Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erfindung, die der Steuerpflichtige bei einer Betriebsaufspaltung der Betriebs-GmbH überläßt, wird nicht in einem dem Steuerpflichtigen fremden Betrieb verwertet.
2. Das Gehalt, das der Inhaber des Besitzunternehmens als Gesellschafter-Geschäftsführer der Betriebs-GmbH bezieht, gehört nicht zu seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Normenkette
EStG § 19; EStR 1960 Abschn. 149 Abs. 4 S. 4; StAnpG § 1 Abs. 2; ErfVO § 4 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte ist der Sohn und alleinige Erbe des während des Klageverfahrens verstorbenen Erblassers.
Der Erblasser betrieb ursprünglich einen Herstellungsbetrieb auf eigenem Grund und Boden als Einzelunternehmen. Im Jahre 1947 übertrug er die beweglichen Wirtschaftsgüter seines Einzelbetriebes auf die neugegründete GmbH, an der er im Streitjahr 1959 zu 75,2 v. H. und der Sohn zu 24,8 v. H. beteiligt waren. Den mit Fabrikationsgebäuden bebauten 4 395 qm großen Grundbesitz verpachtete er der GmbH. Die GmbH stellt seit ihrer Gründung nach einem vom Erblasser entwickelten Verfahren Industrieprodukte her.
Das FA veranlagte den Erblasser vorläufig, gewährte die Erfindervergünstigung und bat mitzuteilen, ob es sich um Einnahmen aus der Erfindung handle, die er bereits seit 1937 in seinem Einzelbetrieb ausgewertet habe. Der Erblasser antwortete, das von ihm entwickelte Verfahren sei erst in den Jahren 1956 und 1957 praktisch erprobt und im Jahre 1960 betriebstechnisch ausgenutzt worden. Das FA veranlagte daraufhin endgültig, wobei es die Erfindervergünstigung versagte, weil der Achtjahreszeitraum (§ 4 Nr. 3 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder - ErfVO - vom 30. Mai 1951, BGBl I 1951, 387, BStBl I 1951, 181) überschritten sei.
Auf die Klage (damals Berufung) hob das FG die Einspruchsentscheidung und den ihr zugrunde liegenden endgültigen Steuerbescheid auf. Es ging davon aus, der Erblasser habe statt der vom FA angesetzten gewerblichen Einkünfte, Einkünfte aus selbständiger Arbeit als freier Erfinder, aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der GmbH, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung des Grundbesitzes an die GmbH gehabt; die Erfindervergütungen seien wegen Ungültigkeit der ErfVO nach dem Erlaß des RdF vom 11. September 1944 (RStBl 1944, 586) steuerbegünstigt.
Mit der Revision rügt das FA unter anderem, die Tatsachenfeststellungen des FG verstießen gegen den klaren Inhalt der Akten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Eine etwaige Begünstigung kommt nur im Rahmen der ErfVO in Betracht; denn die Verordnung erhielt nach Art. 3 § 1 StÄndG 1968 (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) Gesetzeskraft. Im übrigen war der Erlaß des RdF vom 11. September 1944 (a. a. O.), wie der Senat in den Urteilen IV R 110/68 vom 5. Dezember 1968 (BFH 94, 246, BStBl II 1969, 136) und IV R 196, 213-215/68 vom 29. Januar 1970 (BFH 98, 410, BStBl II 1970, 419) entschied, kein Milderungserlaß im Sinne von § 13 AO a. F. und daher von den Gerichten nicht anzuwenden. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, war aufzuheben.
2. Die Sache ist entscheidungsreif.
Voraussetzung für die Begünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO ist u. a. , daß die Erfindung nicht im eigenen gewerblichen Betrieb verwertet wird. Das ist unter Berücksichtigung aller Umstände und wirtschaftlichen Gegebenheiten zu entscheiden. Es kann dahingestellt bleiben, ob der in Abschn. 121 Abs. 4 Satz 3 EStR 1953 (= Abschn. 149 Abs. 4 Satz 3 EStR 1955; seit den EStR 1960 Abschn. 149 Abs. 4 Satz 4) enthaltenen Regelung gefolgt werden kann, daß ein Erfinder seine Erfindung auch dann in einem fremden Betrieb auswerte, wenn er die Erfindung einer von ihm gegründeten GmbH gegen angemessene Lizenzzahlungen überlasse. Ein dem Erfinder fremder Betrieb liegt jedenfalls im Fall einer Betriebsaufspaltung nicht vor (vgl. Urteile des BFH IV 228/64 S vom 21. Dezember 1965, BFH 84, 407, BStBl III 1966, 147; IV 75/64 vom 23. Juni 1966, BFH 86, 625, BStBl III 1966, 589; IV 340/64 vom 28. Mai 1968, BFH 93, 91, BStBl II 1968, 688; IV R 261/66 vom 25. Juli 1968, BFH 93, 82, BStBl II 1968, 677; I 201/64 vom 24. Juni 1969, BFH 97, 125, BStBl II 1970, 17). Denn bei der Betriebsaufspaltung ist ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen in zwei der Rechtsform nach verschiedene Betriebe gegliedert. Die GmbH ging aus dem Einzelunternehmen hervor, das der Erblasser bis zur Gründung der GmbH auf eigenem Grund und Boden betrieben hatte.
Entgegen der Annahme des Klägers setzt die Betriebsaufspaltung keine "absolute Beteiligungsidentität" voraus. Ein solcher Grundsatz ist von der Rechtsprechung nicht aufgestellt worden. Im Urteil I 76/64 vom 24. Januar 1968 (BFH 91, 368, BStBl II 1968, 354) wurde die von Eheleuten gegründete Betriebs-GmbH aus zwei Einzelunternehmen abgespalten. Die Besitzunternehmen gehörten jeweils einem Ehegatten allein, und zwar bereits vor ihrer Eheschließung. Alle drei Betriebe wurden als ein einheitliches Unternehmen behandelt, ohne daß also Personenidentität bestand. Das Urteil VI 169/65 vom 24. Februar 1967 (BFH 88, 319, BStBl III 1967, 387) betraf einen Fall, in dem die GmbH nicht aus der Grundstücksgemeinschaft hervorgegangen war. Gleichwohl aber wurden trotz fehlender Personenidentität der Erwerb und die Nutzung der Grundstücke durch die Grundstücksgemeinschaft als gewerbliche Betätigung der einem einheitlichen Zweck dienenden Unternehmen behandelt.
Der Senat läßt es dahingestellt sein, ob er dem Urteil I 231/63 vom 3. Dezember 1969 (BFH 97, 522, BStBl II 1970, 223) folgen würde. In diesem Urteil war der Steuerpflichtige am Besitzunternehmen allein, an der GmbH zu 45 v. H. beteiligt, daneben seine Frau und seine Tochter, außerdem aber noch sein Schwager. Der I. Senat verneinte das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung, weil nicht an beiden Unternehmen im wesentlichen dieselben Personen beteiligt seien. Dieser Gesichtspunkt trifft jedoch jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall nicht zu. Denn der Erblasser war im Streitjahr am Besitzunternehmen allein, am Betriebsunternehmen aber mit 75,2 v. H., also beherrschend beteiligt. Damit würden aber auch im Sinne des Urteils I 231/63 (a. a. O.) im wesentlichen dieselben Personen beteiligt sein. Hinzu kommt, daß die restliche Beteiligung vom Sohn gehalten wurde, also einer dem Erblasser nahestehenden Person mit gleichen Interessen. Bei der Würdigung, ob das Betriebsunternehmen vom Besitzunternehmen beherrscht wird, werden auch nach der ständigen Rechtsprechung des I. Senats des BFH die Beteiligungen der Angehörigen des Besitzunternehmers (Ehegatten, Kinder, beim Besitzunternehmer mitgezählt (vgl. BFH-Urteil I R 108/66 vom 12. März 1970, BFH 98, 441, BStBl II 1970, 439).
Die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung der der GmbH überlassenen Wirtschaftsgüter gehören daher zum Gewinn aus Gewerbebetrieb des Besitzunternehmens (vgl. BFH-Urteile I 131/59 S vom 8. November 1960, BFH 71, 706, BStBl III 1960, 513; IV 417/60 S vom 25. Juli 1963, BFH 77, 504, BStBl III 1963, 505; IV 179/64 U vom 28. Januar 1965, BFH 82, 40, BStBl III 1965, 261). Gleiches gilt wegen der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung beider Unternehmen von den Vergütungen für die der Betriebs-GmbH überlassenen Erfindungen.
Die Anteile an der Betriebsgesellschaft sind notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmens (vgl. BFH-Urteile I 131/59 S vom 8. November 1960, a. a. O.; I 76/64 vom 24. Januar 1968, BFH 91, 368, BStBl II 1968, 354) und die Gewinnausschüttungen gehören demzufolge ebenfalls zum Gewinn aus Gewerbebetrieb. Dadurch mindern sich diese Einnahmen nicht, wie der Steuerpflichtige meint, um den Pauschbetrag gemäß § 9a Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Dem FA ist zuzugeben, daß die Auffassung vertreten werden könnte, alle Einnahmen, die dem Inhaber des Besitzunternehmens bei der Betriebsaufspaltung von der Betriebsgesellschaft zuflössen, müßten zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gerechnet werden (§ 15 Nr. 1 EStG). Diese Folgerung hält der Senat aber nicht für zutreffend. Eine GmbH braucht jemanden, der ihre Geschäfte führt. Das kann auch ein Gesellschafter im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses tun. Der Tatbestand der Betriebsaufspaltung liegt unabhängig davon vor, von wem die Geschäfte der GmbH geführt werden. Die einheitliche wirtschaftliche Betrachtung der beiden Unternehmen bei der Charakterisierung der aus dem Kapital und seinem Einsatz zur Gewinnerzielung gezogenen Einkünfte rechtfertigt es deshalb nicht, das Dienstverhältnis der GmbH mit ihrem Gesellschafter als Ausfluß der Betriebsaufspaltung anzusehen.
Fundstellen
Haufe-Index 69106 |
BStBl II 1970, 722 |
BFHE 1970, 533 |