Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die im LAG getroffene Regelung über die Anrechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe auf die Vermögensabgabeschuld ist rechtswirksam; sie verstößt insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG.
Die Vorschrift des § 199 Abs. 1 LAG verbietet die Ablösung der Leistungen auf die Vermögensabgabe, die durch die Anrechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe auf die Abgabeschuld nach § 32 LAG bereits eine Minderung dieser Schuld bewirkt haben. Die Beschränkung der Ablösungsmöglichkeit auf die verbleibende Abgabeschuld bedeutet keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz oder gegen überpositive Rechtsnormen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. Januar 1955 / 3. Juni 1955 III 150/53 S, Slg. Bd. 61 S. 121, BStBl 1955 III S. 245).
Im Rechtsstreit darüber, ob und inwieweit Leistungen auf die Vermögensabgabe nach § 199 LAG abgelöst werden können, kann der Bundesfinanzhof nicht entscheiden, ob die rechtliche Unzulässigkeit einer Ablösung unbillig sein und deshalb zu Maßnahmen nach § 131 AO führen kann.
Normenkette
AO § 131; LAG §§ 32, 48, 199
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat als Gesellschafter einer Personengesellschaft an Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe 112.441 DM und als Vorauszahlungen auf die Vermögensabgabe 22.824 DM gezahlt. Bei einem der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögen von 171.000 DM und einer Vermögensabgabe von 85.500 DM ergab sich nach Abzug der gezahlten Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe eine verbleibende Abgabeschuld von 0 DM und - nach der Berechnung des Finanzamts - eine überzahlung von 26.941 DM sowie eine weitere überzahlung von 22.824 DM aus geleisteten Vermögensabgabe-Vorauszahlungen, zusammen ein überzahlter Betrag von 49.765 DM. Demgegenüber verlangt der Bf. in einem Antrag vom 23. März 1953, eingegangen beim Finanzamt am 8. April 1953, Ablösung der Vermögensabgabe ab 1. April 1952 mit einem Ablösungsbetrag von 55.452,91 DM, so daß sich bei Zahlungen auf die Soforthilfeabgabe, Soforthilfesonderabgabe und Vermögensabgabe von zusammen 135.265 DM (genau 135.264,99 DM) eine überzahlung von 79.812,08 DM ergeben würde. Die Vorbehörden haben dem Ablösungsantrag nicht stattgegeben. Das Finanzgericht hat ausgeführt, nach § 199 des Gesetzes über den Lastenausgleich (LAG) könne der Abgabeschuldner nur die noch nicht fälligen Leistungen auf die Vermögensabgabe ablösen. Da sich beim Bf. infolge der Anrechnung der Soforthilfeabgabe und der Soforthilfesonderabgabe auf die Vermögensabgabe keine verbleibende Abgabeschuld ergebe, er also überhaupt keine Leistungen auf die Vermögensabgabe mehr zu erbringen habe, stehe ihm auch das Recht der Ablösung nach § 199 LAG nicht zu. Diese gesetzliche Regelung verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - GG -, da der Gesetzgeber bei der im LAG getroffenen Regelung über die Anrechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe sowie über die Ablösungsmöglichkeit hinsichtlich der Vermögensabgabe die ihm überlassenen Grenzen des Ermessensspielraums nicht überschritten habe. Im übrigen sei auch zu beachten, daß das LAG dem Bf. wegen der Abzugsfähigkeit der Kreditgewinnabgabe hinsichtlich der Vermögensabgabe gegenüber dem Soforthilfegesetz (SHG) eine erhebliche Vergünstigung gebracht habe.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Abgabepflichtigen bestreitet nicht, daß das Finanzgericht den Bestimmungen des LAG entsprechend verfahren sei. Sie besteht jedoch darauf, daß durch die auf rein fiskalischen Erwägungen beruhende gesetzliche Regelung der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verletzt sei. Denn durch sie werde dem Staatsbürger, der durch seine Zahlungen auf die Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe die Leistungen auf die Vermögensabgabe bereits erbracht habe, die Möglichkeit versagt, von der gesetzlichen Stundung der Vermögensabgabe und der Verteilung ihrer Bezahlung auf 27 Jahre Gebrauch zu machen. Außerdem werde ihm die jedem anderen Staatsbürger, der die Vermögensabgabe noch nicht bezahlt habe, eingeräumte Vergünstigung versagt, die Abgabeschuld mit einem unter ihrem Nennbetrag liegenden Betrag abzulösen. Die weiteren Darlegungen des Finanzgerichts, daß die Abzugsfähigkeit der Kreditgewinnabgabe bei der Vermögensabgabe eine gewissermaßen als äquivalent für die Nichtablösungsmöglichkeit der Vermögensabgabe gewährte Vergünstigung darstelle, gingen an der Sache vorbei. Der Anspruch des Bf. auf die Ablösungsvergünstigung nach § 199 LAG sei daher berechtigt, gegebenenfalls rege er an, die Sache auszusetzen und sie dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Vorsorglich werde noch gerügt, daß die Vorinstanzen versäumt hätten, den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) zu würdigen. Bei der eindeutigen Unbilligkeit der angefochtenen Entscheidung bedeute jede andere als die vom Bf. angestrebte Regelung eine überschreitung des nach § 131 AO gezogenen Billigkeitsrahmens, so daß der Bundesfinanzhof in der Lage sei, den entsprechenden Billigkeitserlaß an Stelle der Verwaltungsbehörde auszusprechen.
Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren nach § 287 Abs. 2 AO beigetreten. Er wendet sich unter Bezugnahme auf die Beratungen des 17. Ausschusses des Deutschen Bundestages (Ausschuß für den Lastenausgleich) in erster Linie gegen die Behauptung des Bf., die getroffene Regelung der überleitung der Soforthilfeabgabe und der Soforthilfesonderabgabe auf die Vermögensabgabe beruhe auf rein fiskalischen überlegungen. Im übrigen sei Gegenstand dieses Verfahrens allein die rechtliche Würdigung des Falles; für eine Entscheidung nach § 131 AO sei der Bundesfinanzhof nicht zuständig.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Mit seinem ersten Einwand ficht der Bf. die vom LAG getroffene Regelung über die Anrechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe auf die Vermögensabgabe als gegen Art. 3 GG verstoßend an. Nun ist zwar richtig, daß die Anrechnung der geleisteten - und in der Regel ebenso der noch geschuldeten - Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe auf die Abgabeschuld der Vermögensabgabe zur Folge hat, daß insoweit die Verteilung (Verrentung) der Abgabeschuld auf die Laufzeit von 27 Jahren hinfällig wird. Das ist in um so größerem Umfang der Fall, je höher die nach dem SHG zu erbringenden Beträge waren. Dabei ist aber zu beachten, daß die Verrentung der verbleibenden Abgabeschuld außer den Tilgungsleistungen auch eine angemessene Verzinsung enthält, die Abgabepflichtigen also für die "Stundung" von Teilen der verbleibenden Abgabeschuld entsprechende Zinsen zu entrichten haben. Außerdem trifft die gesetzliche Regelung der Anrechnung grundsätzlich alle Abgabepflichtigen, die Leistungen nach dem SHG zu entrichten hatten, und das ist die ganz überwiegende Mehrzahl aller Abgabepflichtigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie ihre Soforthilfeabgabebeträge schon gezahlt haben oder damit im Rückstand sind. Entscheidend ist aber, daß die gesetzliche Anrechnungsregelung im Bundestagsausschuß für den Lastenausgleich eingehend behandelt, in seinem Bericht an den Bundestag als die zweckmäßigste Methode bezeichnet und sodann in der 2. und 3. Lesung vom Bundestag ohne änderungsvorschläge gebilligt worden ist. In der Tat lassen die Verhandlungen im Lastenausgleichsausschuß erkennen, daß andere an sich denkbare Lösungen der Anrechnungsfrage zu erheblichen Schwierigkeiten sowohl für die Abgabepflichtigen als auch im Hinblick auf die Zwecke des Lastenausgleichs, dringende soziale Notstände zu mildern und den durch den Krieg und die Kriegsfolgen besonders geschädigten Personenkreisen möglichst schnell einen gewissen Ausgleich zu bringen, geführt hätten. Bei dieser Sachlage kann keine Rede davon sein, daß die gesetzlichen Bestimmungen des LAG über die Anrechnung der Soforthilfeabgabe auf die Vermögensabgabe einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellen.
Der zweite Einwand des Bf. richtet sich gegen die klare Bestimmung des § 199 LAG, daß nur die noch nichtfälligen Leistungen der Abgabeschuldner auf die Vermögensabgabe, Hypothekengewinnabgabe und Kreditgewinnabgabe abgelöst werden können. Richtig ist, daß dadurch die Abgabeschuldner in um so geringerem Umfang von der Ablösungsvergünstigung Gebrauch machen konnten, je größer ihre auf die Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe zu erbringenden Leistungen waren. Der Senat hat zu der Frage, ob etwa darin, daß die Vergünstigung des § 199 LAG auf Grund der Anrechnungsregelung insoweit keine Anwendung finden konnte, als die Abgabeschuld durch die Anrechnung bereits getilgt war, ein Verstoß gegen das GG oder gegen etwaige überpositive Rechtssätze zu erblicken sei, bereits in dem Bescheid vom 21. Januar 1955 und Urteil vom 3. Juni 1955 III 150/53 S (Slg. Bd. 61 S. 121, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 245) Stellung genommen und die Frage verneint. Eine erneute Prüfung dieser Frage gibt dem Senat keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen. Bemerkt sei noch, daß, wenn man der Ansicht des Bf. im Grundsatz folgen würde, die Ablösungsvergünstigung nicht nur in den Fällen zu gewähren wäre, in denen wie hier eine verbleibende Abgabeschuld gar nicht mehr vorhanden ist, sondern in allen Fällen, in denen sich die Abgabeschuld durch Anrechnung der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe vermindert hätte, also fast in jedem Abgabefall. So kann aber die Ablösungsvergünstigung des § 199 LAG, die in erster Linie den Zweck verfolgte, die im Wege der Vierteljahreszahlungen noch zu entrichtenden Beträge im Interesse der vom Lastenausgleich begünstigten Personen vorzeitig hereinzubekommen, nicht verstanden werden; sie würde bei der vom Bf. begehrten Auslegung gerade das Gegenteil bewirken.
Auch dem Begehren des Bf., der Senat möge ihm wegen der unbilligen Auswirkungen der Versagung der Ablösungsvergünstigung einen Erlaß nach § 131 AO gewähren, kann nicht entsprochen werden. Der Bundesfinanzhof ist zu einer Prüfung von Ermessensfragen nur insoweit berechtigt, als es sich um die Entscheidung von Fragen handelt, bei denen ein Ermessensspielraum gegeben ist. Im Streitfall unterliegt der Beurteilung des Senats allein die Rechtsfrage, ob die Anrechnungsregelung des LAG und die eindeutige Vorschrift des § 199 LAG rechtens sind. Das bejaht der Senat. Darüber, ob sich aus der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall Unbilligkeiten ergeben können, die zur Anwendung von Billigkeitsmaßnahmen Anlaß geben könnten, hat der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Es sei jedoch bemerkt, daß die besonderen Umstände, die im Falle des Urteils vom 3. Juni 1955 den Bundesminister der Finanzen zu einer allgemeinen Billigkeitsregelung veranlaßt haben (freiwillige Ablösung der Umstellungsgrundschuld vor Verkündung des LAG und kurz vor dem erst im LAG bestimmten Termin, bis zu dem solche Ablösungen überhaupt auf die Hypothekengewinnabgabe anzurechnen waren), nach Ansicht des Senats in Fällen der hier vorliegenden Art nicht gegeben sind.
Hiernach mußte die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückgewiesen werden. Ein Anlaß, die Sache auszusetzen und sie zur Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, besteht hiernach nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 408443 |
BStBl III 1956, 134 |
BFHE 1956, 364 |
BFHE 62, 364 |