung zwischen Allgemein- und Individualinteresse zu erlauben -- dies auch für die Fälle, in denen die Rechtswidrigkeit der Bestellung der Behörde (etwa Verfahrensfehler) und nicht dem Antragsteller zuzurechnen sei --, fehle es an der Erforderlichkeit und insbesondere an der Zumutbarkeit dieser "Radikallösung", was sie mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar mache.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergebe sich daraus, daß § 40 a StBerG für die endgültige Bestellung die erfolgreiche Teilnahme am Nachschulungsseminar ohne Rücksicht auf bereits vorhandene Vorkenntnisse und langjährige Praxiserfahrungen verlange. Außerdem liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin, daß durch § 40 a Abs. 1 Satz 5, § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG über dem vorläufig Bestellten -- ohne Rücksicht auf die Art und die Zurechenbarkeit des Fehlers bei seiner Bestellung -- das Damoklesschwert der zwingenden Rücknahme schwebe, während bei endgültig bestellten Steuerberatern eine Rücknahme erst nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgen dürfe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG und den Bescheid des FinMin über die Rücknahme seiner Bestellung als Steuerberater aufzuheben, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungsmäßigkeit des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG und § 40 a Abs. 1 Satz 5 StBerG einzuholen.
Das FinMin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß das FinMin mit dem angefochtenen Bescheid die (vorläufige) Bestellung des Klägers als Steuerberater gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG rechtwirksam zurückgenommen hat.
Der Streitfall entspricht im wesentlichen dem Sachverhalt, über den der Senat mit Urteil vom 7. März 1995 VII R 4/94 (BFHE 177, 180, BStBl II 1995, 421) zu entscheiden hatte. Nach diesem Senatsurteil ist die Rücknahme einer prüfungsfreien Bestellung als Steuerberater durch den Leiter der Abteilung Besitz- und Verkehrsteuern im Ministerium der Finanzen der DDR nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG grundsätzlich zulässig, wenn der Bewerber -- wie der Kläger -- keine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens in den in § 15 Abs. 2 StBerO genannten Berufen in der DDR ausgeübt hat. Das BVerfG hat inzwischen die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluß vom 25. Oktober 1995 1 BvR 1035/95, nicht veröffentlicht). Die Besonderheiten des vorliegenden Falles rechtfertigen -- entgegen der Auffassung der Revision -- keine abweichende Entscheidung. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in Ergänzung der nachstehenden Urteilsgründe auf die umfangreichen Ausführungen des Senats in der vorgenannten Entscheidung zur Auslegung von § 15 Abs. 2 StBerO und § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG sowie zur Rechtsgültigkeit der Widerrufsnorm jeweils Bezug genommen.
1. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG ist eine vorläufige Bestellung (§ 40 a StBerG) zurückzunehmen, wenn sie rechtswidrig war und der Begünstigte die Umstände kannte oder kennen mußte, die die Rechtswidrigkeit begründen. Als vorläufig bestellt i. S. des § 40 a StBerG gelten Steuerberater aus dem Beitrittsgebiet, die -- wie der Kläger -- nach dem 6. Februar 1990 aufgrund des Steuerberatungsrechts der DDR bestellt worden sind.
a) Die Bestellung des Klägers als Steuerberater durch das Ministerium der Finanzen der DDR am 21. September 1990 ist rechtswidrig. Nach § 17 Abs. 1 i. V. m. § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 1 StBerO (gültig bis zum 31. Dezember 1990) durften nur Bürger der DDR, die -- neben anderen hier nicht streitigen Voraussetzungen -- mehrere Jahre hauptberuflich auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig waren, prüfungsfrei als Steuerberater bestellt werden. Was als hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens anzusehen ist, war in § 15 Abs. 2 StBerO abschließend geregelt (Beschluß des erkennenden Senats vom 20. Dezember 1990 VII B 255/90, BFHE 163, 397, BStBl II 1991, 267). Hiernach übten eine hauptberufliche Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 StBerO nur aus: Praktizierende Helfer in Steuersachen, ehemalige verantwortliche und leitende Mitarbeiter der VEB-Rechnungsführung und Wirtschaftsberatung sowie der Finanzorgane und Steuerbevollmächtigte gemäß § 19 StBerO. Der Kläger erfüllt keine der vorgenannten Voraussetzungen; denn er war vor seiner Bestellung ausschließlich in den alten Bundesländern auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig gewesen. Ob er vor seiner Bestellung als Steuerberater -- wie er vorträgt -- zum Helfer in Steuersachen hätte bestellt werden können, ist unerheblich, da es zu dieser Bestellung und einer entsprechenden berufspraktischen Tätigkeit in der DDR nicht gekommen ist. Im übrigen war nach Inkrafttreten der StBerO eine Zulassung als Helfer in Steuersachen in der DDR nicht mehr möglich (vgl. § 70 Abs. 1 StBerO).
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt eine erweiternde Auslegung des § 15 Abs. 2 StBerO -- hier: gegen den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift -- nicht in Betracht. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, entspricht es dem Sinn und Zweck der Zulassungsvoraussetzungen nach der StBerO, lediglich DDR-Bürger mit bestimmten, mit dem Steuerrecht im Zusammenhang stehenden Berufen, wie sie sich in der DDR entwickelt haben, zu begünstigen. Sie sollten aber nicht dazu dienen, Personen aus der Bunderepublik, die hier ihre Berufspraxis erlangt hatten, einen (gegenüber der Steuerberaterprüfung) erleichterten Zugang zu dem steuerberatenden Beruf zu verschaffen (Senat in BFHE 163, 397, BStBl II 1991, 267, und Urteil vom 1. Februar 1994 VII R 27/93, BFHE 173, 471, BStBl II 1994, 822, 824).
Wenn die Revision demgegenüber ausführt, Ziel des § 15 StBerO sei es gewesen, Bürgern der Bundesrepublik, die hier auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig gewesen seien, zu ermöglichen, nach Übersiedlung und Annahme der Staatsbürgerschaft der DDR dort prüfungsfrei als Steuerberater tätig zu werden, so kann dem aus den vorstehenden Gründen nicht gefolgt werden. Die auf bestimmte, allein in der DDR ausgeübten Berufe bezogene Definition der hauptberuflichen Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens in § 15 Abs. 2 StBerO läßt schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut, aber auch nach ihrem aufgezeigten Sinn und Zweck eine erweiterte Auslegung, die es ermöglicht, auch andere berufspraktische Tätigkeiten einzubeziehen, die in der Bundesrepublik ausgeübt worden sind, nicht zu.
Dafür, daß mit der Regelung des § 15 StBerO -- wie die Revision meint -- bezweckt worden wäre, dem Mangel an Steuerberatern in der DDR durch Gewinnung geeigneter Fachkräfte aus der Bundesrepublik abzuhelfen, fehlen im Gesetz jegliche Anhaltspunkte. Auch wenn der für die Bestellung von Steuerberatern zuständige Leiter der Abteilung Besitz- und Verkehr steuern im Ministerium der Finanzen der DDR (§ 17 Abs. 1 StBerO) durch eine großzügige Praxis der prüfungsfreien Bestellung von Bewerbern aus der Bundesrepublik ein solches Ziel verfolgt haben sollte, so ändert dies nichts daran, daß diese Bestellungspraxis rechtswidrig war.
b) Dem Kläger war die Rechtswidrigkeit seiner prüfungsfreien Bestellung als Steuerberater erkennbar.
Wie der Senat in BFH 177, 180, 184, BStBl II 1995, 421 ausgeführt hat, ist § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG in Anlehnung an die Rücknahmevorschriften der §§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, 130 Abs. 2 Nr. 4 AO 1977 dahin auszulegen, daß die rechtswidrige Bestellung als Steuerberater jedenfalls dann zurückzunehmen ist, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit als solche (d. h. nicht nur die "Umstände") kannte oder kennen mußte. Auch bei dieser gegenüber dem Wortlaut der Vorschrift engeren Auslegung war im Streitfall die Bestellung des Klägers als Steuerberater zurückzunehmen.
Es kann dahinstehen, ob dem Kläger die Rechtswidrigkeit der Bestellung bewußt geworden ist; er hätte sie jedenfalls kennen müssen. Von einem Bewerber für die Bestellung als Steuerberater muß erwartet werden, daß er sich über die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Bestellung kundig macht. Das gilt auch dann, wenn dem Kläger -- wie er vorträgt -- behördlicherseits nahegelegt worden ist, sich um die Bestellung als Steuerberater zu bemühen, wenn er in der DDR (weiter) Hilfe in Steuersachen leisten wolle, und der Minister der Finanzen und der Staatssekretär persönlich sich seines Falles angenommen haben sollten. Das FG hat somit nicht verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem es diesem Tatsachenvortrag des Klägers nicht nachgegangen und die darin liegende angebliche Besonderheit des Falles bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat.
Die Voraussetzungen für die prüfungsfreie Bestellung sind in § 15 StBerO klar und eindeutig geregelt. Dem Kläger war danach die Rechtswidrigkeit seiner prüfungsfreien Bestellung als Steuerberater wegen des Fehlens der vorgeschriebenen berufspraktischen Voraussetzungen schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 2 StBerO (Berufskatalog) von vornherein zweifelsfrei erkennbar. Es bedurfte hierzu nicht erst der auch auf den Schutzzweck der Norm abstellenden höchstrichterlichen Auslegung der Vorschrift durch die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 163, 397, BStBl II 1991, 267, die der Kläger nach ihrer Veröffentlichung im April 1991 im BStBl aber ebenfalls hätte zur Kenntnis nehmen müssen (vgl. Senatsurteile in BFHE 177, 180, 184, BStBl II 1995, 421, und vom 26. September 1995 VII R 19/94, BFH/NV 1996, 369).
Daß die Bestellungspraxis des zuständigen Abteilungsleiters im Ministerium der Finanzen der DDR von der objektiven Rechtslage abwich, kann nach dem Senatsurteil in BFHE 177, 180, 184, BStBl II 1995, 421 mit Rücksicht auf die klare und eindeutige Regelung im Gesetz nicht als ein Indiz für eine schwere Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit der Bestellung des Klägers gewertet werden. Angesichts des klaren Wortlauts der hier maßgeblichen Rechtsvorschrift (§ 15 StBerO) kann sich der Kläger für seine angebliche Unkenntnis der Rechtswidrigkeit bzw. für sein Vertrauen auf den Bestand des Bestellungsbescheids auch nicht darauf berufen, daß der Minister der Finanzen der DDR und der zuständige Staatssekretär keine Bedenken gegen seine Bestellung gesehen haben.
2. Die Anwendung des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG auf den Streitfall verstößt -- wie das FG zutreffend entschieden hat -- nicht gegen höherrangiges Recht.
a) Zwar wurde § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG durch Art. 23 Nr. 3 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I, 297) in das StBerG eingefügt und damit erst, nachdem der Kläger die streitige Bestellung erwirkt hatte. Die Notwendigkeit der Vorschrift hat sich aufgrund der Zulassungs- und Bestellungspraxis der Behörden der DDR nach dem bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet geltenden Steuerberatungsrecht ergeben. Sie soll die Rücknehmbarkeit klarstellen und die bis dahin geltenden Rücknahmetat bestände ergänzen, weil die im Steuerberatungsrecht gemäß § 164 a StBerG geltenden Verfahrensvorschriften, hier insbesondere § 130 Abs. 2 AO 1977, die in der Praxis vorkommenden Fallgestaltungen nicht in zweifelsfreier Weise abdeckten (vgl. Gesetzesbegründung in BTDrucks 12/1108, S. 86 ff.). § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG ist daher als eine dem § 130 Abs. 2 AO 1977 für das Berufsrecht der Steuerberater vorgehende Spezialnorm anzusehen.
Zur Begründung dafür, daß die nachträglich eingeführte Rücknahmevorschrift weder gegen Art. 19 des Einigungsvertrages noch gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Rückwirkungsverbot verstößt, wird auf die Ausführungen des Senats in BFHE 177, 180, 185 bis 187, BStBl II 1995, 421 Bezug genommen. Die Zulässigkeit der hier vorliegenden "unechten Rückwirkung" kann auch nicht -- wie die Revision meint -- mit Erwägungen zur Rechtssicherheit und zum Vertrauensschutz in Frage gestellt werden.
b) Der Kläger sowie der gesamte von § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG betroffene Personenkreis durfte sich nicht darauf verlassen, daß die Bestellung als Steuerberater Bestand haben würde. Die Rücknahmevorschrift selbst berücksichtigt das Vertrauensinteresse der durch die rechtswidrige Bestellung Begünstigten, indem sie nur eingreift, wenn diese die Rechtswidrigkeit kannten oder kennen mußten. Darüber hinaus war ein Vertrauensschutz nicht zwingend geboten. Das gilt insbesondere insoweit, als die neue Vorschrift -- anders als § 130 Abs. 2 AO 1977 (Ermessensregelung) -- nunmehr die Rücknahme der Bestellung zwingend vorschreibt. Es ist gerade kennzeichnend für ein Gesetz mit "unechter Rückwirkung", daß die Voraussetzungen und/oder Verfahrensweisen für einen staatlichen Eingriff künftig anders geregelt werden als zuvor. Die Betroffenen konnten deshalb nicht darauf vertrauen, daß die Rücknahme eines sie begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsakts (Bestellung) künftig nach denselben verfahrensmäßigen Grundsätzen erfolgen werde wie bisher.
Das Vertrauen in den Bestand eines begünstigenden Verwaltungsakts ist um so weniger geschützt, je mehr der Verwaltungsakt in erkennbarer Weise gesetzgeberischen Vorschriften widerspricht, die zum Wohle eines gewichtigen Gemeinschaftsguts (hier: die funktionsfähige Steuerrechtspflege) erlassen wurden. Erkennt der Bürger, daß solche zum Schutz der Allgemeinheit geschaffene Normen durch einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt verletzt werden, so muß er damit rechnen, daß der Staat diese Rechtsverletzung nicht hinnehmen wird. Im Streitfall war der Widerspruch zwischen der von den DDR-Behörden ausgesprochenen prüfungsfreien Bestellung des Klägers als Steuerberater zu den Vorschriften der StBerO -- wie oben ausgeführt -- ohne Schwierigkeiten klar zu erkennen. Bei dieser Sachlage drängt es sich auf, daß es in Fällen des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG generell an einem schutzwürdigen Vertrauen des Begünstigten fehlt und daß selbst ein belastender gesetzlicher Eingriff auch mit echter Rückwirkung ausnahmsweise zulässig gewesen wäre (BFHE 177, 180, 187, 188, BStBl II 1995, 421 m. w. N.).
c) Auch wenn zwischen der Bestellung des Klägers als Steuerberater September 1990 und ihrer Rücknahme Dezember 1993 ein Zeitraum von mehr als drei Jahren liegt, macht dies die Rücknahme nicht rechtswidrig. Eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis kommt nicht in Betracht, da die zuständige Behörde dem Kläger keinen Anlaß zu der Annahme gegeben hat, sie werde auf die Rücknahme der Bestellung verzichten. Vielmehr ist der Kläger bereits im August 1991 durch das BMF auf die Rücknahmeabsicht hingewiesen worden. Daß das BMF danach nicht mehr tätig wurde, lag an dem Wegfall seiner Zuständigkeit. Die Rücknahme der Bestellung ist dann aber nach Einfügung des § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG durch das StÄndG 1992 vom 25. Februar 1992 von dem zuständigen (Landes-)Finanzministerium mit dem im Mai 1993 eingeleiteten erneuten Anhörungsverfahren noch innerhalb eines vertretbaren Zeitraums weiterverfolgt und alsdann nach Anhörung der zuständigen Steuerberaterkammer im Juli 1993 innerhalb von fünf Monaten ausgesprochen worden.
3. Die Revision macht schließlich geltend, die Regelungen in § 40 a und § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG verstießen gegen Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
Soweit ein Verfassungsverstoß durch § 40 a StBerG gerügt wird (Vorläufigkeit der Bestellung, Befristung, Anforderungen an die endgültige Bestellung -- Überleitungsseminar mit Prüfung -- ohne Rücksicht auf die Vorkenntnisse und berufspraktischen Erfahrungen), braucht der Senat dem nicht nachzugehen, da die von der Revision angeführten Einzelregelungen dieser Vorschrift für die Entscheidung des Streitfalles, in dem es allein um die Rücknahme der (vorläufigen) Bestellung des Klägers als Steuerberater nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG geht, unerheblich sind. Auch die hinsichtlich der Rücknahmevorschrift selbst angeführten Grundrechtsverletzungen liegen nicht vor; das gilt auch insoweit, als in § 40 a Abs. 1 Satz 5 StBerG für die endgültige Bestellung ferner vorausgesetzt wird, daß Gründe für eine Rücknahme nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht vorliegen.
Wie der Senat im Urteil vom 26. September 1995 VII R 19/94 ausgeführt hat, verstößt § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit (Berufswahl und Berufsausübung). Die Zulassung zum Beruf des (vorläufig bestellten) Steuerberaters war vielmehr in der StBerO geregelt; § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG stellt lediglich sicher, daß die dort genannten Zulassungsvoraussetzungen auch verwirklicht werden. In dem Senatsurteil in BFHE 163, 397, 399, BStBl II 1991, 267 ist hierzu ausgeführt worden, daß dem Gesetzgeber bei der Regelung über die prüfungsfreie Bestellung als Steuerberater in § 15 StBerO eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zustand. Er war hierbei im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Regelung -- grundsätzlich ist die Ablegung der Steuerberaterprüfung erforderlich -- weder an die engen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG gebunden, noch hat er damit den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt (BVerfG-Beschluß vom 18. November 1980 1 BvR 228/73, 1 BvR 311/73, BStBl II 1981, 235, 239, 240).
Auch die Regelung der zwingenden Rücknahme in § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG ist durch die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gedeckt und durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber bezweckte mit dieser Vorschrift, aus den Reihen der bestellten Steuerberater diejenigen Personen wieder zu entfernen, welche weder eine Prüfung zum Steuerberater bestanden hatten noch im Zeitpunkt ihrer Bestellung die Voraussetzungen für einen prüfungsfreien Zugang zum Beruf erfüllten. Sowohl eine Steuerberaterprüfung als auch die -- erkennbar gezielt bestimmten engen Voraussetzungen für eine prüfungsfreie Zulassung in Ausnahmefällen sind wesentliche Elemente für eine funktionsfähige Steuerrechtspflege, an deren Erhaltung ein hohes Allgemeininteresse besteht (BVerfG-Beschluß vom 15. Februar 1967 1 BvR 569, 589/62, BVerfGE 21, 173). Im Falle des Klägers ist die Rücknahme der Bestellung erfolgt, weil er persönlich die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt hat. Die von der Revision angeführten Fälle eines Verfahrensfehlers durch die bestellende Behörde bzw. einer anderweitigen Zurechnung des Bestellungsmangels liegen nicht vor, so daß nicht geprüft zu werden braucht, ob bei ihnen die zwingende Rücknahme der Bestellung verfassungsrechtlich bedenklich wäre.
Auch die angeführte Ungleichbehandlung der verschiedenen Tatbestände für die Rücknahme und den Widerruf der Bestellung als Steuerberater liegt nicht vor. Die Bestellung ist in allen Fällen des § 46 Abs. 1 und Abs. 2 StBerG zwingend zurückzunehmen bzw. zu widerrufen, d. h. -- im Gegensatz zu dem Vorbringen der Revision -- auch in den Fällen der endgültigen Bestellung. Die Vorschrift des § 46 Abs. 3 StBerG, nach der die Bestellung widerrufen werden "kann", betrifft zwei Sondertatbestände, die mit dem hier vorliegenden Fall der Rücknahme nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht vergleichbar sind.
Schließlich verstößt -- entgegen der Auffassung der Revision -- die Rücknahme der vorläufigen Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG auch dann nicht gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der Steuerberater -- wie der Kläger -- inzwischen erfolgreich an dem Überleitungsseminar nach § 40 a Abs. 1 Satz 3 StBerG teilgenommen hat. Da die prüfungsfreie (vorläufige) Bestellung nach der StBerO -- wie oben ausgeführt -- ohne Rücksicht auf die tatsächliche Qualifikation nur Bewerbern mit bestimmten in der DDR ausgeübten Berufen vorbehalten war, kann auch die erfolgreiche Teilnahme an dem Seminar gemäß § 40 a StBerG den Mangel dieser Bestellungsvoraussetzung nicht ersetzen. § 40 a Abs. 1 Satz 5 StBerG setzt deshalb folgerichtig für die endgültige Bestellung trotz der Teilnahme am Überleitungsseminar voraus, daß Gründe für eine Rücknahme der vorläufigen Bestellung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht vorliegen.
4. Der Senat hält demnach die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG über die Verfassungsmäßigkeit von § 40 a Abs. 1 Satz 5, § 46 Abs. 1 Satz 2 StBerG nicht für geboten. Die Sache ist spruchreif; die Revision war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Fundstellen
Haufe-Index 421218 |
BFH/NV 1996, 512 |