Leitsatz (amtlich)
Ein freier Börsenmakler (sog. Fondsmakler) kann das für Banken und Bankiers vorgesehene Pauschalbesteuerungsverfahren des § 68 Abs. 1 UStDB 1951 nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 8, § 13 Abs. 1-3; UStDB 1951 § 68 Abs. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist freier Effektenmakler (sog. Fondsmakler) an der Wertpapierbörse in A. Er befaßt sich sowohl mit der Vermittlung von Wertpapieren als auch mit dem An- und Verkauf von Effekten in eigenem Namen auf eigene oder auf fremde Rechnung.
Streitig ist für den Veranlagungszeitraum 1955, ob der Steuerpflichtige für die von ihm hierfür vereinnahmten Entgelte das Pauschalierungsverfahren nach § 68 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 beanspruchen kann.
Das Finanzamt versagte dem Steuerpflichtigen die von ihm in seiner Jahreserklärung angewandte Pauschalbesteuerung, bei der er 8 v. H. aus ... DM = ... DM Umsatz zugrunde legte und hieraus 4 v. H. = ... DM Umsatzsteuer errechnete. Nach Auffassung des Finanzamts kann dieses Verfahren nach dem Wortlaut der Vorschrift nur auf Banken und Bankiers angewendet werden. Deshalb berechnete es die Umsatzsteuer mit 4 v. H. aus ... DM.
Der Steuerpflichtige hingegen verweist zur Begründung seiner Auffassung auf einen Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 21. April 1934, nach dem die Fondsmakler der Berliner Wertpapierbörse berechtigt gewesen seien, das Pauschalierungsverfahren anzuwenden. Da nach dieser Regelung gemäß einer Verfügung des Landesfinanzamts Berlin in Berlin auch heute noch verfahren werde, bedeute es einen Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), wenn in den einzelnen Teilen des Geltungsbereichs des GG § 68 UStDB 1951 unterschiedlich angewendet werde. Außerdem sei es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn bei gleichliegender Tätigkeit eines Bankiers und eines freien Effektenmaklers die erzielten Provisionseinnahmen bei diesem durch die Einzelbesteuerung voll der Umsatzsteuer unterworfen werden, während Banken und Bankiers das günstigere Pauschalierungsverfahren anwenden könnten.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Dagegen vertrat das Finanzgericht die Auffassung, der Steuerpflichtige müsse als Fondsmakler einem Bankier gleichgestellt werden, weil er wirtschaftlich wie ein Bankier tätig werde und die beschwerliche Auseinanderrechnung zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen, deren Vermeidung Sinn und Zweck des Pauschalierungsverfahrens sei, auch für ihn zutreffe. Deshalb sei eine Veranlagung des Steuerpflichtigen nach § 68 Abs. 1 UStDB 1951 geboten. Das Finanzgericht setzte demgemäß die Umsatzsteuer in der vom Steuerpflichtigen berechneten Höhe auf ... DM fest.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Seiner Ansicht nach kann das Pauschalierungsverfahren nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nur von Banken oder Bankiers beansprucht werden. Eine Auslegung gegen den Wortlaut sei nicht gerechtfertigt. Anhaltspunkte, daß der Wortlaut nicht dem wirklichen Willen des Verordnungsgebers entspreche, lägen nicht vor. Auch führe die wortgetreue Auslegung weder zu einem unsinnigen Ergebnis noch widerspreche sie dem Zweck der Vorschrift.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Unternehmer hat nach Ablauf des Kalenderjahres zum Zwecke der Durchführung der Veranlagung eine Steuererklärung abzugeben und in ihr den Gesamtbetrag der vereinnahmten Entgelte anzugeben sowie die vereinnahmten Entgelte für steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze getrennt aufzuführen (§ 13 UStG; § 66 Abs. 1 Satz 1 und § 66 Abs. 3 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit § 65 Abs. 2 Ziff. 1, 3, 4 UStDB 1951).
Abweichend von diesem allgemeinen Verfahren der Einzel ermittlung steuerfreier und steuerpflichtiger Umsätze, sieht § 68 Abs. 1 UStDB 1951 ein besonderes Verfahren der Pauschal ermittlung dieser Umsätze vor, beschränkt auf Banken und Bankiers hinsichtlich der Bankumsätze im eigentlichen Sinne. Diese Bestimmung, die zu § 13 Abs. 1 bis 3 UStG ergangen ist -- vgl. die Überschrift zu § 68 a. a. O. --, ist somit vom Gesetz- und Verordnungsgeber als reine Verfahrensvorschrift gewollt.
Die Anwendung dieser Verfahrensvorschrift setzt zunächst Bankumsätze im Sinne der Bestimmung voraus. Daß es sich bei der Vermittlung von Wertpapieren und bei dem An- und Verkauf von Effekten um Bankumsätze im Sinne des § 68 a. a. O. handelt, ist unstreitig.
Mit dem Finanzgericht und dem Steuerpflichtigen kann angenommen werden, daß Effektengeschäfte eine erschwerte Auseinanderrechnung der steuerfreien und steuerpflichtigen Einzelumsätze mit sich bringen und insoweit kein Unterschied zu den Schwierigkeiten besteht, die sich bei der Abfassung der Steuererklärung einer Bank oder eines Bankiers ergeben. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht mit Recht auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 8/42 vom 30. Januar 1942 (RStBl 1942 S. 566) hingewiesen, in dem ausgeführt wird, daß das Pauschalierungsverfahren u. a. deshalb geschaffen worden sei, um die beschwerliche Auseinanderrechnung dieser Umsätze durch ein großzügiges Sonderverfahren zu vermeiden. Diese Schwierigkeiten allein, die für Effektengeschäfte charakteristisch sind, können aber nicht dazu führen, auf die weitere Voraussetzung für die Anwendung dieses Sonderverfahrens zu verzichten.
Nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 gilt das Sonderverfahren nur für Banken und Bankiers. Der Steuerpflichtige gehört aber unstreitig diesem Unternehmerkreis nicht an. Soweit das Finanzgericht auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V A 773/31 vom 4. Dezember 1931 (Steuer und Wirtschaft -- StuW -- 1932 II Nr. 205) verweist, übersieht es, daß der Reichsfinanzhof bei seiner Entscheidung von § 56 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1926 ausgegangen ist, der seinem Wortlaut nach -- im Gegensatz zu § 68 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 -- eine Beschränkung auf Banken und Bankiers nicht kannte ("Von der gesonderten Angabe ... ist befreit, wer ... "). Nur so sind auch die Ausführungen des Reichsfinanzhofs in diesem Urteil über die Gleichstellung eines Fondsmaklers mit einem Bankier zu verstehen. Im übrigen bezogen sich die Ausführungen nur auf einen Fondsmakler, der sich -- im Gegensatz zum Steuerpflichtigen -- ausschließlich mit dem An- und Verkauf von Effekten befaßte.
Wenn das Finanzgericht ferner meint, der Steuerpflichtige müsse trotz des klaren Wortlauts der Bestimmung einem Bankier gleichgestellt werden, weil er wirtschaftlich wie ein Bankier tätig sei, so wäre dies nur möglich, wenn Sinn und Zweck des § 68 a. a. O. mit dessen Wortlaut nicht vereinbar wären. Dies trifft jedoch nicht zu.
Durch § 68 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 (früher § 64 UStDB 1938 bzw. § 65 UStDB 1934) soll als reine Verfahrensvorschrift nicht nur die beschwerliche Auseinanderrechnung der steuerfreien und steuerpflichtigen Bankumsätze seitens der Steuerpflichtigen vermieden, sondern auch bei einem bestimmten Unternehmerkreis die Heranziehung zur Umsatzsteuer durch das Finanzamt vereinfacht werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 8/42 a. a. O.). Die Vielfalt der Bankumsätze im Sinne der Bestimmung, die neben anderen Umsätzen der Bank zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind, und die wiederum in ihrer Vielzahl meist in jedem Einzelfalle eine Trennung nach steuerfreiem und steuerpflichtigem Umsatz erfordern, veranlaßte den Gesetz- und Verordnungsgeber zu dieser Vereinfachung bei Banken und Bankiers. Derartige oder ähnliche Gründe liegen aber für den Kreis der Fondsmakler nicht vor. Der Steuerpflichtige verkennt insoweit die tatsächlichen Verhältnisse, wenn er vorbringt, sein Tätigkeitsbereich sei dem eines Bankiers gleichzusetzen. Denn als Fondsmakler betreibt er nur Effektengeschäfte; auch wird die Anzahl seiner Umsätze die eines Bankinstituts bei weitem nicht erreichen. Die ausdrückliche Beschränkung des Sonderverfahrens auf Banken und Bankiers entspricht somit dem wirklichen Willen des Verordnungsgebers, der mit dieser Regelung den besonderen Verhältnissen, wie sie sich sowohl auf seiten dieses Unternehmerkreises als auch für die Finanzverwaltung ergeben, Rechnung tragen wollte. Hieraus folgt, daß der Sinn und Zweck des § 68 a. a. O. mit dessen Wortlaut im Einklang stehen.
Soweit der Steuerpflichtige auf die unterschiedliche Behandlung der an der Berliner Wertpapierbörse und der an den Wertpapierbörsen im Bundesgebiet tätigen Fondsmakler hinweist (vgl. auch Hartmann-Metzenmacher, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 5. Auflage, Erläuterung 51 zu § 4 Ziff. 8 UStG), trifft zwar zu, daß Gründe für die unterschiedliche Behandlung nicht ersichtlich sind. Abgesehen davon, daß es sich bei dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen bzw. bei der Verfügung des Landesfinanzamts Berlin lediglich um Verwaltungsanordnungen handelt, die die Steuergerichte nicht binden, kann aus dieser Behandlung die vom Steuerpflichtigen unter Berufung auf den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) in Anspruch genommene Rechtsfolge nicht hergeleitet werden. Denn einerseits findet die steuerliche Behandlung der Berliner Fondsmakler im Gesetz keine Stütze, anderseits kann die Anwendung des Gleichheitssatzes nicht zur Verallgemeinerung einer rechtsfehlerhaften Sachbehandlung führen.
Das Finanzgericht hat somit dem Steuerpflichtigen zu Unrecht § 68 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951 zugebilligt. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
Das Finanzamt hat die gesamten Umsätze in Höhe von ... DM mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer herangezogen, obwohl aus den Akten ersichtlich ist, daß in erheblichem Umfang steuerfreie Umsätze von Wertpapieren im Sinne von § 4 Ziff. 8 UStG in Verbindung mit § 33 UStDB 1951 getätigt worden sind. Die Sache geht daher zur Ermittlung der steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätze an das Finanzgericht zurück, das bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten der Rb. und die Feststellung des Werts des Streitgegenstandes zu befinden haben wird (§§ 318 Abs. 2, 320 Abs. 3 AO).
Fundstellen
Haufe-Index 411301 |
BStBl III 1964, 463 |
BFHE 1964, 629 |