Leitsatz (amtlich)
Eine Teilwertabschreibung auf eine Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung italienischen Rechts ist nach dem DBA-Italien mit steuerlicher Wirkung in der Bundesrepublik Deutschland nicht zulässig.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1; DBA-Italien vom 31. Oktober 1925 Art. 3; DBA-Italien vom 31. Oktober 1925 Art. 5; AuslInvG §§ 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine bergrechtliche Gewerkschaft, ist international u. a. im Anlagenbau tätig. In Italien arbeitete sie über ihre (inzwischen liquidierte) Tochtergesellschaft X, eine der Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechende Gesellschaft italienischen Rechts.
Die Klägerin hatte im Streitjahr (1974) auf den Teilwert ihrer Beteiligung an der X 77 015 DM abgeschrieben und gleichzeitig das Kapital erheblich erhöht. Die wirtschaftliche Berechtigung der Abschreibung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Im Rahmen einer Außenprüfung hatte der Prüfer die Berücksichtigung der Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der X bei der Besteuerung der Klägerin nicht für zulässig gehalten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) war der Ansicht des Prüfers gefolgt und hatte den gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid durch gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom 30. Oktober 1979 berichtigt.
Mit ihrer Sprungklage begehrte die Klägerin die Anerkennung der Teilwertabschreibung.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 357 (EFG 1980, 357) abgedruckt.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, der Teilwertabschreibung stehe weder der Wortlaut des Abkommens zwischen dem Deutschen Reich und Italien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung anderer Fragen auf dem Gebiet der direkten Steuern vom 31. Oktober 1925 (RGBl II 1925, 1146), wieder in Kraft gesetzt aufgrund des Vertrages zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der italienischen Regierung vom 20. November 1952 (Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 23. Dezember 1952, BGBl II 1952, 986) - im folgenden: DBA-Italien -, entgegen noch daß eventuelle Gewinnausschüttungen aus der Beteiligung nach dem DBA-Italien von der deutschen Besteuerung ausgenommen würden. Das FG habe das DBA-Italien falsch ausgelegt.
Die Klägerin beantragt, den Körperschaftsteuerbescheid vom 30. Oktober 1979 in der Weise zu ändern, daß die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der italienischen Tochtergesellschaft in Höhe von 77 015 DM anerkannt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Nach Art. 5 Abs. 3 zweiter Halbsatz DBA-Italien "werden auf andere Formen der Beteiligung an Gesellschaften und an gesellschaftlichen Unternehmungen stets die Bestimmungen der Art. 3 und 4 ... angewendet". Zu den anderen Beteiligungsformen zählen solche, deren Beteiligungsrechte weder durch Aktien (Art. 5 Abs. 1 DBA-Italien) noch durch (andere) Wertpapiere verkörpert werden, die in ihrem Wesen der Aktie entsprechen (Art. 5 Abs. 3 erster Halbsatz DBA-Italien; Nr. 9 Schlußprotokoll: Kuxe, Anteil- und Genußscheine). Alle Beteiligungen, die nicht in einem Wertpapier verbrieft sind, behandelt das DBA-Italien wie Gewerbebetriebe eines Einzelunternehmers (Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, DBA-Italien, Art. 3 Anm. 4). Unter diese Formen der Beteiligung an gesellschaftlichen Unternehmungen fällt mangels Verbriefung des Anteilrechts in einem Wertpapier die Beteiligung an einer (italienischen) GmbH. Die Beteiligung an einer solchen Gesellschaft beruht weder auf einer Aktie noch auf einem anderen Wertpapier, das der Aktie in seinem Wesen entspricht.
Diese Rechtsauffassung ergibt sich aus den Vorschriften des DBA-Italien. Sie wird durch Entscheidungen des Senats, die Darlegungen des Bundesministers der Finanzen (BdF) in dem Erlaß vom 17. Mai 1977 und durch die Meinungen im Schrifttum, die das FG sämtlich in seiner Entscheidung zutreffend aufgeführt und ausgewertet hat, bestätigt. Den diesbezüglichen Ausführungen des FG ist nichts hinzuzufügen.
Es kann dahinstehen, ob - wie die Klägerin meint-überhaupt eine Divergenz zwischen dem deutschen und dem italienischen Vertragstext des Art. 5 Abs. 3 DBA-Italien besteht. Beide dem DBA zugrunde liegenden Vertragstexte sind maßgebend. Das Abkommen ist, wie in dessen Art. 19 ausdrücklich festgelegt ist, "in doppelter Urschrift in deutscher und italienischer Sprache" ausgefertigt und ratifiziert worden. Die Vertragstexte entsprechen daher dem übereinstimmenden Willen der beiden Vertragsparteien. Es kann unter den gegebenen Verhältnissen nicht ausgeschlossen werden, daß die damit verbundenen (möglicherweise unterschiedlichen) Besteuerungsregelungen bewußt - in der überwiegenden Zahl der Fälle zugunsten Italiens - getroffen worden sind.
2. Der Senat teilt auch die Auffassung des FG, daß mit dem Begriff "Einkünfte" i. S. des Art. 3 DBA-Italien nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Einkünfte erfaßt werden. Der Senat verweist hierzu auf seinen von dem FG in der angefochtenen Entscheidung auszugsweise wörtlich wiedergegebenen Beschluß vom 11. März 1970 I B 50/68, I B 3/69 (BFHE 98, 427, BStBl II 1970, 569). Diese Entscheidung betrifft zwar Vorschriften des DBA-Österreich; die allgemeinen rechtlichen Erwägungen zu dem Begriff der "Einkünfte" gelten jedoch auch für die Bestimmungen des DBA-Italien. Dementsprechend kann sich nach dem Belegenheitsprinzip die Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der X bei der Besteuerung der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland nicht durch eine Minderung der anzusetzenden Einkünfte auswirken; die Besteuerung obliegt insoweit Italien.
3. Auch aus den Vorschriften des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft (AIG) vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1214) BStBl I 1969, 480) läßt sich - entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Meinung der Klägerin - nichts zugunsten des Begehrens der Klägerin herleiten.
a) § 2 AIG regelt die steuerliche Behandlung von Verlusten, die "aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebstätte" stammen. Die Klägerin hatte, wie sich aus ihrer Revisionsbegründung (unter II) ergibt, mit ihrer Beteiligung an der X keine Betriebstätte begründet. Die X war eine rechtlich selbständige Kapitalgesellschaft. Die von ihr erzielten (positiven oder negativen) Einkünfte sind keine Einkünfte aus einer Betriebstätte i. S. des § 2 Abs. 1 AIG. Etwas anderes kann nicht aus der Regelung des DBA geschlossen werden. Aufgrund der Verweisungen in Art. 5 Abs. 3 auf die Art. 3 und 4 DBA-Italien werden die (positiven oder negativen) Einkünfte der Klägerin aus der italienischen Kapitalgesellschaft nicht zu Einkünften aus einer Betriebstätte. Sie werden durch die Regelung des DBA-Italien lediglich wie solche Einkünfte angesehen und steuerlich entsprechend behandelt (vgl. Richter, Erläuterungen zum Auslandsinvestitionsgesetz in Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 3 AIG, Anm. 31). Daher kann es bei dieser Betrachtungsweise dahingestellt bleiben, welchen Inhalt der Betriebstättenbegriff in § 2 AIG - auch bei Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift - hat und in welchem Verhältnis er zu der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 2 DBA-Italien steht (vgl. dazu im einzelnen Richter, a. a. O., § 2 AIG, Anm. 54 bis 56).
Die Bestimmungen in § 2 Abs. 1 AIG gelten nicht für Einkünfte aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften (Tochtergesellschaften). Eine Regelungslücke, die eine ergänzende Rechtsfortbildung zulassen könnte, liegt insoweit nicht vor. Das folgt schon aus Abs. 2 des § 2 AIG. Darin wird streng zwischen "Betriebstätte" und "Kapitalgesellschaft" unterschieden und es werden lediglich steuerliche Besonderheiten bei der Umwandlung einer ausländischen Betriebstätte in eine ausländische Kapitalgesellschaft geregelt; im übrigen gilt für die steuerliche Behandlung von Verlusten bei ausländischen Kapital-(Tochter-)Gesellschaften § 3 AIG (dazu im folgenden unter b); vgl. auch Richter, a. a. O., § 3 AIG, Anm. 9).
b) § 3 AIG kann im Streitfall nicht angewendet werden. Die Klägerin hat keine steuerfreie Rücklage für Verluste der X gebildet und eine solche Rücklage möglicherweise auch gar nicht bilden dürfen (vgl. dazu Richter, a. a. O., § 3 AIG, Anm. 9, 31).
4. Die Regelung des DBA-Italien verstößt in den hier streitigen Teilen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes. Sie stellt für alle unter das DBA-Italien fallenden Vorgänge die steuerliche Gleichbehandlung sicher. Davon abweichende Regelungen in anderen Doppelbesteuerungsabkommen haben darauf keinen Einfluß. Sie müssen insoweit außer Betracht bleiben, da die Vereinbarungen in dem DBA-Italien als angemessen und in sich ausgewogen anzusehen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 74196 |
BStBl II 1982, 243 |
BFHE 1982, 54 |