Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatsächlicher Vollzug des Arbeitsvertrags mit Auszahlung des Arbeitslohns
Leitsatz (NV)
Ist der vereinbarte Arbeitslohn einmal ausgezahlt, ist der Arbeitsvertrag insoweit tatsächlich vollzogen. Ein sich anschließendes Darlehnsverhältnis ist für sich zu beurteilen. Für die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses ist es nicht mehr von Bedeutung, ob das Darlehnsverhältnis steuerlich anerkannt werden kann.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt eine Bäckerei. Nach dem Tode ihres Sohnes 1967 übernahm die Leitung der Bäckerei ein Schwiegersohn, der für die Klägerin als Arbeitnehmer tätig ist.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung für die Streitjahre 1976 bis 1979 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die geltend gemachten Lohnaufwendungen nur zum Teil als Betriebsausgaben an. Das FA erhöhte den Gewinn um Beträge, die der Schwiegersohn nach Auszahlung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewährt hatte, daß sie als Darlehen geschuldet werden. Besondere Vereinbarungen über Rückzahlung und Zinsen wurden nicht getroffen. Die Klägerin führte die Beträge dem Darlehenskonto zu, und zwar 1976 in Höhe von 6 900 DM, 1977 in Höhe von 7 100 DM, 1978 in Höhe von 6 900 DM und 1979 in Höhe von 7 200 DM.
Das FA kürzte die Betriebsausgaben ferner um die anteiligen Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung in Höhe von 1 104 DM (1976 und 1978), 1 136 DM (1977) und 1 152 DM (1979) und erließ - unter Anpassung der Gewerbesteuerrückstellungen - geänderte Einkommensteuerbescheide, gegen die die Klägerin vergeblich Einspruch einlegte.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und minderte auch das zu versteuernde Einkommen 1979 um 5 417 DM, indem es, dem Klageantrag folgend, einen vom FA nicht bewilligten Verlustrücktrag aus dem Jahre 1980 zuließ. Das FA hatte für das Jahr 1980 den Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin auf 2 935 DM festgesetzt; dabei hatte es die Betriebsausgaben der Klägerin um die auch hier streitigen Gehaltsaufwendungen an den Schwiegersohn in Höhe von 8 352 DM gekürzt.
Mit der aufgrund der Beschwerde des FA wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Verträge zwischen Familienangehörigen seien steuerlich nur anzuerkennen, wenn ihre Gestaltung und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspreche. Nur so könne sichergestellt werden, daß die Vertragsbeziehungen im betrieblichen und nicht privaten Bereich wurzelten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. April 1983 IV R 198/80, BFHE 138, 359, BStBl II 1983, 555).
Das FG beschränke diese Anforderung auf die Vertragsbeziehungen zwischen Ehegatten sowie Eltern und Kindern. Dagegen habe der BFH sie auch bei vertraglichen Beziehungen zwischen sonstigen nahen Familienangehörigen angewendet, z. B. zwischen Geschwistern (Urteil vom 22. Januar 1970 IV 85/65, BFHE 98, 401, BStBl II 1970, 413) und ferner zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern (Urteil vom 14. August 1975 II R 159/71, nicht veröffentlicht).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht die Zahlungen der Klägerin an den Schwiegersohn auch insoweit als Betriebsausgaben berücksichtigt (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), als sie als Darlehen dem Betrieb der Klägerin wieder zur Verfügung gestellt wurden.
Es kann offenbleiben, ob die Anforderungen, die die Rechtsprechung an Verträge zwischen Ehepartnern, insbesondere hinsichtlich ihrer tatsächlichen Durchführung, stellt, auch für Verträge zwischen einer Schwiegermutter und ihrem Schwiegersohn gelten. Selbst wenn man letzteres bejaht, kann der Klägerin der Abzug der streitigen Aufwendungen als Betriebsausgaben nicht verwehrt werden.
Gegen die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages zwischen ihr und dem Schwiegersohn bestehen keine Bedenken. Solche sind weder von der Revision vorgetragen noch sind sonst Gründe ersichtlich, die seine Wirksamkeit in Frage stellen könnten. Das gilt insbesondere auch für die Höhe des Entgelts; zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß es angemessen war.
Der Arbeitsvertrag ist auch in den Streitjahren tatsächlich durchgeführt worden. Zur tatsächlichen Durchführung eines Arbeitsvertrages gehört nicht nur, daß die Arbeitsleistung - was hier nicht streitig ist - tatsächlich vereinbarungsgemäß erbracht wird. Dazu gehört auch, daß das vereinbarte Entgelt aus dem betrieblichen Bereich des Arbeitgebers ausgeschieden und in den Vermögensbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, der von dem des Arbeitsgebers klar und eindeutig getrennt sein muß (BFH-Urteil vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48 m. w. N.). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt.
Das FG hat festgestellt, daß dem Schwiegersohn die Beträge, die er der Klägerin zur Verfügung gestellt hat, zunächst ausgezahlt worden sind. An diese Feststellung ist der Senat gebunden, denn sie ist mit der Revision nicht angegriffen worden (§ 118 Abs. 2 FGO). ,,Ausgezahlt" heißt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bar übergeben oder ausgehändigt (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort ,,Auszahlen"). Mit der baren Übergabe des geschuldeten Betrags ist dieser aus dem betrieblichen Bereich der Klägerin ausgeschieden und in den alleinigen Vermögensbereich des Arbeitnehmers gelangt (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1986 I R 60/84, BFH/NV 1986, 669).
Hat die Klägerin aber den vereinbarten Arbeitslohn einmal ausgezahlt, ist der Vertrag insoweit tatsächlich vollzogen. Ein sich anschließendes Darlehensverhältnis ist für sich zu beurteilen. Für die steuerliche Anerkennung des Arbeitsverhältnisses ist es nicht mehr von Bedeutung, ob das Darlehensverhältnis steuerlich anerkannt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 4. November 1986 VIII R 82/85, BFHE 148, 520, BStBl II 1987, 336; in BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 58). Auf letzteres kommt es im Streitfall nicht an, weil sich das Darlehensverhältnis nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG nicht auf den Gewinn der Streitjahre ausgewirkt hat; insbesondere ist nicht ersichtlich, daß Zinsen als Betriebsausgaben geltend gemacht worden sind.
Das FG hat auch zu Recht gemäß § 10d EStG einen Verlust aus dem Jahre 1980 vom Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 1979 abgezogen (Verlustrücktrag). Wie das FG festgestellt hat, erkannte das FA auch im Jahre 1980 Lohnzahlungen in Höhe von 8 352 DM nicht als Betriebsausgaben an. Dadurch ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 2 935 DM statt ./. 5 417 DM. Die Lohnzahlungen wurden nach den Feststellungen des FG aus den gleichen Gründen gekürzt wie in den Streitjahren und sind daher ebenso wie diese als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.
Die Feststellung des rücktragsfähigen Verlustes ist für das Jahr vorzunehmen, in dem sich der Verlustrücktrag auswirkt (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1982 VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710).
Fundstellen
Haufe-Index 415613 |
BFH/NV 1989, 291 |