Leitsatz (amtlich)
Die von Ehegatten auf ihr gemeinsames Steuerkonto geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen sind, wenn getrennte Veranlagungen vorgenommen werden, demjenigen Ehegatten gutzubringen, der die Zahlungen geleistet hat.
Normenkette
AO §§ 93, 125, 151; StAnpG § 7 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger X war bis 1962 mit seiner 1966 von ihm geschiedenen Ehefrau Y zusammenveranlagt. Für 1963 waren von beiden Ehegatten Einkommensteuervorauszahlungen auf das gemeinsame Konto bei der Finanzkasse geleistet worden. Für 1963 hatte der Kläger die getrennte Veranlagung zur Einkommensteuer verlangt. Die Finanzkasse hatte das Steuerkonto der Eheleute als Steuerkonto des Klägers weitergeführt und für Frau Y ein neues Konto eröffnet. Bei der Einkommensteuerabrechnung auf Grund des Einkommensteuerbescheids des Klägers für 1963 hatte das FA dem Kläger die auf das gemeinsame Konto geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen voll angerechnet und von der Einkommensteuerüberzahlung 11 730 DM auf Einkommensteuervorauszahlung 1965 des Klägers umgebucht sowie über 2 100 DM ihm erstattet.
Frau Y beantragte nunmehr, die von ihr, wie nachgewiesen, für 1963 geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 12 857 DM - nicht, wie in der Vorentscheidung angegeben: 12 875 DM - auf ihre Einkommensteuer anzurechnen. Das FA buchte diesen Betrag vom Konto des Klägers auf das Konto von Frau Y um. Am 22. Oktober 1965 übersandte die Finanzkasse dem Kläger eine geänderte Abrechnung über seine Einkommensteuer 1963 und forderte von ihm den umgebuchten Betrag nach.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Umbuchung und die auf Grund dieser gegen den Kläger ergangene Zahlungsaufforderung wurde von der OFD als unbegründet zurückgewiesen.
Seine Klage wies das FG ab, es erklärte, die Umbuchung und die darauf beruhende Zahlungsaufforderung seien rechtmäßig gewesen. Das FG hatte Frau Y beigeladen.
Mit seiner Revision macht der Kläger im wesentlichen geltend:
Es sei nicht zutreffend, daß die Abrechnung durch die Finanzkasse eine selbständige nach § 93 AO zurücknehmbare Verfügung darstelle. Der Grundsatz von Treu und Glauben sei im Streitfall nicht angewandt worden; dadurch sei ihm Schaden entstanden.
Der Kläger beantragt zu erkennen:
1. die Zahlungsaufforderung vom 22. Oktober 1965, die ihr zugrunde liegende Abrechnung und die Umbuchung werden aufgehoben; der Kläger wird von der Verpflichtung zur Zahlung von 12 875 DM freigestellt; hilfsweise: die Sache wird an das FA zurückverwiesen;
2. die Kosten werden dem FA auferlegt.
Das FA hält die Vorentscheidung für zutreffend; es wünscht die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist ohne Erfolg.
1. Der Kläger wendet sich mit der Revision gegen die Umbuchung seitens des FA sowie gegen die Abrechnung und Zahlungsaufforderung. Wie die OFD und das FG zutreffend dargelegt haben, ist die Umbuchung (Umbuchungsanweisung und Umbuchung selbst) eine innerdienstliche Maßnahme des FA, die noch nicht mit der Beschwerde angreifbar ist. Dagegen stellt die dem Kläger nach der Umbuchung mitgeteilte Abrechnung mit der Zahlungsaufforderung eine mit der Beschwerde anfechtbare Verfügung des FA dar. Der Steuerbescheid ist eine Verfügung, die im Steuerveranlagungswege seitens der Veranlagungsstelle ergeht. Die Abrechnung durch das FA ist, auch wenn sie mit dem Steuerbescheid verbunden wird, eine Maßnahme der Finanzkasse, eine Maßnahme des Steuererhebungsverfahrens. Sie war somit unter den Voraussetzungen des § 93 AO a. F. abänderbar; die für die Änderung von Steuerbescheiden von der AO a. F. aufgestellten Voraussetzungen standen der Änderung einer Abrechnung, auch wenn sie mit einem Steuerbescheid verbunden war, nicht entgegen (vgl. u. a. das Urteil des BFH VI R 68/66 vom 11. November 1966, BFH 87, 514 ff., BStBl III 1967, 214; Meßmer in Mattern-Meßmer, AO, Tz. 471, 827, 1489; Tipke-Kruse, AO/FGO, Kommentar, 2.-3. Aufl., Rdnr. 8 zu § 211 AO; v. Wallis in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, Rdnr. 6 Abs. 2 zu § 125 AO). Diese Grundsätze hat das FG nicht verkannt.
2. Der Kläger beruft sich auf Ziffer 20 des 2. Einführungserlasses (EinfErl.) zu § 97 AKO, vgl. Amtl. Handausgabe, erschienen im Verlag Wilhelm Stollfuß, 1952. Dort heißt es unter Buchst. a: "Von dem Konto eines Stpfl. dürfen, wenn nicht Fehlbuchungen vorliegen, Beträge auf das Konto eines anderen Stpfl. nur auf schriftlichen Antrag oder nach schriftlicher Einverständniserklärung des Stpfl., bei dessen Konto die Beträge abgesetzt werden sollen, umgebucht werden." Die Vorinstanz hat dazu zutreffend ausgeführt, daß es sich bei dieser Bestimmung um einen Verwaltungserlaß handelt, der die Gerichte nicht bindet. Aber auch davon abgesehen, kann sich der Kläger auf den in Ziffer 20 Buchst. a des bezeichneten Erlasses enthaltenen Grundsatz aus folgenden Gründen nicht mit Erfolg berufen: Die Fortführung des bisherigen gemeinschaftlichen Steuerkontos der damaligen Ehegatten X und Y als Konto des Ehemannes X und zugleich kassenmäßige Behandlung dieses Kontos, als wären die auf das gemeinsame Konto der damaligen Ehegatten geleisteten Steuerzahlungen allein von dem Ehemann X - dem Kläger - geleistet worden, bedeutete einen Fehler. Denn die damaligen Ehegatten waren bis 1962 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt worden, es waren für sie für 1963 Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt und von ihnen beiden Zahlungen auf ihr (bis dahin) gemeinsames Steuerkonto geleistet worden. Die damaligen Ehegatten X und Y waren nach § 7 Abs. 1 StAnpG Gesamtschuldner der Einkommensteuer vorauszahlungen 1963, nicht mehr dagegen der Einkommensteuerabschlußzahlungen 1963, die die Ehegatten auf Grund getrennter Veranlagungen für 1963 zu leisten hatten. Nun ist die Frage, wer im Fall der Einkommensteuerzahlung durch (zusammenveranlagte) Ehegatten, die Steuergesamtschuldner sind, ggf. erstattungsberechtigt ist, in der Rechtsprechung des BFH dahin entschieden worden, daß derjenige Ehegatte erstattungsberechtigt ist, der den zu erstattenden Betrag, den er mit schuldete, gezahlt hat (vgl. u. a. die Urteile des BFH VII 157/60 vom 11. Oktober 1961, HFR 1962, 235, Nr. 220; I 362/62 vom 23. September 1964, HFR 1965, 111/112 Nr. 90). Dieser Grundsatz kann sinngemäß auch dann angewandt werden, wenn an die Stelle einer Zusammenveranlagung von Ehegatten später im Berichtigungsweg getrennte Veranlagungen getreten sind (so auch BFH I 362/62 vom 23. September 1964, a. a. O., S. 112); er gilt sinngemäß auch für die Frage, welchem der beiden (damaligen) Ehegatten die auf ein gemeinsames Steuerkonto auf Grund festgesetzter Vorauszahlungen geleisteten Zahlungen gutzubringen sind, wenn dann für den Veranlagungszeitraum - 1963 - getrennte Veranlagung vorgenommen wird (so zutreffend die OFD in der Beschwerdeentscheidung); die einzelnen auf das seinerzeitige gemeinschaftliche Steuerkonto der Ehegatten X und Y geleisteten Vorauszahlungsbeträge für Einkommensteuer 1963 waren demjenigen der beiden Steuerpflichtigen zuzurechnen, der sie geleistet hatte. Die Abrechnung des FA auf Grund des Einkommensteuerbescheids des Klägers für 1963, in der das FA auch die von Y geleisteten Einkommensteuervorauszahlungen 1963 dem Kläger X zurechnete, war objektiv nicht zutreffend; sie war, wie unter 1 ausgeführt, abänderbar, auch ohne Zustimmung des Klägers, und ist mit Recht abgeändert worden. Dem stand - entgegen den Ausführungen des Klägers - auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß der Kläger mit der Änderung der Abrechnung und der Zahlungsaufforderung rechnen mußte.
Fundstellen
Haufe-Index 68942 |
BStBl II 1970, 351 |
BFHE 1970, 9 |