Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Abzugs von Nachlaßverbindlichkeiten im Falle beschränkter Erbschaftsteuerpflicht.
Normenkette
ErbStG § 23 Abs. 5 S. 2, § 24/5/2
Tatbestand
I. Bescheid
Der in Sao Paulo (Brasilien) wohnhaft gewesene A. (Erblasser) ist hinsichtlich seines in Deutschland befindlichen Vermögens von seiner ebenfalls in Sao Paulo wohnhaften Tochter, und von einer weiteren, im Inland wohnhaften Miterbin zu je 1/2 beerbt worden. Testamentsvollstrecker über den inländischen Nachlaß des Erblassers ist der Beschwerdeführer (Bf.). Streitig ist die Abzugsfähigkeit der Hälfte verschiedener Nachlaßverbindlichkeiten vom Erwerb der ausländischen Miterbin. Im einzelnen handelt es sich bei diesen Nachlaßverbindlichkeiten um die vom Erblasser ausgesetzten Geldvermächtnisse, die Beisetzungskosten, das Testamentsvollstrecker-Honorar und rückständige Anwaltshonorare. Einspruch und Berufung des Testamentsvollstreckers sind ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Bf. wie in den Vorinstanzen den hälftigen Abzug der genannten Nachlaßverbindlichkeiten vom Erwerb der ausländischen Miterbin. Es ist mündliche Verhandlung beantragt, es erscheint jedoch zweckmäßig, zunächst gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) einen Vorbescheid zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Vorinstanzen haben den Abzug der in Betracht kommenden hälftigen Nachlaßverbindlichkeiten vom Erwerb der ausländischen Miterbin zutreffend nach § 23 Abs. 5 Satz 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) abgelehnt. Der Bf. beruft sich demgegenüber in nicht schlüssiger Weise auf den für die Besteuerung nach dem ErbStG maßgebenden Bereicherungsgrundsatz des § 23 Abs. 1 ErbStG, der den Abzug der hälftigen Nachlaßverbindlichkeiten auch vom Erwerb der ausländischen Miterbin erfordere. Hierbei übersieht er aber, daß der Bereicherungsgrundsatz beim Erwerb eines Ausländers nur im Rahmen des § 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG Platz greift, Nachlaßverbindlichkeiten also nur insoweit abgezogen werden können, als sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem steuerbaren Erwerb stehen. Allerdings kann, wie der Bf. richtig ausführt, der Umstand, daß nach § 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG die sogenannten allgemeinen Schulden nicht von dem angefallenen Inlandsvermögen abgezogen werden dürfen, zu dem Ergebnis führen, daß der ausländische Erbe bei geringem nicht steuerbarem Vermögen und hohen allgemeinen Nachlaßverbindlichkeiten noch eigenes Vermögen zur Tilgung der Erbschaftsteuer verwenden muß. Diese Folge ist aber vom Gesetzgeber in Kauf genommen (Megow, Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 1955, Anm. 9 b zu § 23 auf S. 372, und Stölzle, Erbschaftsteuergesetz, 2. Aufl. 1932, Anm. 35 Ziff. 3 zu § 23 auf S. 556, letzterer mit kritischer Stellungnahme). Eine ungleichmäßige Behandlung der unbeschränkten und der beschränkt steuerpflichtigen Erwerber ist entgegen der Auffassung des Bf. darin nicht zu erblicken, da die Fälle der unbeschränkten und der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht verschieden sind, also nicht etwa Gleiches ungleich behandelt wird; der beschränkt steuerpflichtige Erwerber hat gegenüber dem unbeschränkt steuerpflichtigen Erwerber den Vorteil, daß er den nicht im Inlandsvermögen bestehenden Erwerb nicht zu versteuern hat, mag solcher im Einzelfall auch nur geringfügig sein. Unzutreffend ist ferner die Ansicht des Bf., aus § 2 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG, der auch den Erwerb durch Vermächtnis als Erwerb von Todes wegen aufführt, folge, daß der Erwerb durch Erbanfall steuerrechtlich nicht den Erwerb durch Vermächtnis - richtiger: die vermachten Gegenstände - umfassen könne. Da das Vermächtnis nach § 2174 BGB nur ein Recht auf Leistung des vermachten Gegenstands, nicht aber ein Recht des Vermächtnisnehmers an dem vermachten Gegenstand begründet, gehören vermachte Gegenstände zum Erwerb des Erben und sind nur mit ihrem Werte als Nachlaßverbindlichkeiten vom Erwerb des Erben abzuziehen. Die Eigenschaft eines Vermächtnisses als Nachlaßverbindlichkeit auch im erbschaftsteuerlichen Sinn - ebenso wie nach § 1967 Abs. 2 BGB - ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt (vgl. z. B. Urteil des erkennenden Senats III 79/52 S vom 15. Mai 1953, Slg. Bd. 57 S. 442, BStBl 1953 Teil III S. 172, ferner die Kommentare zum Erbschaftsteuergesetz von Brecht, Finger, Kapp, Kipp, Megow, Model und Stölzle in den Anmerkungen zu § 23). Das amtliche Formular zur Erbschaftsteuererklärung (Muster 9 zur Verwaltungsanordnung für die Erbschaftsteuer vom 1. Juli 1952, abgedruckt in der amtlichen Handausgabe des Erbschaftsteuergesetzes) widerspricht dem entgegen der Auffassung des Bf. nicht, weil die Erbschaftsteuererklärung zunächst eine Zusammenstellung des - gesamten - Nachlasses und sodann eine Verteilung auf die einzelnen Erwerber (Erben, Vermächtnisnehmer, Pflichtteilserwerber usw.) erfordert, die hier aufgeworfene Frage also in der Erbschaftsteuererklärung gar nicht auftauchen kann. Ferner vermag der Bf. aus § 23 Abs. 4 ErbStG in Verbindung mit Abs. 5 a. a. O. nichts für seine Auffassung von der Abzugsfähigkeit der Beerdigungskosten und des Testamentsvollstrecker-Honorars herzuleiten. § 23 Abs. 4 ErbStG hat keine Bedeutung für sich allein, sondern ist nur eine - an sich selbstverständliche und nicht erschöpfende - beispielhafte Verdeutlichung des Bereicherungsgrundsatzes des § 23 Abs. 1 ErbStG, wonach nur der Vermögensanfall, also der Reinerwerb als Erwerb im Sinne des § 23 Abs. 1 ErbStG gilt. § 23 Abs. 1 ErbStG enthält selbst keine wörtliche Bezeichnung für die vom Roherwerb zur Ermittlung des Reinerwerbs vorzunehmenden Abzüge. Der Reichsfinanzhof hat in seinem Gutachten I D 1/30 vom 21. Mai 1931 (Slg. Bd. 29 S. 137) unter Abschn. II der Begründung (a. a. O. S. 144/145) ausgesprochen, daß Vermögensanfall im Sinne des § 23 Abs. 1 ErbStG der Wert des angefallenen Vermögens abzüglich der Schulden und Lasten ist, hat also die "Kosten" im Sinne des § 23 Abs. 4 ErbStG in den Begriff der "Schulden und Lasten" miteinbezogen. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Entgegen der Ansicht des Bf. sind also auch die "Kosten" des § 23 Abs. 4 ErbStG in den "Schulden und Lasten" im Sinne des § 23 Abs. 5 ErbStG eingeschlossen.
Diese Auslegung allein entspricht auch dem Zweck und der wirtschaftlichen Bedeutung (ß 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) des § 23 Abs. 5 ErbStG. Unrichtig ist es schließlich, wenn der Bf. aus § 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG den Schluß ziehen will, daß Schulden und Lasten, die nicht mit dem erworbenen Inlandsvermögen in wirtschaftlicher Beziehung stehen, also die allgemeinen Schulden vom Erwerb abzuziehen seien. Der Bf. bringt zunächst § 23 Abs. 5 Satz 1 ErbStG und § 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG in unzulässiger Weise miteinander in Verbindung. Satz 1 a. a. O. bezieht sich auf Fälle der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht, bei der lediglich einzelne Teile des Gesamterwerbs nicht steuerbar sind, Satz 2 a. a. O. dagegen auf Fälle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht, d. h. der Heranziehung nur einzelner Vermögensgegenstände zur Erbschaftsteuer. Der Unterschiedlichkeit in der unbeschränkten und der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht entspricht auch die unterschiedliche Fassung des Satzes 1 und des Satzes 2 im § 23 Abs. 5 ErbStG. Die Auffassung des Bf. übersieht, daß Satz 2 a. a. O. in seinem Halbsatz 2 der Bestimmung, daß die in einer wirtschaftlichen Beziehung zu den steuerbaren einzelnen Vermögensgegenständen stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig sind, das den Abzug jedweder anderer Schulden und Lasten ausschließende Wort "nur" voranstellt. Da allgemeine Schulden und insbesondere Geldvermächtnisse nicht in wirtschaftlicher Beziehung zu einzelnen der Erbschaftbesteuerung unterliegenden Vermögensgegenständen stehen können, was der Bf. hinsichtlich der Geldvermächtnisse selbst ausdrücklich vorbringt, ist demnach ihr Abzug in den Fällen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht nicht zulässig. Für die allgemeinen Schulden (hier die Testamentsvollstreckungskosten und die Geldvermächtnisse) kann auch nicht etwa aus den im Halbsatz 2 des § 23 Abs. 5 ErbStG gebrauchten Worten "in wirtschaftlicher Beziehung zu diesem Teil des Erwerbs stehenden Schulden" etwas Abweichendes geschlossen werden. Diese Wortfassung ändert nichts daran, daß sich die Besteuerung im Falle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht gemäß § 8 Abs. 1 II ErbStG nur auf einzelne Vermögensgegenstände erstreckt, eine Zusammenfassung zu einem Gesamterwerb, von dem allgemeine Schulden abgezogen werden könnten, also nicht erfolgt.
II. Urteil Wegen des Sachverhalts wird auf den Bescheid vom 30. August 1957 verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer (Bf.) ausgeführt, alle Erbschaftsteuergesetze seit dem ersten Reichserbschaftsteuergesetz vom 3. Juni 1906 legten das Bereicherungsprinzip zugrunde. Es müßten daher die erbschaftsteuerlichen Regelungen nach diesen Gesetzen zum Zweck der überprüfung der Richtigkeit des Bescheids vom 30. August 1957 miteinander verglichen werden. Der Bf. hat sich weiter auf die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 57/21 vom 22. März 1922 (Slg. Bd. 9 S. 77) und III 70/41 von 10. Juli 1941 (RStBl 1941 S. 731, Slg. Bd. 50 S. 300) berufen.
Diese Ausführungen können nicht zu einer Abweichung von der Auffassung des Vorbescheids führen.
Was den Bereicherungsgrundsatz der Erbschaftsteuergesetzgebung anlangt, hat der erkennende Senat schon in seinem Vorbescheid betont, daß jener Grundsatz allerdings im § 23 Abs. 1 des geltenden Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) seine Ausprägung gefunden hat. Dieser Grundsatz erleidet aber, wie in dem Vorbescheid ebenfalls ausgeführt ist, für die Fälle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht eine Einschränkung. Hier unterliegt entgegen der Besteuerung des gesamten Erbanfalls im Fall der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht nur der in Inlandsvermögen bestehende Erbanfall der Besteuerung (vgl. hierzu § 8 Abs. 1 I und II ErbStG), so daß auch die Schulden und Lasten folgerichtig nur insoweit berücksichtigt werden können, als sie in wirtschaftlicher Beziehung zu dem der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegenden Inlandsvermögen stehen (ß 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG). Hieran vermöchte ein Vergleich mit den früheren erbschaftsteuerlichen Regelungen, wie ihn der Bf. im Auge hat, nichts zu ändern. Tatsächlich ist aber auch nach den Erbschaftsteuergesetzen von 1906, 1919, 1922, 1925, 1931 und 1934 die Rechtslage die gleiche (vgl. § 9 des Reichserbschaftsteuergesetzes 1906; §§ 10 Nr. 1, 14 Nr. III, 24 Nr. III, 25 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1919; §§ 8 Abs. 1 II, 12 Abs. 5 ErbStG 1922; §§ 8 Abs. 1 II, 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG 1925; §§ 8 Abs. 1 II, 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG 1931; §§ 8 Abs. 1 II, 23 Abs. 5 Satz 2 ErbStG 1934).
Was nun zunächst das Urteil des Reichsfinanzhofs III 70/41 anbetrifft, so kann sich der Bf. schon deshalb nicht darauf berufen, weil es nicht zum Erbschaftsteuergesetz, sondern zum Reichsbewertungsgesetz ergangen ist. Das genannte Urteil befaßt sich allerdings beiläufig - und zwar kritisch - mit der früheren Veranlagung der im Falle des Urteils beschwerdeführenden Steuerpflichtigen zur Schenkungsteuer; diese Ausführungen können aber für das Gebiet der Erbschaftsteuer nicht maßgeblich sein, weil das Urteil nicht über einen Erbschaftsteuerfall zu entscheiden hatte und auch nicht entschieden hat. Es bedarf deshalb keiner Auseinandersetzung mit den erbschaftsteuerlichen Gedankengängen dieses Urteils.
Das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 57/21 - nebst Anm. 83 Abs. 1 und 3 zu § 23 im Kommentar von Kipp zum Erbschaftsteuergesetz 1925 - schließlich ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es einen anders gearteten Tatbestand betrifft, nämlich den der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht und des uneingeschränkten Abzugs von Nachlaßverbindlichkeiten, die nicht zu nichtsteuerbaren Vermögensteilen in wirtschaftlicher Beziehung stehen.
Hiernach war die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409098 |
BStBl III 1959, 271 |
BFHE 1960, 32 |
BFHE 69, 29 |