Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung des Begriffs der --zollfreien-- wissenschaftlichen Geräte (hier: Spezialtisch für wissenschaftliche Geräte; Anschluß an das EuGH-Urteil vom 26.Januar 1984 Rs.45/83, EuGHE 1984, 267, 276 f.).
Normenkette
EWGV 1798/75 Art. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine deutsche Universität, ließ im November 1977 eine aus den USA eingeführte Ware zum freien Verkehr abfertigen, die aus einer Tischplatte und einer Garnitur schwingungsdämpfender Tischbeine bestand. Die Zollstelle fertigte die Ware zunächst als Gegenstand wissenschaftlichen Charakters zollfrei ab und erhob lediglich 1 570,17 DM Einfuhrumsatzsteuer. Mit Steueränderungsbescheid vom 3.August 1978 forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) von der Klägerin 993,30 DM Zoll und 109,27 DM Einfuhrumsatzsteuer nach, weil er zu der Auffassung gelangt war, die eingeführte Ware besitze keinen wissenschaftlichen Wert. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt zur Begründung seiner Entscheidung folgendes aus:
Das HZA habe gegen die Klägerin mit dem angefochtenen Steueränderungsbescheid zu Recht Zoll und Einfuhrumsatzsteuer festgesetzt. Die eingeführte Ware könne nicht als wissenschaftlicher Gegenstand abgabenfrei belassen werden. Sie stelle nicht unmittelbar eine wissenschaftliche Erkenntnisquelle dar. Die eigentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse würden durch die auf dem Spezialtisch aufgebauten wissenschaftlichen Geräte vermittelt. Der Spezialtisch erscheine lediglich mittelbar für die Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten nützlich und erforderlich.
Eine Zollfreiheit komme auch nicht in Betracht, wenn die eingeführte Ware als wissenschaftlicher Hilfsgegenstand und folglich als Zubehör angesehen werde. Der Tisch sei dort verwendbar, wo eine schwingungsfreie Unterlage benötigt werde. Er sei nicht zur Verwendung mit einem bestimmten wissenschaftlichen Gegenstand besonders hergerichtet, um dessen Leistungen oder Verwendungsmöglichkeiten zu verbessern. Von einem spezifischen Zubehörteil könne demnach keine Rede sein. Die Frage, ob die zahlreichen wissenschaftlichen Hauptgegenstände, die auf dem Tisch eingesetzt werden könnten, jeweils zollfrei seien, bedürfe keiner Prüfung.
Die Klägerin legte mit folgender Begründung Revision ein:
Zur Erlangung der Zollfreiheit sei nicht erforderlich, daß die eingeführte Ware selbst eine wissenschaftliche Erkenntnisquelle darstelle. Diese Ware sei für die reine wissenschaftliche Forschung schon deshalb besonders geeignet, weil es sich bei dem eingeführten schwingungsgedämpften Tisch um ein außerordentlich spezialisiertes Gerät handele, das unbestritten einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erreichung der angestrebten Forschungsziele leiste. Wissenschaftlichkeit erlange ein Gerät dadurch, daß mit und an dem Gerät geforscht werde.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Steueränderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der angefochtene Steueränderungsbescheid rechtmäßig ist.
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß für die Entscheidung im Streitfall Art.3 der Verordnung (EWG) Nr.1798/75 (VO Nr.1798/75) des Rates vom 10.Juli 1975 über die von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 184/1 vom 15.Juli 1975) maßgebend ist. Nach dieser Vorschrift ist die Zollfreiheit u.a. davon abhängig, daß die eingeführte Ware zu den wissenschaftlichen Instrumenten, Apparaten und Geräten im Sinne der Vorschrift gehört. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (vgl. Urteil vom 26.Januar 1984 Rs.45/83, EuGHE 84, 267, 276 f.) ist dazu erforderlich, daß die eingeführte Ware aufgrund ihrer objektiven technischen Beschaffenheit und Funktionsweise für die reine wissenschaftliche Forschung besonders geeignet ist. Eine lediglich passive Verwendung, wie sie etwa Behältnissen für die Konservierung oder Aufbewahrung von Forschungsgegenständen zukommt, reicht dazu nicht aus. Den Feststellungen des FG muß entnommen werden, daß der streitbefangenen Ware nur eine derartige passive Verwendung beigemessen werden kann. Nach diesen Feststellungen ist die Ware --etwa in Laboratorien-- als schwingungsfreie Unterlage für wissenschaftliche Gegenstände, die auf dieser Unterlage eingesetzt werden, verwendbar. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden nach diesen Feststellungen allenfalls durch die auf dieser Unterlage aufgebauten wissenschaftlichen Geräte, nicht aber durch die Unterlage selbst, vermittelt. Darin kommt zum Ausdruck, daß die streitbefangene Ware bei der wissenschaftlichen Forschung lediglich --als Unterlage für wissenschaftliche Instrumente, Apparate oder Geräte-- wie Behältnisse zur Konservierung oder Aufbewahrung von Forschungsgegenständen eine passive Verwendung findet.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, daß es sich bei der eingeführten Ware, wie die Klägerin ausführt, um ein außerordentlich spezialisiertes Gerät handelt, das einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Erreichung der angestrebten Forschungsziele leistet. Das ändert nichts daran, daß die streitbefangene Ware --wie Behältnisse zur Konservierung und Aufbewahrung von Forschungsgegenständen-- bei der wissenschaftlichen Forschung nur in passiver Weise verwendet wird.
Ein anderes Ergebnis kann auch nicht mit einer Anwendung des Art.3 Abs.2 VO Nr.1798/75 gerechtfertigt werden. Nach den Feststellungen des FG sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß die eingeführte Ware spezifisches Zubehör für bestimmte wissenschaftliche Instrumente und Apparate ist oder daß sie als spezifische Teile oder Ersatzteile für bestimmte eingeführte Apparate oder Instrumente verwendet werden soll.
Fundstellen
Haufe-Index 60893 |
BFHE 144, 106 |
BFHE 1986, 106 |
HFR 1986, 574-575 (ST) |