Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlustberichtigung nach § 10 d Satz 2 EStG
Leitsatz (NV)
§ 10 d Satz 2 EStG 1979 ist neben den abgabenrechtlichen Vorschriften eine eigenständige Korrekturvorschrift, die ermöglicht, einen bereits gewährten Verlustabzug im Vortragsjahr wegen eines (Rechts-) Fehlers zu berichtigen.
Normenkette
EStG 1979 § 10d S. 2
Tatbestand
Streitig ist die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides nach § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 1980 maßgeblichen Fassung.
Die Klägerin erwirtschaftete in den Jahren 1977 und 1978 Verluste. Nach den Feststellungen einer Außenprüfung betrugen der Verlust 1977 12 051 DM und der Verlust 1978 13 303 DM. Der Verlust 1977 wurde in voller Höhe für einen Verlustrücktrag nach 1976 in Anspruch genommen.
Im März 1982 wurde die Einkommensteuererklärung 1979 bearbeitet. In dieser Erklärung hatte die Klägerin die Verluste der Jahre 1977 und 1978 zum Zwecke des Verlustabzugs nach § 10 d EStG aufgeführt. Der Einkommensteuerbescheid 1979 vom 6. Mai 1982 wies zutreffend einen Verlustabzug in Höhe von 8767 DM aus.
Bei der Veranlagung 1980, die am 30. April 1982 durchgeführt wurde, lag die Veranlagung 1979 nicht vor. Die Klägerin hatte wiederum die Verluste der Jahre 1977 und 1978 zum Zwecke des Verlustabzugs aufgeführt. Das Finanzamt (FA) setzte im Einkommensteuerbescheid 1980 vom 4. Juni 1982 einen Verlustabzug in Höhe von 14 313 DM an, der das Einkommen auf 0 DM minderte. Richtigerweise wäre nur ein Verlustabzug in Höhe von 4536 DM (13 303 DM ./. 8767 DM) zu berücksichtigen gewesen. Der Einkommensteuerbescheid 1980 wurde bestandskräftig. Knapp ein Jahr später wurde der Fehler bemerkt; das FA erließ - unter Berufung auf § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) - einen Berichtigungsbescheid. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos; allerdings stützte das FA die Änderung der Steuerfestsetzung nunmehr auf § 10 d EStG.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt: Das FA habe den Änderungsbescheid vom 28. April 1983 nicht erlassen dürfen. Eine Änderungsvorschrift der AO 1977 greife nicht ein; weder § 129 AO 1977 noch eine andere Norm, etwa § 173 AO 1977, kämen ernsthaft in Betracht. Entgegen der Meinung des FA rechtfertige auch § 10 d EStG die Berichtigungsveranlagung nicht. § 10 d EStG könne weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Sinngehalt dazu führen, Bearbeitungsfehler zu korrigieren, die ihren Ursprung im Verantwortungsbereich der Finanzverwaltung hätten.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und führt aus:
1. Nach den Entscheidungen des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 1989 VIII R 36/88 (BFHE 160, 217, BStBl II 1990, 618) und VIII R 209/85 (BFHE 160, 219, BStBl II 1990, 620) sei § 10 d Satz 2 EStG eine eigenständige Korrekturvorschrift, die auch gestatte, einen Bescheid, in dem irrtümlich ein Verlustabzug berücksichtigt sei, zu ändern. Wer den Fehler verursacht habe, sei unerheblich.
2. Im übrigen hätte der streitige Steuerbescheid auch nach § 174 Abs. 2 AO 1977 geändert werden können.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Das FA war berechtigt, den Verlustabzug gemäß § 10 d Satz 2 EStG zu korrigieren.
1. Gemäß § 10 d Satz 2 EStG ist ein Steuerbescheid insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu berichtigen ist. Die Berichtigung erstreckt sich auf Fehler, die die Ermittlung des Verlustes und dessen Ausgleich im Verlustentstehungsjahr betreffen; sie erfaßt aber auch Fehler, die bei dem Abzug des Verlustes in vorangegangenen Veranlagungszeiträumen unterlaufen (vgl. Urteile des BFH in BFHE 160, 219, BStBl II 1990, 620; vom 14. November 1989 VIII R 109/86, BFH/NV 1990, 624, und vom 18. September 1991 XI R 36/90, BFH/NV 1992, 37; von Groll in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10 d Rdnr. b 391 f.; Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. 1991, § 10 d Anm. 8). Auf Fehler bei der Verrechnung des Verlustvortrags ist § 10 d Satz 2 EStG entsprechend anzuwenden (BFH-Urteil in BFHE 160, 217, BStBl II 1990, 618).
Korrekturgrund ist allein ein in bezug auf den Verlustabzug fehlerhaftes Ergebnis. Die Ursache des Fehlers ist entgegen der Auffassung des FG irrelevant. Die gesetzliche Regelung bezweckt die richtige und vollständige Verwirklichung des Verlustabzugs und stellt in diesem Bereich die Rechtmäßigkeit des Bescheides vor das Vertrauen auf dessen Bestand.
2. Ob die Voraussetzungen weiterer Korrekturvorschriften erfüllt sind, kann dahinstehen.
Fundstellen
Haufe-Index 418588 |
BFH/NV 1992, 815 |