Entscheidungsstichwort (Thema)
Genaue Darlegung der Verletzung rechtlichen Gehörs erforderlich; Begrenzung des Streitgegenstands auf Sonderbetriebsgewinn eines Gesellschafters; bei Anfechtungsklage ist Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig
Leitsatz (NV)
1. Zur Begründung der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist es erforderlich, daß substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Kläger infolge dieser Verletzung nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte. Diese substantiierte Darlegung muß innerhalb der Begründungsfrist des § 120 Abs. 2 FGO geschehen.
2. Ist Streitgegenstand nur die Höhe des Sonderbetriebsgewinns eines Gesellschafters, so darf das FG nur darüber entscheiden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Angriffe gegen die Höhe des Sonderbetriebsgewinns eines Gesellschafters zwangsläufig Auswirkungen auf die Höhe des Sonderbetriebsgewinns eines anderen Gesellschafters oder auf die Höhe des Gewinns aus dem Gesellschaftsvermögen haben würden.
3. Bei der Anfechtungsklage ist eine Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig. Eine (objektive) Klageänderung liegt vor, wenn während der Rechtshängigkeit der Streitgegenstand geändert, d. h. anstelle des ursprünglichen Begehrens oder neben ihm ein anderer Klageantrag gestellt wird.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1, § 67 Abs. 1, § 119 Nr. 3
Tatbestand
Am 1. Oktober 1963 gründeten A (Beigeladener) und B eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die 1966 in eine OHG umgewandelt wurde. Die Gesellschaft hatte den Betrieb eines Sand- und Kieswerks zum Gegenstand. Am 8. September 1966 starb B. An seiner Stelle wurde als Erbe der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Gesellschafter. Am 31. März 1972 übernahm der Kläger den Gesellschaftsanteil des Beigeladenen.
Der Beigeladene war Eigentümer eines Grundstücks (Flurstück Nr. 650 der Gemarkung Z). 1962 wurde auf dem Grundstück ein Kiesvorkommen entdeckt. Der Beigeladene bestellte 1964 dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Flurstück Nr. 650/1 der Gemarkung Z an diesem Vorkommen das Ausbeuterecht. Eigentümer dieses Grundstücks war damals B. Als Entgelt wurde eine Vergütung von 0,25 DM je cbm verkauften und eigenverwendeten Materials vereinbart. Für den Fall des Ausscheidens des Beigeladenen aus der Gesellschaft sollte sich der Preis auf 0,40 DM/cbm erhöhen. B war verpflichtet, die ausgebeuteten Flächen wiederaufzufüllen und zu bepflanzen. Die Ausübung des ihm eingeräumten Ausbeuterechts überließ B der OHG.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) das Kiesvorkommen als notwendiges Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen. Er bewertete es mit dem Teilwert im Einlagezeitpunkt vermindert um AfS. Bei der Ermittlung des Teilwerts ging das FA von 0,50 DM/cbm gewachsenen Materials aus, was der vereinbarten Vergütung von 0,40 DM/cbm verkauften Materials entsprach. Dies ergab bei dem geschätzten Gesamtvorkommen von 1 040 000 cbm einen Betrag von 520 000 DM. Das FA zinste diesen Betrag unter Annahme einer voraussichtlichen Abbauzeit von zehn Jahren auf 391 955 DM ab. Als AfS wurden demzufolge nur 0,38 DM/cbm gewachsenen Materials bei den Gewinnfeststellungen 1964 bis 1968 anerkannt. Der Betrag der AfS wurde dem Beigeladenen als Sonderbetriebsausgabe zugeordnet.
Nach erfolglosem Einspruch begehrt der Kläger mit seiner Klage die Gewinnfeststellungsbescheide 1964 bis 1968 dahingehend zu ändern, daß bei der Gewinnermittlung der Teilwert des Kiesvorkommens des Beigeladenen mit 520 000 DM statt nur mit 391 955 DM angesetzt wird, wodurch sich höhere Beträge bei der AfS ergäben. Während des Klageverfahrens machte der Kläger geltend, daß der Klageantrag - falls kein höherer Teilwert angesetzt werden sollte - auf den Ansatz einer in den Streitjahren unterlassenen Rekultivierungsrückstellung gestützt werde.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit der Revision macht der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Zur Begründung trägt er vor: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klage insofern unzulässig sei, als eine höhere AfS geltend gemacht werde. Auf jeden Fall sei sie deshalb zulässig, weil die nachträgliche Bildung einer Rekultivierungsrückstellung begehrt werde, da dadurch der Gewinnanteil des Klägers gemindert werde.
Es liege außerdem ein Verfahrensmangel vor, weil bisher lediglich in der Sache verhandelt worden sei und bei dem Termin am 22. September 1981 nicht darauf hingewiesen worden sei, daß die Klage möglicherweise unzulässig sei. Der Kläger habe dadurch keine Gelegenheit gehabt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Das Recht auf Gehör sei verletzt worden. Das Verbot von Überraschungsentscheidungen ergebe sich aus § 93 und § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 278 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO).
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO) ist die Revision nicht begründet, weil der Kläger einen solchen Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß gerügt hat.
Zur Begründung der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist es erforderlich, daß substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Kläger infolge dieser Verletzung nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355, m.w.N.). Diese substantiierte Darlegung muß innerhalb der Begründungsfrist des § 120 Abs. 2 FGO geschehen (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 17. Februar 1970 2 BvR 608/69, BVerfGE 28, 17; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 16. Mai 1956 V ZR 183/55, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier/Möhring - LM -, § 273 BGB Nr. 6; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 119 Anm. 6 E). Im Streitfall hat der Kläger erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist (1. Juli 1982) mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1982 vorgetragen, was er im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen hätte, wenn er rechtzeitig von der Absicht der Abweisung der Klage als unzulässig unterrichtet worden wäre.
2. In materieller Hinsicht ist die Revision nicht begründet, weil das Finanzgericht (FG) im Ergebnis zu Recht die Klage als unzulässig abgewiesen hat (§ 126 Abs. 4 FGO).
a) Das FG hat den Hauptantrag des Klägers zutreffend wegen fehlender Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) abgewiesen. Da der Antrag des Klägers lediglich den Gewinnanteil des Beigeladenen betraf, hätte er näher darlegen müssen, weshalb sich für ihn aus der - nach seiner Ansicht rechtswidrigen - Festsetzung des Teilwerts für das Kiesvorkommen eine Beschwer ergibt. Dazu hat der Kläger aber auch im Revisionsverfahren nichts vorgetragen. Die Auswirkung der Höhe des Sondergewinns auf die Gewerbesteuer der OHG hat das FG zutreffend als für das Gewinnfeststellungsverfahren unbeachtlich angesehen.
b) Den Hilfsantrag, ,,im Rahmen des bezifferten Klageantrags eine Rekultivierungsrückstellung anzusetzen", hat der Kläger erst nach Ablauf der Klagefrist mit Schriftsatz vom 24. November 1981 gestellt.
Dieser Hilfsantrag war jedoch schon deshalb unzulässig, weil die Voraussetzungen einer zulässigen Klageänderung (§ 67 Abs. 1 FGO) nicht vorlagen. Bei fristgebundenen Klagen ist eine Klageänderung, unabhängig von den sonstigen Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FGO nur statthaft, wenn nicht nur für das ursprüngliche, sondern auch für das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (BFH-Urteile vom 19. Mai 1972 III R 138/68, BFHE 106, 8, 12, BStBl II 1972, 703, und vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331). Bei der Anfechtungsklage ist deshalb eine Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig. Der Ansicht des FG, es handele sich bei dem nachträglich gestellten Antrag nicht um eine Klageänderung, sondern nur um eine weitere Begründung des auf eine Herabsetzung des Gesamtgewinns gerichteten Klageantrags, kann nicht gefolgt werden.
Eine (objektive) Klageänderung liegt vor, wenn während der Rechtshängigkeit der Streitgegenstand geändert, d. h. anstelle des ursprünglichen Begehrens oder neben ihm ein anderer Klageantrag gestellt wird (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 67 Anm. 2; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung, 14. Aufl., § 263 Anm. 1). Maßgeblich für das Vorliegen einer Klageänderung ist der Streitgegenstandsbegriff der FGO.
Der Streitstoff wird im finanzgerichtlichen Verfahren durch das Rechtsschutzbegehren des Klägers bestimmt (§§ 40 Abs. 2, 65 Abs. 1 FGO). Nach § 65 Abs. 1 FGO muß bei einer Anfechtungsklage die Klageschrift u. a. den Streitgegenstand bezeichnen. Während es die Rechtsprechung des BFH bei Steuerbescheiden ausreichen läßt, wenn in der Klageschrift der angefochtene Steuerbescheid bezeichnet wird, gelten für die Anfechtung von Feststellungsbescheiden Besonderheiten, weil bei diesen Bescheiden die Feststellung einzelner Besteuerungsgrundlagen rechtlich verselbständigt, insbesondere für selbständig anfechtbar erklärt worden ist (§ 157 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der im Gewinnfeststellungsbescheid festgestellte Gesamtgewinn einer Personenvereinigung setzt sich in der Regel aus verschiedenen Komponenten zusammen, z. B. aus dem laufenden Gewinn der Gesellschaft, aus Veräußerungsgewinnen und aus den Gewinnen, die sich aus den Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter ergeben (Sonderbetriebsgewinne). Eine Klage gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid kann demzufolge verschiedene Zielsetzungen haben, sie kann sich nur gegen einzelne Komponenten des Gewinns richten, sie kann sich aber auch nur gegen die Gewinnverteilung wenden oder auch sämtliche Teile des festgestellten Gesamtgewinns angreifen.
Der BFH hat aus dieser Besonderheit des Gewinnfeststellungsbescheids gefolgert, daß es für die Bezeichnung des Streitgegenstands nicht ausreicht, daß aus der Klageschrift erkennbar ist, welcher Gewinnfeststellungsbescheid angefochten werden soll; vielmehr muß aus der Klageschrift auch erkennbar sein, welches Ziel die Klage hat (Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/73, BFHE 122, 2, BStBl II 1977, 509).
Im Streitfall hat der Kläger sowohl in der Einspruchsbegründung als auch in der Klageschrift beantragt, ,,die Gewinnfeststellungsbescheide . . . dahingehend abzuändern, daß bei der Gewinnermittlung der Teilwert des Kiesvorkommens von Herrn A mit 520 000 DM und nicht mit 391 955 DM angesetzt wird, wodurch sich höhere Beträge bei der AfS ergeben". Die Gewinnauswirkungen, die sich aus der begehrten höheren AfS ergeben, hat der Kläger in der Klageschrift vom 5. Februar 1975 für die einzelnen Streitjahre beziffert.
Streitgegenstand war somit nur die Höhe des Sonderbetriebsgewinns des Beigeladenen. Nur über diesen Streitgegenstand durfte das FG entscheiden. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Angriffe gegen die Höhe des Sonderbetriebsgewinns eines Gesellschafters zwangsläufig Auswirkungen auf die Höhe des Sonderbetriebsgewinns eines anderen Gesellschafters oder auf die Höhe des Gewinns aus dem Gesellschaftsvermögen haben würden.
Eine solche zwangsläufige Wechselseitigkeit besteht im Streitfall jedoch nicht; denn die vom Kläger angegriffene Höhe der AfS für das dem Sonderbetriebsvermögen des Beigeladenen zugerechnete Kiesvorkommen hat weder auf den Gewinn aus dem Gesellschaftsvermögen der OHG noch auf den Sonderbetriebsgewinn des B Einfluß. Das FG hätte daher von sich aus nicht die Frage aufgreifen dürfen, ob eine Herabsetzung des festgestellten Gesamtgewinns unter dem Gesichtspunkt einer im Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters B zu bildenden Rekultivierungsrückstellung geboten sei. Das FG verkennt, daß Streitgegenstand der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage nicht der Gesamtgewinn der OHG, sondern nur der Sonderbetriebsgewinn des Beigeladenen ist. Die Feststellung des Sonderbetriebsgewinns einzelner Gesellschafter ist nicht nur im Verhältnis zum Gewinn der Gesamthand, sondern auch im Verhältnis zu den Sonderbetriebsgewinnen anderer Gesellschafter rechtlich verselbständigt. Es ist daher nicht zulässig, im Rahmen eines bezifferten Klageantrags, der nur den Sonderbetriebsgewinn des Gesellschafters A betrifft, diesen mit dem Sonderbetriebsgewinn des Gesellschafters B zu saldieren. Es handelt sich insoweit um verschiedene rechtlich verselbständigte Regelungen im Rahmen der Gewinnfeststellung, die verfahrensrechtlich ein unterschiedliches Schicksal haben können. Da der Kläger die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide innerhalb der Klagefrist nur bezüglich des Sonderbetriebsgewinns des Beigeladenen angefochten hat, sind diese Bescheide hinsichtlich der übrigen Besteuerungsgrundlagen, also insbesondere hinsichtlich der Höhe des laufenden Gewinns aus dem Gesellschaftsvermögen und hinsichtlich des Sonderbetriebsgewinns des Gesellschafters B, unanfechtbar geworden (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1974 I R 226/70, BFHE 113, 428, BStBl II 1975, 236).
Fundstellen
Haufe-Index 415611 |
BFH/NV 1988, 791 |